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Bei Spaltpenis Kochtopf - Die Welt der Kaninchenzucht


Tiere
Bei Spaltpenis Kochtopf - Die Welt der Kaninchenzucht

dpa, Von Christoph Driessen, dpa

Aktualisiert am 19.01.2011Lesedauer: 6 Min.
Tiere: Auf der Kaninchenschau geht es um schöne Ohren und die richtige Präsentation (Archivfoto: dpa)Vergrößern des Bildes
Auf der Kaninchenschau geht es um schöne Ohren und die richtige Präsentation (Archivfoto: dpa) (Quelle: dpa)

In der Zucht von Kaninchen geht es nicht nur um schöne Ohren, es geht auch um schöne Geschlechtsteile. "So drückt man den Penis raus", sagt Friedhelm Schürmann. In dem buschigen braunen Fell des vor ihm liegenden Kaninchens kommt etwas Rosafarbenes zum Vorschein. "Da sind Abnormalitäten möglich. Dass der Penis gespalten ist oder angewachsen. Das führt zum n.b." N.b. heißt "Nicht befriedigend". Und "nicht befriedigend" heißt Kochtopf.

Friedhelm Schürmann ist seit Jahrzehnten eine große Nummer in der deutschen Kaninchenzucht. Er ist einer der erfolgreichsten Züchter, einer der effektivsten Hallenmeister und einer der international gefragtesten Preisrichter. Ein "Kind des Reviers", wie die "Kaninchenzeitung" einmal geschrieben hat. Viele Jahre ist er Bergmann gewesen. Jetzt ist die Zeche stillgelegt. Und auch seiner großen Leidenschaft, der Kaninchenzucht, droht das Ende: Es ist kein Nachwuchs mehr da.

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"Wer nicht selber schlachten kann, ist fehl am Platze"

Schürmann schiebt dem Kaninchen mittlerweile die Kiefer auseinander, so dass man die zwei langen Hasenzähne sieht. Hase ist natürlich falsch, es geht um Kaninchen. Der schlimmste Fehler, den man machen kann. "Ich gehe an das Gebiss und schaue, ob die Zahnstellung richtig ist." Jetzt die Ohren. Das angestrebte Ideal sind dicke, fleischige Ohren, gut getragen. Wie trägt man die Ohren gut? "Ideal ist eine leichte V-Stellung." Die Ohrspannweite muss stimmen. Der Preisrichter nimmt hier gern seinen Ohrenmesser zur Hand, ein Speziallineal. Außerdem kontrolliert er, ob die Ohren vorschriftsmäßig durchlässig sind. "Das heißt, dass der Ohrkanal nicht zugewachsen sein darf."

Es gibt Tiere, die haben schwache Ohren. Dünn, faltig. "Das ist dann alles andere als ideal." Wenn Friedhelm Schürmann das sagt, müsste einem als Kaninchen schon bange werden. Denn er stellt höchste Ansprüche, und falls der Erfolg sich nicht einstellt, hat das Konsequenzen. "Tiere, die das Werturteil 'nicht befriedigend' erhalten würden, die erwiesene Mängel aufweisen, die werden bei mir geschlachtet. Wer als Rassekaninchenzüchter tätig ist und die Tiere nicht selber schlachten kann, der ist fehl am Platze."

"Mir fällt das schon schwer, wenn ich die dann auftaue"

Schürmann fackelt dann nicht lange: Bolzenschussapparat an den Kopf gesetzt, Bolzen abgeschossen, Tier betäubt, Kehlschnitt mit Metzgermesser, Zerteilen, Tiefkühltruhe. "Er schlachtet nur, wenn ich weg bin", sagt seine Frau Annelie (65). "Mir fällt das schon schwer, wenn ich die dann auftaue. Wo die doch so kuschelig sind." Es kommt allerdings selten vor, dass bei Schürmanns Tiere geschlachtet werden, weil die meisten eben doch den Ansprüchen genügen. Zuweilen muss Frau Schürmann schon im Discounter kalifornische Hasenläufe kaufen, damit mal wieder ein Braten auf den Tisch kommt.

Friedhelm Schürmann ist jetzt 68 Jahre alt und züchtet seit seinem 13. Lebensjahr. Er hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Pokale stehen in seinem Kaninchenschuppen massenweise im Regal, und doch ist es nur ein Bruchteil von dem, was er im Laufe der Zeit eingeheimst hat. Die meisten Trophäen verschenkt er. "Sonst hätte ich vier- bis fünfhundert Pokale. Meine Frau würde zuviel kriegen. Wegen dem Abstauben." Nur ein paar Goldmedaillen bewahrt er in Ehren: "Das sind die höchsten Auszeichnungen, die es gibt."

Rammler nach unten, Häsinnen nach oben - das gibt schöne Ohren

Zurück zum Thema Ohren. Schürmann wendet da einen alten Züchtertrick an: Er setzt seine Rammler - die Männchen - immer in die unteren Käfige und die Weibchen nach oben. Dadurch stellen die Rammler ständig die Ohren auf, weil sie von oben die Weibchen hören. Das gibt schöne Ohren. Kaninchenweibchen heißen übrigens Häsinnen, obwohl sie keine Hasen sind, sondern Kaninchen. Das Kaninchen ist ein Höhlenbewohner, der Hase dagegen lebt auf dem Felde und wirft seine Jungen in eine Sasse, eine Mulde auf dem Erdboden. Aber das führt jetzt zu weit.

Schürmann packt das Tier fest am Rücken. Es sieht unglücklich aus. Aber das ist der Laienblick. "Der ist das gewohnt und trainiert." Die Blume muss noch überprüft werden. So heißt beim Kaninchen der Schwanz. Eine krumme oder gebrochene Blume ist ganz schlecht, das gibt leicht ein n.b. Und jetzt das Fell. Er fährt mit der Hand hindurch: "Beim Drübergehen soll das Haar langsam in seine alte Stellung zurückgehen." Ist es ihm eigentlich schon mal aufgefallen, dass seine Kaninchen ständig die Nase bewegen? "Ja", sagt er. "Das ist die Atmung."

Wer platt rumliegt, gewinnt keinen Blumentopf

Als Züchter muss man wissen, dass die Preisrichter viel Wert auf die Haltung legen. Der Kenner sagt: Das Tier muss sich präsentieren. Es soll nicht einfach platt auf dem Boden liegen, es soll sich stellen, auf alle vier Pfoten. Nein, nicht Pfoten, Läufe. Und dann muss es noch im Becken schön abgerundet sein. Walzenform, sagt der Züchter.

Friedhelm Schürmann ist ein ziemlich großer Mann mit grauen Haaren und Silberrandbrille. Er trägt einen blauen Kittel mit der Abkürzung ZDRK auf der Brust. Das steht für Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter. Früher war die Abkürzung ZdK. Aber so hieß schon das Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

"Schade, dass das alles vorbei ist"

Sein ganzes Leben hat Schürmann an der Krefelder Straße in Neukirchen-Vluyn westlich von Duisburg verbracht. Als Kind wohnte er Krefelder Straße Nummer 69, später zog er direkt gegenüber ins Haus Nummer 70. Ein Bergarbeiterhaus. Die Kaninchen hat er hinten im Schuppen.

Gearbeitet hat er im Bergwerk Niederberg. Heute ein melancholischer Ort. Die beiden riesigen Fördertürme und die alten, braunschwarzen Backsteinhallen stehen noch, aber alles ist im Verfall begriffen. In der Mitte des Werksplatzes ragt eine alte Kastanie auf. Drumherum nichts. Der Wind pfeift, ein rostiges Tor quietscht. Friedhelm Schürmann ist der einzige hier. "Schade, dass das alles vorbei ist", murmelt er. "Hier haben viele Menschen ihr Leben gelebt."

Taubenzucht zu teuer für ehemaligen Bergarbeiter

Er weiß natürlich noch, wie es früher aussah, sieht das Treiben vor sich. Lange Güterzüge, aber auch Lastwagen aus Holland und Belgien transportierten die Kohle ab. "Unsere Schachtanlage, und das sag' ich jetzt mit ein bisschen Stolz, war die Perle von Europa." Man kann nicht glauben, dass das alles erst zehn Jahre her ist; eher hat man den Eindruck, die Schachtanlage wäre seit Jahrzehnten verlassen.

Manchmal trifft Schürmann noch seinen früheren Betriebsführer, einen Adeligen. Dessen Hobby ist die Jagd. Dafür reist er bis nach Kanada. Unerschwinglich für Schürmann. Sogar die Taubenzucht war zu teuer. Da blieben nur Kaninchen.

Alles begann mit einer tragenden Häsin

Er schenkt Kaffee in geblümte Tassen. Auf dem Tisch liegt die Champions Edition der Kaninchenzüchter, in der Schürmanns Erfolge bei Europa- und Bundesrammlerschauen aufgelistet sind. Nach dem Krieg hatte im Ruhrgebiet ja fast jeder Bergmann ein paar Tiere. Hühner, Schweine und vor allem Kaninchen. Zur Eigenversorgung. An der Krefelder Straße war das nicht anders. "Auf dem Schulweg bin ich an ganz vielen Tieren vorbeigekommen." Die Bretter für seinen ersten Stall suchte er sich auf der Müllkippe zusammen. Als Futter nahm er Weizen und Ähren vom Feld und Kartoffelschalen von den Nachbarn. Sein erstes Kaninchen war eine tragende Häsin. Schon bald hatte er seine eigene Zucht.

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"Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich will meinen Vater nicht schlecht machen, aber das Geld von den verkauften Tieren musste ich abliefern. Wir waren ein Haushalt mit acht Personen." Später, 1965, begann er mit der Veredelung von Rassekaninchen. "Wie ging ich vor? Ich besorgte mir die einschlägige Literatur und habe mir bei Vereinsveranstaltungen den Stoff angeeignet, den man braucht, um in der Zucht erfolgreich zu sein. Dann kauft man sich das Tiermaterial dazu und versucht, das zu verbessern. Das ist mir immer gut gelungen. Viele behaupten, ich hätte ein Händchen dafür, die richtigen Tiere miteinander zu verpaaren."

Der Nachwuchs bei den Züchtern fehlt

Als der Erfolg erst einmal da war, ging es ganz schnell bergauf. 1978 wurde er auch noch Preisrichter. Dazu kam seine Funktionärstätigkeit. "Ich habe mich in hohe Ämter wählen lassen." Nun, im Alter, blickt er mit Zufriedenheit zurück auf sein Züchterleben. Er hat jetzt schon ein paar Tiere weniger, aber 42 Boxen sind immer noch gefüllt. Auf dem Boden seines Kaninchenschuppens liegt kein Krümel. An der Wand hängen fein säuberlich aufgereiht die Zange zum Krallenschneiden und die Pinzette zum Auszupfen grauer Haare.

Was ihn betrübt, sind die Zukunftsaussichten. Junge Züchter kommen nicht mehr nach. "Wenn die 18 sind oder auch schon 16, dann sieht man nix mehr von denen. Die Jugend hat heute andere Interessen. Handy. PC. Schade ist das." Sein eigener Ortsverein, der R 23 Neukirchen-Vluyn, zählt noch 25 Mitglieder, von denen aber auch nur neun als Züchter aktiv sind. In den 60er Jahren waren es noch 60 Mitglieder. "Wenn wir unsere Tagungen haben vom Landesverband, dann gibt unser Vorsitzender immer mit Bedauern bekannt, wie viele Vereine geschlossen oder mit anderen zusammengelegt worden sind."

"Auch als gestandenem Mann läuft einem da eine Träne runter"

Das Hobby ist zeitaufwendig und arbeitsintensiv. Und das Verhältnis zu den Tieren wird von der Auslese bestimmt. Es sind keine Haustiere, die als Individuen geschätzt werden, es ist Zuchtmaterial. Kein Kaninchen hat einen Namen, nur eine Nummer. Eintätowiert im Ohr. Wie sehr Schürmann ihnen zugetan ist, hängt von der Leistung ab. Aber manchmal kommt es eben doch vor, dass ihm ein Tier noch lange in Erinnerung bleibt. Er hatte da mal einen ganz exzellenten Zuchtrammler, erinnert er sich. "Der kam von der Bundesschau zurück, und dann ganz plötzlich lag er tot im Stall." Er hält einen Moment inne. "Da will ich Ihnen ehrlich sagen: Auch als erwachsenem gestandenen Mann läuft einem da eine Träne runter."

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