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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rätselhafte Serie bei Baureihe 711.1 Fünf brannten schon: Bahn lässt Feuer-Zug nur noch begleitet fahren
Immer wieder brennen spezielle Turmtriebwagen der Bahn: Von 22 beschafften Exemplaren sind fünf in Flammen aufgegangen und wurden zum Teil zu führerlosen Fackeln auf Schienen.
Die Deutsche Bahn zieht die Notbremse bei einem Spezialzug, weil er ständig brennt: Nachdem zum fünften* Mal einer der ursprünglich 22 Bauzüge in Flammen aufgegangen ist, dürfen sie nicht mehr aus eigener Kraft fahren.
"HIOB" wird die DB-Baureihe 711.1 manchmal auch genannt, und das könnte an den unerfreulichen Botschaften liegen, die immer wieder mit dem Spezialzug verbunden sind. Es handelt sich jedoch um eine Abkürzung für Hubarbeitsbühnen-Instandhaltungsfahrzeug Oberleitungsanlagen – ein sogenannter Turmtriebwagen, der vor allem dann gefragt ist, wenn eine Oberleitung beschädigt ist. In bis zu 18 Meter Höhe steigen Bahntechniker mit der integrierten Hubbühne.
Mit bis zu 160 km/h für eilige Reparatureinsätze gedacht
Mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde kann die rollende Werkstatt zur Reparatur eilen. Jetzt nicht mehr. Denn die gelben Bauzüge dürfen bis auf Weiteres nur noch fahren, wenn sie von einer anderen Lok bewegt werden. Es ist eine eilige Reaktion auf den jüngsten Fall in einer schier unglaublichen Serie von Bränden. Dabei galt das Problem nach spektakulären Bildern eines brennenden Geisterzugs eigentlich durch Umbauten als behoben.
Kurzfristig verschärfte die Deutsche Bahn die bisherigen Vorsichtsmaßnahmen noch einmal deutlich: Nach einem Brand am 13. Juni war zunächst angeordnet worden, dass die Baureihe weiterfahren darf, allerdings mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Eine Lok sollte nur dann vorgespannt werden, falls einer der beiden Motoren ausfällt. Mit der neuen Weisung steht offenbar fest, dass die Bahn dem Antrieb vorerst gar nicht mehr traut.
Zwischen 2002 und 2004 wurden 22 Züge der Baureihe bei Hersteller GBM Gleisbaumechanik Brandenburg/H. angeschafft, die private Seite "Bahndienstwagen online" nennt die Züge auch die "S-Klasse der Dienstfahrzeuge": Sie seien schneller, moderner, leistungsfähiger und vielseitiger.
Brennend und führerlos nach 22 Kilometern gestoppt
2012 kam es erstmals zu einem Brand in einem der Züge der Baureihe. 2020 ereignete sich dann der gravierendste Zwischenfall, als ein Fahrzeug brennend und mit druck- und funktionsloser Bremsanlage 22 Kilometer weit führerlos auf der Strecke der Schwarzwaldbahn durch das Kinzigtal rollte. Unterwegs löste er noch einen Böschungsbrand aus, die Polizei sicherte mehrere Bahnübergänge, bis Bahner ihn im Bahnhof Gegenbach kontrolliert entgleisen ließen.
Was die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung danach herausfand, findet sich in einem 46-seitigen Bericht. Dort ist zu lesen, dass beide bis dahin aufgetretenen Brände aus dem gleichen Grund ausgebrochen waren: Aus einem Hydrauliklüftermotor war durch eine Undichtigkeit ein Öl-Luft-Gemisch ausgetreten und hatte sich am nahegelegenen Turbolader und Abgaskrümmer entzünden können.
Vor der 22 Kilometer langen Geisterfahrt war dann ein Schlauch des einen Bremssystems geplatzt, sodass dort die Druckluft entwich und die Bremskraft nachließ. Das zweite Bremssystem, die Federspeicherbremsanlage, reagierte auf ein Signal des Lokführers nicht, weil die elektrische Verkabelung durchs Feuer zerstört war. Der Zug konnte sich selbstständig machen.
Problematische Motoren wurden ausgetauscht
Als die Umstände klarer wurden, schickte die Bahn die Baureihe 711.1 zunächst in sehr dichter Folge zur Überprüfung der Hydrauliklüfter und ließ dann bis zum Februar 2023 die Hydraulikmotoren ganz austauschen.
Nur: Seit Januar 2023 und mit anderen Motoren sind bereits drei* weitere Brände ausgebrochen.
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Die Serie hatte sich 2023 mit einem Zug fortgesetzt, der sechs Kilometer brennend durch die Nacht fuhr. Nach Beginn der Löscharbeiten war er auf der Strecke München-Freilassung losgerollt, erst ein Prellbock auf einem Abstellgleis in Freilassing beendete seine Fahrt.
Bei der Bahn wird gerätselt: Es gibt offenbar noch andere Ursachen, warum die Turmtriebwagen plötzlich in Flammen stehen. Und das ist beunruhigend. Zwar waren Reisende bisher nie in Gefahr und entlang der Strecke hatte es außer Böschungsbränden auf freier Strecke keine Zwischenfälle gegeben.
Bei eingesetztem Personal fährt aber das mulmige Gefühl mit, dass die Gefahr real ist, ihr fahrbarer Untersatz könnte Feuer fangen. Mehrfach haben Bahnmitarbeiter bei den Vorfällen versucht, selbst Feuer zu löschen und den angehaltenen Zug nach plötzlichem Losrollen wieder zum Stehen zu bringen. Zum Teil sind Mitarbeiter nach dem vergeblichen Versuch aus dem fahrenden Zug abgesprungen.
Das Eisenbahn-Bundesamt, Aufsichtsbehörde für den Bahnverkehr, äußert sich zurückhaltend zur Zukunft der Baureihe 711.1: Man überwache "weiterhin kontinuierlich, inwieweit die DB InfraGO AG im Umgang mit der Thematik ihrer Sicherheitsverantwortung gerecht wird und welche Schlussfolgerungen sie aus der Aufarbeitung der jüngsten Ereignisse zieht", teilte ein Sprecher t-online mit. Die DB InfraGO AG ist eine Bahn-Tochter, die aus Verschmelzung von DB Netz und DB Station&Service hervorgegangen ist.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat am 21. Juni von der DB InfraGO AG die Nachricht erhalten, dass die Baureihe 711.1. nicht mehr aus eigener Kraft fahren darf. Nach Auskunft eines Sprechers der DB-Tochter gilt das zumindest, bis die Untersuchung des jüngsten Brandes auf der Bahnstrecke zwischen Düsseldorf und Wuppertal abgeschlossen ist. Am 13. Juni war der dreiköpfigen Besatzung zwischen Gruiten und Hochdahl die Rauchentwicklung aufgefallen, eigene Löschversuche waren gescheitert. Die Feuerwehr Haan musste eine Draisine einsetzen, um Material an den Brandort transportieren zu können und das Feuer löschen zu können.
Von den ursprünglich 22 Zügen der Baureihe 711.1 sind nach fünf Bränden aktuell 18 noch einsetzbar, ein Exemplar ist bereits als nicht mehr reparabel endgültig ausgemustert. Mit größeren Verzögerungen bei Instandsetzungen und Reparaturen an der Strecke rechnet die Bahn aber durch die Probleme nicht. Insgesamt gibt es an 35 Standorten 59 angetriebene Fahrzeuge für die Instandhaltung von Oberleitungsanlagen, Baureihe 711.2 bietet für derartige Arbeiten die gleiche Ausstattung. Und brennt bisher nicht.
*Wir hatten durch ein Missverständnis zunächst von sechs Bränden insgesamt und vier Bränden seit Januar 2023 geschrieben. Bei einem Feuer am 13. August 2023 in Traunstein hatte jedoch ein anderer Bauzug-Typ gebrannt.
- Eigene Recherchen
- feuerwehr-haslach.net Zugbrand auf der Schwarzwaldbahn https://feuerwehr-haslach.net/2020/07/zugbrand-auf-der-schwarzwaldbahn/
- bahndienstwagen-online.de: Hubarbeitsbühnen-Instandhaltungsfahrzeug für Oberleitungsanlagen 711.1
- feuerwehrmagazin.de Brände der Baureihe 711.1
- presseportal.de Mitteilung Feuerwehr Dresden
- kreisfeuerwehrverband-traunstein.de: Triebwagen eines Bau- und Reparaturzuges in Vollbrand https://kreisfeuerwehrverband-traunstein.de/aktuelles/grosseinsatz-triebwagen-eines-bau-und-reparaturzuges-vollbrand
- eisenbahn-unfalluntersuchung.de: Jahresbericht 2022
- eisenbahn-unfalluntersuchung.de: Untersuchungsbericht Gefährliches Ereignis im Eisenbahnbetrieb, Fahrzeugbrand