Tierarzt ohne Grenzen Amir Khalil rettet Tiere Aleppos zerstörtem Zoo
Zoos in Krisengebieten haben viele Bewohner, um die sich niemand mehr kümmert. Ein Tierarzt und sein Team evakuieren die Tiere der "Magic World" im vom Krieg zerstörten Aleppo in Syrien.
Früher kamen glückliche Familien hierher, um Tiere zu bestaunen. Zuletzt haben Löwen, Tiger, Bären und Hyänen an diesem Ort abgemagert und ausgetrocknet die Schrecken des syrischen Bürgerkriegs erlebt. In den Gehegen liegen Granatsplitter. Die nachgebauten antiken Säulen sind eingestürzt.
"Menschen kann ich nicht helfen, ich bin Tierarzt"
"Magic World", ein Themenpark am Rand der vom Kriegsleid gezeichneten Metropole Aleppo, lag schon teils in Trümmern, als Tierarzt Amir Khalil und sein Team mit Transportkäfigen und Lastern anrückten, um die letzten Zootiere aus dem Konfliktgebiet nach Amman in Jordanien zu retten.
"Den Menschen kann ich nicht helfen, ich bin Tierarzt", sagt Amir Khalil. "Ich glaube, dass Tiere zu unserem Planeten gehören und wir auch ihnen helfen müssen." Ein halbes Jahr ist es her, dass sein Team und er sich auf den Weg gemacht haben, um die Tiere von Syrien erst in die Türkei und später nach Jordanien in ein Reservat zu bringen. Die Rettung wurde wie ein Militäreinsatz geplant.
Abgemagert, total dehydriert
Etwa 300 Tiere befinden sich in "Magic World" als der Krieg in Syrien im Jahr 2011 ausbricht. Es gibt Karussells, ein Aquarium, Affen, Löwen, Krokodile. Später wird Aleppo zu einer der am härtesten umkämpften Städte in Syrien. Die Millionenmetropole im Norden des Landes ist ein wichtiges Handelszentrum. Rebellen und syrische Armee stehen sich in den engen Straßen gegenüber, mehr als ein Drittel der Stadt ist heute fast komplett zerstört. Das Gebiet um den Zoo wird nun von islamistischen Rebellen kontrolliert, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehen.
Von den einst mehreren Hundert Tieren leben im Sommer vergangenen Jahres nur noch wenige, 13 von ihnen werden gerettet. Der ägyptische Tierarzt, der seit mehr als 20 Jahren Tiere aus aller Welt befreit, erinnert sich: Die Tiere seien in einem schrecklichen Zustand gewesen – "abgemagert, total dehydriert".
"Wir haben die Rettung monatelang geplant"
Am Ende gelingt es den Tierschützern fünf Löwen, zwei Tiger, zwei Asiatische Schwarzbären, zwei Hyänen und zwei Hunde abzutransportieren. Trotz der Widrigkeiten, der Angst vor Luftangriffen auf solch einen auffälligen Konvoi und trotz der zahlreichen Checkpoints, die zwischen Zoo und türkischer Grenze liegen.
"Wir haben die Rettung monatelang geplant", erzählt Amir Khalil. Verschiedenste Rebellengruppen und Behörden seien eingeweiht gewesen, damit die Mission gelingt. Sicherheitsfirmen unterstützten die internationale Tierschutzorganisation mit Hauptsitz in Wien. "Wir hatten erfahren, dass wir aufgehalten werden sollten, also haben wir einen Konvoi leer fahren lassen und sind dann eine andere Strecke gefahren", sagt der Tierarzt.
Das Trauma der Tiere bleibt
Drei Wochen dauert es schließlich, bis die Tiere in ein Wildtierschutzzentrum in Jordanien gebracht werden konnte. Kurz nach der Rettung bringt eine der Löwinnen in Jordanien ein Junges zur Welt, das allerdings etwas später doch stirbt. "Äußerlich sind die Tiere in einem guten Zustand und haben sich mittlerweile wieder gut eingelebt", sagt Amir Khalil. "Aber die Tiere sind genau wie Menschen schwer traumatisiert." Sobald etwa Hubschraubergeräusche zu hören seien, würden die Tiere sich sofort verstecken.
Die Tierschutzorganisation ist weltweit unterwegs, rettet Tiere aus Krisengebieten und betreibt mehrere Auffangstationen für verwahrloste Tiere. Kurz vor der Rettungsaktion in Syrien, holten die Tierschützer eine Bärin und eine Löwin aus der damaligen IS-Hochburg Mossul im Irak.
Nächste Mission am Gazastreifen
"Manchmal schaffen Tiere, was die Menschen nicht schaffen", meint Amir Khalil. "Häufig schwindet in den Kriegen die Menschlichkeit, aber dass so viele Menschen bei der Rettung der Tiere beteiligt waren, zeigt doch, dass die Menschlichkeit wiederkommt."
Trotz der Gefahren plant Tierarzt Amir Khalil schon wieder die nächste Rettung im Nahen Osten. Sie soll in den Gazastreifen führen. Wenn er von den Tieren spricht, dann nennt er sie "Botschafter", weil viele unterschiedliche Menschen zusammen an der Rettung arbeiten würden. Das sei in den Kriegsgebieten ein guter Gedanke.
Quelle:
- dpa