Gefährliches "Zombieland"? Frankfurter Bahnhofsviertel: So ist die Situation vor der EM
Eine britische Boulevardzeitung warnte ihre Leser vor dem "Zombieland" rund um den Frankfurter Hauptbahnhof. Seitdem gibt es Maßnahmen, aber weiter viel Leid.
In der Vorberichterstattung zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland bezeichnete die britische Boulevardzeitung "The Sun" das Frankfurter Bahnhofsviertel als "Zombieland" – wegen der deutlich sichtbaren Drogenszene. Vom "gefährlichsten Slum Deutschlands" war die Rede, "randvoll mit 5.000 schlurfenden Junkies und 300 Dealern".
Die Zahlen sind nicht massiv übertrieben: Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt schätzt die Drogenszene im Bahnhofsviertel auf etwa 3.300 Menschen, die Konsumräume nutzen. Etwa 300 von ihnen halten sich regelmäßig im Bahnhofsviertel auf. Seit 2012 ist Crack die am weitesten verbreitete Droge in der Szene, gefolgt von Alkohol, Cannabis und Heroin, sagt Anita Strecker vom Drogenreferat. "Die meisten Abhängigen konsumieren polyvalent, das heißt, sehr viele verschiedene Substanzen."
Die Polizei verzeichnete laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr etwa 8.500 Drogendelikte in Frankfurt, ein Anstieg um 1.500 Delikte seit 2022, so ein Sprecher der Polizei. Deshalb gibt es dort auch vermehrt Personenkontrollen: dem Sprecher zufolge neben täglichen Einsätzen mindestens eine Großkontrolle pro Woche.
Aber wie lebt es sich im "Zombieland"?
Amar, ein 50-jähriger Mann aus Algerien, ist heroinsüchtig und lebt seit 2019 auf den Straßen Frankfurts. Amar erzählt seine Geschichte aus seinem Unterschlupf in einem alten Hotel im Bahnhofsviertel. Dort rollt er sich jeden Abend mit einem Freund auf etwas Pappe zum Schlafen zusammen. Er beschreibt seine alltägliche Angst vor Angriffen und Beleidigungen von Junkies in der Nähe: "Ich habe jede Minute Angst", sagt Amar.
Er berichtet über die steigende Gewalt und die wachsende Zahl von Süchtigen, die ins Viertel strömen. Er schildert insbesondere eine zunehmende Aggressivität der Süchtigen, verursacht durch die Droge Crack: "Der Stoff, der zurzeit kursiert, macht sie total aggressiv."
Zwar kann er im Nachtcafé duschen und essen, aber um dauerhaft von der Straße wegzukommen, brauche er mehr Unterstützung. Trotz der bald stattfindenden Fußball-EM und den damit verbundenen internationalen Gästen zweifelt er daran, dass sich für ihn etwas ändern wird: "Für uns interessiert sich hier niemand von denen."
Die Junkies beklagen die Kriminalität im Viertel
Ein weiterer Mann mischt sich in das Gespräch ein. "Hier wirste doch heute für 'nen Euro abgestochen, das war früher nicht so krass", sagt er kopfschüttelnd. "Mehr als zwanzig Jahre" sei er schon auf harten Drogen, aber die Masse der Süchtigen und die zugleich nicht gestiegene Menge an verfügbaren Drogen würden die Stimmung oft unvermittelt in Aggression umschwenken lassen. Nach diesen Beschreibungen würden die Bewohner selbst also Besuchern empfehlen, sich nicht allzu lang im Bahnhofsviertel aufzuhalten.
Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes (DND) in der Elbestraße, versucht die Situation zu verbessern. Auch er sieht das Hauptproblem bei Crack. Das konsumieren etwa 70 Prozent aller Drogenabhängigen in Frankfurt – und das ist nicht substituierbar, wie es bei Heroin der Fall war.
Aktuell sei aber viel Polizei präsent, das habe in den vergangenen zwei Monaten zur einer gewissen Beruhigung der Situation geführt. Die Angebote des DND sind weiterhin gefragt. "Unsere zwanzig Übernachtungsplätze und Tagesruhebetten sind immer voll", sagt Barth.
Wie reagiert die Stadt?
Vor der EM setzt Frankfurt auf Verschönerungsmaßnahmen der Straße und des Bahnhofsvorplatzes, aber vor allem auf Videoüberwachung, Waffenverbotszonen und mehr Polizeipräsenz im Bahnhofsviertel. Mehr dazu lesen Sie hier.
Außerdem soll eine Drogen-Konsumzone eingerichtet werden, damit die Süchtigen nicht auf offener Straße ihre Drogen einnehmen. Diese ist aber bisher nicht benannt worden.
- Nachrichtenagentur dpa
- Artikel auf t-online