Verheerende Folgen Der Konsum dieser Delikatesse wird zum Problem
Tausende Tonnen Froschschenkel werden jährlich in die EU importiert, insbesondere nach Frankreich. Das hat jedoch drastische Folgen für die Umwelt. Experten fordern einen Kurswechsel.
Kaum ein Gericht gilt international als so typisch französisch wie Froschschenkel. Knusprig gebraten und mit Knoblauch gewürzt, werden sie in zahlreichen Restaurants des Landes serviert. Etwa 4.000 Tonnen dieses traditionellen Gerichts werden im Frankreich pro Jahr verzehrt, hieß es in einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa im vergangenen Jahr. Das Landwirtschaftsministerium in der östlichen Region Bourgone-Franche-Comté zählt die Speise sogar zum kulinarischen Kulturerbe.
Doch der hohe Konsum der französischen Delikatesse hat Folgen: Denn in Frankreich selbst sind die essbaren Froscharten seit Jahrzehnten geschützt. Ihr Fang ist streng geregelt – wie in einem Großteil der Europäischen Union.
In Bourgogne-Franche-Comté dürfen Grasfrösche unter Auflagen gefangen und zwischen Ende Februar und April geschlachtet werden – dann, wenn sie zu den Tümpeln kommen, um sich fortzupflanzen. Für den Gaumenschmaus, der neben Frankreich auch in Belgien sehr beliebt ist, werden wegen dieser nationalen Auflagen pro Jahr etwa 2.800 Tonnen Froschschenkel aus dem Ausland nach Frankreich importiert.
Ökologische Probleme
Damit führt die große Nachfrage nach der Delikatesse in weit entfernten Ländern zu ökologischen Problemen. Denn in den größten Exportländern, allen voran Indonesien, bedroht die ungehemmte Lust in Europa auf die Leckerei nicht nur den Bestand seltener Froscharten, sondern auch das Gleichgewicht von Ökosystemen. Aus diesem Grund haben Umweltorganisationen nun einen offenen Brief an Präsident Emmanuel Macron gerichtet. Darüber berichtet unter anderem die Tageszeitung "Le Journal de Montréal".
Demnach sei durch den Verzehr die Existenz Hunderter Froscharten bedroht. Rund 560 Unterzeichner des Briefes drängen darauf, den weltweit am meisten gehandelten Froscharten einen besseren Schutz zu bieten. Macron solle Maßnahmen ergreifen, um die Einfuhr von Froschschenkeln zu kontrollieren, fordern die Wissenschaftler und Experten.
Jährlich werden bis zu 200 Millionen Frösche in die EU importiert
Dem Bericht zufolge heißt es in dem offenen Brief mit Blick auf die Importe von Froschschenkeln: "Wir sind der Ansicht, dass Frankreich eine besondere Verantwortung hat und diese Initiative ergreifen sollte." Jährlich würden rund 4.000 Tonnen in die EU importiert. Dies entspreche etwa 80 bis 200 Millionen Fröschen, je nach Größe.
Die Tiere stammen den Experten zufolge überwiegend aus Wildpopulationen in Indonesien, Albanien, Vietnam und der Türkei. Aufgrund des Konsums erlebten mehrere Froscharten bereits "einen signifikanten Rückgang", so etwa der Krabbenfresserfrosch (Fejervarya cancrivora) und der Reisfeldfrosch (Fejervarya limnocharis).
"Handel wird kaum reguliert oder überwacht"
"Der Handel mit Froschschenkeln wird von der Regierung kaum reguliert oder überwacht", sagte der Amphibien-Experte Ganjar Cahyadi, Kurator des Zoologie-Museums der Stadt Bandung auf Java (Indonesien), im vergangenen Jahr der dpa. Offizielle Daten über die Zahl wilder Frösche in dem Inselstaat gebe es nicht. "Wir wissen nicht, wie viele Frösche exportiert werden und wie viele in der Wildnis übrig bleiben."
Ähnlich sieht es in Vietnam aus, einem weiteren wichtigen Exporteur der Amphibien. Die Anzahl der Frösche im Allgemeinen habe hier in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen, sagte Mai Nguyen von der Tierschutzorganisation Humane Society International der dpa. "Als ich als Kind auf dem Land lebte, war es leicht, Frösche zu sehen und zu fangen. Aber heute – fast 40 Jahre später – ist es schwer, überhaupt noch wilde Frösche zu finden." Pläne, den Verkauf oder die Ausfuhr der Tiere zu begrenzen, gebe es bislang nicht.
Frösche sind wichtiger Bestandteil der Ökosysteme
Dabei sind die Regenwälder in Südostasien und speziell in Indonesien für ihre große Artenvielfalt bekannt – noch heute werden dort bislang unbekannte Spezies entdeckt. Es sei möglich, dass durch die weit verbreitete Jagd auf Frösche ganze Arten ausgerottet würden, bevor sie von Wissenschaftlern beschrieben werden könnten, so Cahyadi. Es müsse dringend mehr für die Erforschung und vor allem für den Schutz der Tiere getan werden.
Noch ein weiterer Punkt ist entscheidend: Frösche sind sowohl Beute als auch Jäger – und somit wichtiger Bestandteil der Ökosysteme, in denen sie leben. Speziell wenn es darum geht, die Population von Insekten wie Heuschrecken und Mücken zu reduzieren, sind die quakenden Amphibien unentbehrlich.
"Frösche sind natürliche Insektizide. Sie fressen Insekten, die der Landwirtschaft und der öffentlichen Gesundheit Probleme bereiten können", sagte Cahyadi. "Ohne Frösche müssten wir mehr Chemikalien einsetzen, um diese Insekten zu bekämpfen." Dies würde nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesundheit der Menschen schaden. Eine Lösung könnte darin bestehen, den Fokus auf die Zucht für den Export zu legen, statt auf die Jagd, so Cahyadi. Dies würde auch der lokalen Wirtschaft zugutekommen und Jobs schaffen.
"Das ist absurd"
Zudem verbessern Kaulquappen laut den Verfassern des offenen Briefes die Wasserqualität von Teichen. Umso größer ist die Kritik am Froschschenkelkonsum. "Das ist absurd: Die natürlichen Froschpopulationen in Europa sind gesetzlich geschützt", sagte Sandra Altherr, wissenschaftliche Leiterin der Organisation Pro Wildlife, in einer Stellungnahme. "Aber die EU toleriert immer noch das Sammeln von Millionen von Tieren in anderen Ländern, selbst wenn dies die Froschpopulationen bedroht. Das ist überhaupt nicht konform [...]".
Um das Phänomen zu bremsen, fordern die Unterzeichner demnach, dass Frankreich Vorschläge zum Schutz der im Rückgang befindlichen Froscharten ausarbeitet und dass es künftig eine Überwachung und Regulierung des internationalen Handels mit Froschschenkeln gibt.
Neben den Schäden für die Umwelt kritisieren Tierschutzorganisationen wie Peta auch das Leid der Frösche, das die Menschen durch die Jagd verursachten. Auf der Website heißt es dazu: "Die Tiere stammen größtenteils aus Asien, wo sie unter tierquälerischen Bedingungen leiden – auch der lange Transport in engen Transportboxen und das Abtrennen der Beine ist unvorstellbar qualvoll."
- Nachrichtenagentur dpa
- journaldemontreal.com: "L’appétit des Français pour les cuisses de grenouille met en danger les espèces en Asie" (französisch)
- prowildlife.de: "Froschschenkel-Handel bedroht Arten in Asien und Osteuropa"
- peta.de: "Froschschenkel: Enormes Tierleid & Folgen für die Umwelt"