Trotz Corona-Pandemie Sipri: Weltweite Waffenverkäufe weiter gestiegen
Die Wirtschaft kriselt in der Pandemie – das Rüstungsgeschäft hingegen nicht. Auch 2020 haben die internationalen Verkäufe von schweren Waffen zugelegt. Deutschland liegt ebenfalls im Trend.
Die weltweit führenden Rüstungsfirmen haben trotz der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr ihre Umsätze gesteigert. Die 100 größten Hersteller setzten insgesamt 531 Milliarden US-Dollar um, umgerechnet etwa 470 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag bekannt gab. Mit Abstand führend sind US-Unternehmen, dahinter folgen Rüstungsfirmen aus China. Kritik an den Geschäften übte das katholische Hilfswerk Misereor.
Die Umsätze der vier deutschen Hersteller in der Liste erhöhten sich laut Sipri auf 8,9 Milliarden Dollar, ihr Anteil am Gesamtumsatz der 100 größten Rüstungsunternehmen lag bei 1,7 Prozent.
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Trotz schrumpfender Weltwirtschaft und Lieferkettenengpässen seien die Branchenriesen "weitgehend durch die anhaltende staatliche Nachfrage nach militärischen Gütern und Dienstleistungen geschützt", erklärte Alexandra Marksteiner, Sipri-Expertin für Rüstungsproduktion. "Einige Regierungen haben sogar ihre Zahlungen an die Rüstungsindustrie erhöht, um die Auswirkungen der Covid-19-Krise abzumildern."
USA verkaufen weiterhin am meisten Waffen
US-Unternehmen dominieren auch 2020 die Sipri-Rangliste. Die Umsätze durch Waffenverkäufe der 41 in der Liste geführten US-Firmen beliefen sich zusammen auf 285 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg um 1,9 Prozent im Vergleich zu 2019. Auf die US-Rüstungsproduzenten entfielen 54 Prozent der gesamten Waffenverkäufe der Top 100.
Um weiterhin führend zu bleiben, setzt der US-Rüstungsmarkt dem Bericht zufolge auf Fusionen und Übernahmen. Die Unternehmen erweiterten demnach auch ihr Portfolio. "Dieser Trend ist besonders ausgeprägt im Raumfahrtsektor", so die Sipri-Expertin Marksteiner.
Chinesen sind besonders fortschrittlich
Chinesische Firmen entwickeln sich derweil zu einigen der "fortschrittlichsten Militärtechnologieproduzenten der Welt", sagte Nan Tian, leitender Wissenschaftler bei Sipri. Auf die fünf chinesischen Rüstungsfirmen in der Rangliste entfielen 13 Prozent des Gesamtumsatzes. Damit befindet sich China zwar weit hinter den USA, aber noch vor Großbritannien, das auf Platz drei liegt.
Chinesische Firmen verkauften laut Sipri Rüstungsgüter im Wert von schätzungsweise 66,8 Milliarden Dollar – 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die chinesischen Hersteller hätten in den vergangenen Jahren von den militärischen Modernisierungsprogrammen des Landes sowie der Verschmelzung von militärischen und zivilen Projekten profitiert, erläuterte Nan Tian.
Durchwachsene Bilanz für EU-Firmen
Die europäischen Hersteller haben hingegen eine durchwachsene Bilanz im ersten Corona-Jahr vorzuweisen. Auf die 26 europäischen Rüstungsunternehmen entfielen zusammen 21 Prozent der gesamten Waffenverkäufe (109 Milliarden Dollar).
Der Umsatz des britischen Konzerns BAE Systems – des einzigen europäischen Unternehmens unter den Top 10 – stieg dem Bericht zufolge um 6,6 Prozent auf 24 Milliarden Dollar. Der Umsatz der französischen Unternehmen brach hingegen um 7,7 Prozent ein.
Die vier deutschen Unternehmen in der Sipri-Liste der 100 größten Rüstungsfirmen generierten ein Umsatzplus von 1,3 Prozent, wobei der größte deutsche Waffenhersteller Rheinmetall einen Anstieg von 5,2 Prozent verzeichnete. Der Schiffbauer Thyssenkrupp wiederum meldete einen Rückgang von 3,7 Prozent.
Russlands größte Rüstungshersteller sahen sich das dritte Jahr in Folge mit einem Umsatzrückgang konfrontiert. Die Verkaufsbilanzen der neun in der Rangliste geführten Firmen sanken laut Sipri um 6,5 Prozent auf 26,4 Milliarden US-Dollar. Der Rückgang fiel demnach mit pandemiebedingten Lieferverzögerungen und dem Ende des staatlichen Rüstungsprogramms zusammen.
Insgesamt beliefen sich die Waffenverkäufe der Unternehmen in den Top 100 mit Sitz außerhalb der USA, China, Russland und Europa auf 43,1 Milliarden Dollar – ein Anstieg von 3,4 Prozent im Vergleich zu 2019. Dies entsprach 8,1 Prozent des Gesamtumsatzes der 100 größten Hersteller.
Misereor: "Falsche Prioritäten" in Krisenzeiten
Das katholische Hilfswerk Misereor kritisierte die Rüstungsgeschäfte. Der Bericht zeige "einmal mehr", dass "die Staaten dieser Welt in Krisenzeiten falsche Prioritäten setzen", sagte dessen Hauptgeschäftsführer, Pirmin Spiegel, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ, Montagsausgabe).
Die Corona-Pandemie bedeute für viele Menschen den Verlust ihrer Lebensgrundlagen. "Gleichzeitig boomt die Rüstungsindustrie, und auch deutsche Hersteller machen gute Geschäfte zulasten von Menschen in Konfliktregionen und auf Kosten zahlreicher Gewaltopfer." Die neue Bundesregierung müsse nun "Ernst machen mit ihren Ankündigungen zur Exportkontrolle und Abrüstung".
- Nachrichtenagentur afp