Unglücke Passau zittert vor der zweiten Flutwelle
Nach der Jahrhundertflut steht in Passau das Donauwasser nach wie vor hoch in den Straßen, obwohl es langsam zurückgeht. Mit 11,80 Metern lag der Pegelstand am Morgen etwa einen Meter unter dem Höchststand. Doch für eine Entwarnung ist es noch zu früh. Denn etwa 100 Kilometer flussaufwärts hat die Welterbestadt Regensburg in der Nacht Katastrophenalarm ausgerufen. Damit könnte Passau eine zweite Flutwelle drohen.
"Wir haben Angst, weil jetzt auch donauaufwärts in Regensburg und Deggendorf Katastrophenalarm ausgelöst wurde", sagt eine Anwohnerin am Römerplatz in Passau. Die Stadtwerke haben die Trinkwasserversorgung in der Stadt gekappt - denn es drohte eine Verunreinigung durch Flusswasser. Auch der Strom bleibt in einigen überfluteten Straßen abgestellt.
Unterdessen erwartet die Einsatzleitung in Regensburg eine Donauwelle mit einer Höhe von etwa 6,80 Metern in der Altstadt. So hoch stand das Wasser seit mehr als 130 Jahren nicht mehr. Diese Flutwelle wird dann weiter flussabwärts nach Passau fließen. Regensburg hatte in den vergangenen Jahren in mobile Schutzwände investiert, die bereits mehrfach ihre Funktionstüchtigkeit bewiesen haben.
Auch andernorts in Bayern verschärft sich die Lage. Für den Bereich Straubing bis oberhalb Passau soll sich den Behörden zufolge die Hochwasserlage noch einmal verschlimmern. Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums werden derzeit im Landkreis der Donaustadt Deggendorf Häuser und Wohnungen evakuiert. Es sind 4000 Menschen betroffen.
Merkel verspricht Millionenhilfe
Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich zurzeit selbst ein Bild von der Lage in den deutschen Hochwasserregionen. Nach einem Hubschrauberflug über Bayern sagte sie: "Wir haben gedacht, 2002 war die Lage schon exorbitant." Jetzt sei die Situation aber noch dramatischer als beim damaligen Hochwasser. Der Bund stelle 100 Millionen Euro für unbürokratische Soforthilfe bereit, versprach die CDU-Politikerin bei einem Besuch in Passau. Das Geld sei für Bayern, Sachsen und Thüringen gedacht, die den gleichen Betrag beisteuerten.
Von Bayern reist die Kanzlerin ins sächsische Pirna weiter. Am frühen Nachmittag ist ein Besuch in Greiz in Thüringen geplant. Auch dort sind tausende Menschen vom Hochwasser betroffen.
Magdeburg fürchtet sich vor immenser Flut
Auch Sachsen-Anhalt muss bangen. Das Land erwartet im Laufe des Tages sogar noch eine höhere Flutwelle als beim Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002. In Halle ist die Lage nach Angaben eines Stadtsprechers bereits "dramatisch". Die Saale habe stellenweise die Marke von 7,50 Metern überschritten. Hunderte Einsatzkräfte kämpfen mit Hilfe der Bundeswehr in einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit um die Deiche an der Saale, die "sehr aufgeweicht" sind.
Magdeburg stellt sich ebenfalls auf extremes Hochwasser der Elbe ein und hat bereits Katastrophenalarm ausgelöst. Nach derzeitigen Prognosen wird am Pegel Strombrücke am Donnerstag die Marke von 6,90 Metern erreicht, sagte eine Sprecherin der Stadtverwaltung. 30.000 Sandsäcke zur Sicherung von Deichen und zum Errichten von Wällen wurden bereits gefüllt und 22.000 sind schon verbaut. Treten diese Prognosen ein, wird Magdeburg mit noch größeren Wassermassen zu kämpfen haben als zur verheerenden Flut 2002. Damals lag der höchste Pegelstand bei 6,72 Metern.
Wasser legt Justiz-Computer lahm
Das Hochwasser hat auch Computer der Justiz in Sachsen-Anhalt lahmgelegt. Die Justizbehörden des Landes mit Ausnahme des Ministeriums könnten derzeit keine E-Mails mehr empfangen, teilte das Justizministerium mit. Das Rechenzentrum sei in einem Schloss direkt an der Elbe in Barby untergebracht. Auch das Elektronische Grundbuch und das Elektronische Handelsregister seien ausgefallen.
In dem Gebäude müssen auch 6000 Meter Akten des Grundbucharchivs in Sicherheit gebracht werden. Dazu würden auch 50 Gefangene eingesetzt, die im offenen Vollzug seien oder bei denen Lockerungen erprobt würden, sagte Justizministerin Angela Kolb (SPD).
Pegel in Sachsen steigen: Dresden bedroht
Auch in Sachsen bereitet sich die Bevölkerung auf rasant steigende Pegelstände entlang der Elbe vor. Insbesondere aus Tschechien wird ein massiver Wasserzufluss für die Elbe erwartet. Der Pegel betrug am frühen Vormittag in Dresden 7,35 Meter. Bis Donnerstag wird ein Anstieg um 1,5 Meter erwartet. "Es ist doch eine sehr kritische Situation", räumte ein Sprecher ein. Auch die historische Altstadt von Dresden ist damit nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002 erneut bedroht. Sollten die Prognosen Wirklichkeit werden, bliebe das Hochwasser nur knapp unter den damals markierten Höchstständen von 9,40 Metern. Die Behörden sind aber zuversichtlich, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen greifen und die Altstadt geschützt werden kann. Zahlreiche Anwohner mussten aber bereits ihre Häuser verlassen.
Altstadt von Meißen überflutet
Im sächsischen Meißen fließt das Hochwasser der Elbe inzwischen in die Altstadt. Der Wasserstand habe am Dienstagmorgen bei knapp acht Metern gelegen. Der Theaterplatz sei bereits überflutet. An der tiefsten Stelle stehe das Wasser einen halben Meter hoch, hieß es - Tendenz steigend.
Die anschwellende Elbe drängt auch in die Altstadt der sächsischen Stadt Pirna. In flussnahen Gebieten musste in der Nacht der Strom abgeschaltet werden. Bewohner wurden aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. "Es gab aber keine Zwangsevakuierungen", sagte der Stadtsprecher. Das elbaufwärts liegende Obervogelgesang sei komplett überspült, dort kämen die Bewohner nur noch über Notwege in ihre Häuser. "Und der Scheitel ist noch nicht erreicht."
In den sächsischen Hochwassergebieten sind nach Angaben des Innenministeriums 9400 Einsatzkräfte unter anderem von Polizei und Feuerwehr im Einsatz. Auch die Bundeswehr ist vertreten und hält sich bei Bedarf noch mit weiteren Helfern bereit. 10.000 Menschen mussten bereits aus ihren Häusern und Wohnungen in Sicherheit gebracht werden. 9000 Menschen haben ihr Hab und Gut durch die Wassermassen verloren.
Die Hochwasserwelle aus Sachsen erreichte inzwischen auch Brandenburg. In den vergangenen 24 Stunden sind die Pegelstände der Flüsse dort gestiegen, teilte das Landesumweltamt mit. Vor allem an der Elbe und der Schwarzen Elster seien die Vorbereitungen zur Bekämpfung von Wassermassen angelaufen. In Herzberg, im Jahr 2002 wochenlang von Hochwasser bedroht, würden vorsorglich Sandsäcke gefüllt. Auch Mühlberg an der Elbe drohe die höchste Alarmstufe 4. An der Oder, die 1997 beim dortigen sogenannten Jahrhunderthochwasser besonders betroffen war, gebe es bisher dagegen keine Probleme.
Rekord-Hochwasser auch in Niedersachsen
Entlang der Elbe droht in Niedersachsen zum Wochenende ein Rekord-Hochwasser. Die Wasserstände könnten noch die von 2002 und 2011 übersteigen, befürchten die Behörden. "Man kann noch nicht genau sagen, an welchem Tag das Hochwasser Niedersachsen erreicht. Und es ist auch noch nicht klar, wann der höchste Stand zu erwarten sein wird", sagte ein Sprecher des Umweltministeriums in Hannover.
Auch die Nachbarländer Tschechien, Österreich und der Schweiz sind von verheerenden Hochwassern betroffen. Dort starben bereits sieben Menschen. Auf der Moldau in Tschechien zieht derzeit eine Hochwasserwelle nordwärts in Richtung Elbe und Deutschland.
Regen soll nachlassen
Meteorologen rechnen damit, dass der Regen in dem kommenden Tagen fast überall nachlässt und es bald sogar frühsommerlich warm wird.