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Fall Arian: Traumaexperte über Folgen für die Eltern


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Traumaexperte zum Fall Arian
Zwei Lebensgesetze gebrochen


Aktualisiert am 27.06.2024Lesedauer: 3 Min.
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Gedenken an Arian: Eine gefundene Kinderleiche hat sich als der vermisste Sechsjährige herausgestellt. (Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa/dpa-bilder)

Arian ist von einem Mitarbeiter eines Landwirts gefunden worden. Ein schockierendes Ereignis für jeden, sagt ein Experte.

Seit dem 22. April ist der sechsjährige Arian aus Bremervörde (Niedersachsen) gesucht worden. Er war aus seinem Elternhaus im Ortsteil Elm weggelaufen. Am Montag wurde wenige Kilometer entfernt eine Kinderleiche auf der Wiese eines Landwirts gefunden. Seit Donnerstag ist gewiss: Beim toten Kind handelt es sich um den vermissten Arian, wie die Polizei bestätigte.

"Massiver Schock"

Entdeckt wurde die Leiche von einem Mitarbeiter des landwirtschaftlichen Betriebs. Ein alles andere als gewöhnliches Ereignis. "Das ist ein ganz massiver Schock", sagt Traumaexperte und Psychotherapeut Christian Lüdke. Eine Kinderleiche zu finden und zu sehen, sei weit außerhalb des Vorstellungsvermögens der meisten Menschen. Zudem treffe es einen unvorbereitet. Der erste Schock könne dabei zehn Tage andauern.

Die Eindrücke von einem solchen Fund bleiben nämlich hängen: "Diese Bilder brennen sich ein", so Lüdke weiter. Er spricht von einem Schockschaden. "Es geht ruckzuck, dass man sich überfordert und hilflos fühlt." Flashbacks seien dann nicht ungewöhnlich. Das könne zu einer starken Belastung führen.

"Das Schlimmste an Schmerzen" für die Eltern

Auch für die Eltern sei es ein traumatisches Ereignis: "Das Schlimmste an Schmerzen, was es gibt", sei im psychischen Bereich der Verlust des eigenen Kindes. Gerade im Fall Arian sind womöglich zwei Lebensgesetze gebrochen worden: "Das Kind stirbt vor den Eltern und es stirbt nicht eines natürlichen Todes." Ein Leben lang bleiben Eltern untröstlich. "Es gibt keinen Ersatz für das Leben", so der Traumaexperte. Viele Familien zerbrechen daran. Eine Lösung sei eine neue Orientierung, indem Eltern versuchen, ihrem toten Kind nahe zu sein.

Es sei ein enormer Stresstest für eine Partnerschaft. "Man kann es nicht verstehen", sagt Lüdke. Es komme bei den Paaren zum Streit, andere nutzen etwa Alkohol, um sich zu betäuben, oder machen sich Vorwürfe: Wäre ich besser nicht an den Ort gezogen oder an dem Tag des Verschwindens immer beim Kind geblieben, erklärt Lüdke.

Sorgen sollten sich Betroffene aber nicht machen: "Das ist eine normale Reaktion auf ein verrücktes, außergewöhnliches Ereignis." Krank sei man deshalb nicht, auch wenn die Betroffenen etwa dem Fundort ähnliche Plätze vermeiden und etwa Wiesen vorerst nicht betreten.

Zur Person

Dr. Christian Lüdke ist Traumaexperte und approbierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung. Lüdke ist auch Mitglied der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie sowie Buchautor.

Zwei Drittel verarbeiten ein solches Trauma von ganz allein. Es brauche lediglich etwas Zeit. Im Durchschnitt bleibe es drei Monate bei diesem Zustand. "Es gibt im Gehirn keine Schublade, wo ein solches Ereignis hineinpasst. Sie muss erst gebaut werden". Das sei reine Biochemie.

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Problematischer sei es bei dem übrigen Drittel, gerade wenn diese Menschen schon traumatische Ereignisse erlebt haben, etwa schwere Krankheiten und Unfälle. Auch Menschen, die selbst Kinder oder Enkel in dem Alter eines verstorbenen Kindes haben, seien besonders betroffen. "Das erschüttert noch mal viel mehr", sagt Lüdke.

Zehn Prozent brauchen fachliche Hilfe

Zehn Prozent der Betroffenen benötigen fachliche Hilfe. "Zwei bis drei Stunden, dann sind die Inhalte im Gedächtnis abgelegt." Gelöscht würden sie jedoch nicht, sagt Lüdke über seine Erfahrung mit traumatisierten Menschen.

Generell sei es ratsam, nach solchen Ereignissen Ruhe und Abstand zu haben. Ein stabiles soziales Umfeld, Familie und Freunde seien dann besonders wichtig. Ebenso gelte es, Sport zu machen, sich zu bewegen und zu essen – oder auf Computerspiele zurückzugreifen. "Einfache Computerspiele führen dazu, dass sich diese Bilder nicht verankern können", sagt Lüdke. Die Rezeptoren seien blockiert, sodass die Stresshormone nicht ins Nervensystem gelangen. Die Gehirnforscherin Emily Holmes habe etwa Probanden in einer Studie tagelang Tetris spielen lassen – mit Erfolg.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Dr. Christian Lüdke
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