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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Empörung im Hochwassergebiet "Ich hätte mehr erwartet von der Stadt"
Im bayerischen Pfaffenhoffen an der Ilm ist das Wasser nach einem Dammbruch übergeschwappt. Ein Anwohner und eine Unternehmerin berichten.
Die Pegelstände sinken, der Regen lässt nach: Während sich die Hochwasserlage derzeit entspannt, sind betroffene Menschen in den Hochwasserorten mit den Folgen der Fluten beschäftigt. So auch im bayerischen Pfaffenhofen an der Ilm. Im gleichnamigen Landkreis brachen mindestens drei Dämme. So schwappte unter anderem die Ilm über.
Für Claudia Mayerhöfer, Geschäftsführerin der Stockerhof Eventlocation, ein immenser finanzieller Schaden: "Genau können wir es noch nicht sagen, aber der Schaden ist im sechsstelligen Bereich", sagt sie am Telefon. Zunächst sei die nahegelegene Ilm gar nicht übergetreten, bis es in Richtung München zu einem Dammbruch kam. "Unser komplettes Inventar wurde aufgeschwemmt", erklärt sie. Rund 80 Zentimeter hoch habe das Wasser im Gebäude gestanden.
Egal ob Einlegeböden, Schubläden, Möbel, Deko oder andere Elemente – sie alle sind kaputtgegangen. Eine erst Ende 2022 für etwa 30.000 Euro renovierte Bar aus Altholz wurde ebenfalls beschädigt, Leergut wurde weggeschwemmt. Viele technische Geräte, wie Kühlschränke und Spülmaschinen, sind nicht mehr nutzbar.
"Der Schaltschrank ist komplett durchgeschmort"
Der größte Schaden entstand in der Elektrik des Unternehmens. Es sei noch versucht worden, alle Sicherungen herauszunehmen – vergebens. "Der Schaltschrank ist komplett durchgeschmort. Die ganze Elektrik muss neu gemacht werden", sagt Mayerhöfer. Immerhin: Ein Notstromaggregat und eine Haubenspülmaschine, die große Mengen Geschirr säubern kann, sei ihnen kostenlos von helfenden Firmen zur Verfügung gestellt worden. So können etwa die bis zu 4.000 Gläser, zahlreiches Geschirr und Besteck gesäubert werden. Zudem sind jetzt Trockengeräte aufgestellt.
Trotz der schwierigen Umstände geht es für Mayerhöfer weiter: "Wir müssen das durchziehen. Wir können jetzt nicht aufhören. Uns bleibt nichts anderes übrig." Eine für den 1. Juni geplante Hochzeit konnte ausgelagert werden. Für das kommende Wochenende ist bereits die nächste Trauung angedacht. Außerdem kommen weitere 250 Gäste für ein Mittagessen. Das Provisorium stehe bereit. Die Hochzeitsgäste seien sehr aufgeregt. "Wir haben viele Hochzeitspaare zu Gast. Wir haben alle erst mal beruhigt", sagt Mayerhöfer.
Enttäuscht sei sie von Pfaffenhofen. "Die Unterstützung ist schlecht", sagt die Unternehmerin. Die komme eher aus dem überregionalen Raum, wie etwa aus Ingolstadt. Ebenso seien Mitarbeiter und Freunde aktiv.
"Die Stadt weiß ja, welche Gebiete absaufen"
Unter den Flutopfern ist auch Hans Rapp, der in Pfaffenhofen an der Ilm lebt. Sein Haus wurde überschwemmt: "Es ist ein Haufen Arbeit", sagt der 59-Jährige. Das Hochwasser sei relativ schnell gekommen, berichtet er. Sandsäcke seien jedoch erst später von der Stadt angeboten worden. Der Weg zu den Stadtwerken sei da aber schon gesperrt gewesen. "Man konnte selber nicht hinfahren", so Rapp.
Ohnehin sei die Vorbereitung nicht gut gelaufen, schließlich sei es nicht das erste Hochwasser in der Stadt. Auch 2013 waren Rapp und sein Haus betroffen. "Die Stadt weiß ja, welche Gebiete absaufen", sagt Rapp. "Ich hätte gerade anfangs mehr erwartet von der Stadt und den Stadtwerken". Kritik übt er auch an Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Dieser habe ihm versichert, dass er sich nach dem Hochwasser 2013, "gar keine Gedanken machen" müsse.
Bürgermeister weist Kritik zurück
Doch es kam anders: Rapp und seine Nachbarn hatten in der Nacht vor dem Hochwasser alle Hände voll zu tun. Vieles habe man in höhergelegene Stockwerke verlegt. Die größten Schäden hätten sie so verhindern können. Trotzdem sei vor allem der Keller vollgelaufen. Auch Möbel seien durch die Fluten beschädigt worden. Die Schäden, die er auf bis zu 5.000 Euro beziffert, seien aber nur das eine. "Das Schlimmste ist die nervliche Belastung. Die Frage: Was kommt noch?", erklärt Rapp.
Verständnis äußert der Hausmeister und Busfahrer für Feuerwehr und das Technische Hilfswerk (THW): "Dass Feuerwehr und THW überlastet sind, ist klar". Sie hätten dabei auch vielen Menschen geholfen und Leben gerettet.
Auf Anfrage von t-online weist Bürgermeister Thomas Herker die Kritik zurück: "Ich kann das nicht nachvollziehen. Es wurden über 60.000 Sandsäcke verteilt", erklärt er. Es sei ein unerwartetes, einmaliges Ereignis gewesen, mit außergewöhnlich hohen Pegelständen, weit über den Werten eines Jahrhunderthochwassers.
Hans Rapp ist durchaus bewusst, dass man darauf nicht hundertprozentig vorbereitet sein kann, aber: "Man lernt daraus". Er hoffe, dass zukünftig kein Baugebiet in Senken ausgewiesen wird.
- Telefonate mit Hans Rapp, Claudia Mayerhöfer, Thomas Herker