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Internationaler Tag gegen Queerfeindlichkeit: Keine Sonderrechte, Solidarität


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Es geht um Solidarität und Sichtbarkeit
Was den 17. Mai für Millionen Menschen besonders macht

MeinungVon Michaela Dudley

Aktualisiert am 17.05.2024Lesedauer: 5 Min.
Christopher Street Day in München, 2023 (Archivbild): Es gibt Fortschritte gegen Queerfeindlichkeit, aber auch Rückschläge.Vergrößern des Bildes
Christopher Street Day in München, 2023 (Archivbild): Es gibt Fortschritte gegen Queerfeindlichkeit, aber auch Rückschläge. (Quelle: IMAGO/Sachelle Babbar/imago-images-bilder)
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In Deutschland kann der Internationale Tag gegen Queerfeindlichkeit, kurz IDAHOBIT, offen begangen werden. In anderen Ländern ist das nicht so. Und auch hierzulande geschieht die Gleichstellung nur langsam und häppchenweise.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten jeden Tag damit leben, dass Sie aufgrund Ihrer sexuellen Orientierung und Ihrer Geschlechtsidentität angeprangert oder ausgegrenzt werden. Für Abermillionen Menschen rund um den Globus, die sich als queer identifizieren, ist das Schicksal der Ablehnung bittere Realität. Ja, das ist unser Alltag. So gibt es einen besonderen Tag, der uns als Betroffene sichtbar macht und uns gleichzeitig Hoffnung macht. Es handelt sich um den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT), der jährlich wiederkehrend am 17. Mai gefeiert wird.

Schätzungsweise machen wir Nicht-Heterosexuellen 7 bis 9 Prozent der Weltbevölkerung aus. Ein sehr ähnliches Verhältnis gilt auch für die Bundesrepublik Deutschland. Und in einer Zeit, die einerseits von steigenden Diversity-Ansprüchen und andererseits von zunehmend geschilderten Diskriminierungserfahrungen geprägt ist, lässt uns IDAHOBIT unsere Stimme erheben. Gemeinsam mit Verbündeten wollen wir für mehr Aufklärung sorgen und für mehr Toleranz werben. Genau wie es Dr. Magnus Hirschfeld (1868–1935) bereits in Wort und Tat getan hat. Der deutsch-jüdische Arzt und Sexualwissenschaftler, selbst ein bekennender Homosexueller, gilt als Begründer der modernen LGBTQ-Bewegung.

Bewegung wurde geprägt von jüdischen und schwarzen Stimmen

Einen außerordentlich wichtigen Platz in der Ahnengalerie der Bewegung hat auch die afroamerikanische trans Frau Marsha P. Johnson (1945–1992) eingenommen. Denn es war Marsha, die 1969 in New York gleichsam den ersten Stein von Stonewall warf. Stonewall, genauer genommen die damals illegale Regenbogenkneipe Stonewall Inn in Greenwich Village, war Dreh- und Angelpunkt eines von Marsha maßgeblich initiierten Aufstandes gegen die queerfeindlichen und nicht zuletzt verfassungswidrigen Razzien der Polizei. Das Stonewall Inn, heute wieder im Betrieb, nunmehr mit dem Status einer nationalen Gedenkstätte, liegt in der Christopher Street 51–53, interessanterweise neben dem einstigen Exilquartier des deutschen Philosophen Theodor W. Adorno (1903–1969).

Michaela Dudley
Michaela Dudley (Quelle: privat)

Zur Person

Michaela Dudley, Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, ist Kabarettistin, Schauspielerin, gelernte Juristin (Juris Dr., US) und Autorin des 2022 erschienen Buches "Race Relations: Essays über Rassismus". Ihr aktueller Spielfilm ist die neodokumentarische Sozialsatire "Geschlechterkampf: Das Ende des Patriarchats".

Die Christopher Street ist, wohlgemerkt, namensgebend für den Christopher Street Day (CSD), der weltweit, je nach Stadt, meist im Juni oder Juli stattfindet. Der CSD beinhaltet Party und Politik, und zwar idealerweise ohne parteipolitische Okkupierung. Die Rede ist von Sichtbarkeit und wahrhaftigem Stolz, sprich "Pride". Wenn man an den CSD denkt, kommen uns kunterbunte Bilder ausgelassener Menschen sofort ins Gedächtnis, die stundenlang und teilweise nahezu nackt auf vorbeiziehenden Prunkwagen zu pulsierender Technomusik tanzen.

Ist dann nicht die Gleichstellung schon erreicht?

Wenn der CSD sich so fest und festlich etabliert hat, warum muss es dann den IDAHOBIT noch geben? Eine faire Frage. Warum eigentlich nicht? So könnte die ebenso freche wie fröhliche Antwort lauten. Fakt ist, die Regenbogen-Community steht für Akzeptanz und Freiheit. Doch hinter dem farbenprächtigen Bild verbirgt sich wiederum ein komplexes und vielschichtiges Leben, das mit Herausforderungen und Kämpfen verbunden ist. Während der Regenbogen sich immer weiter über den Horizont erstreckt, bilden sich Wolken des Widerstandes gegen das Queersein.

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June 24, 2023, Munich, Bavaria, Germany: Under the motto of â€oeQueerer Aktionsplan Bayern Jetzt!†(Queer Action Plan for Bavaria NOW!) the annual Munich Christopher Street Day parade took place in June in order to accommodate the rising number of attendees- 400,000 in 2022 were recorded. This year, organizers of Pride events around the country are seeking to put pressure on the Bavarian state politicians ahead of the Landtag elections in September. LGBTIQ+ groups state that Bavaria is the only sta (Quelle: IMAGO/Sachelle Babbar/imago)

Wofür steht IDAHOBIT?

IDAHOBIT ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit (englisch International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia, kurz IDAHOBIT). Er wird seit 2005 jährlich am 17. Mai von homosexuellen, später auch bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen, als Aktionstag begangen, um auf die Diskriminierung von Menschen hinzuweisen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität.

Das von der Transgender-Community lange erwartete Selbstbestimmungsgesetz wurde vom Deutschen Bundestag endlich beschlossen, und zwar am 12. April 2024. Doch die Verwässerung des Vorhabens und die Verwandlung dieses Gesetzes in einen kaum wiedererkennbaren Kompromiss verdeutlichen, wie unnachgiebig die Gegner und Gegnerinnen der Trans-Rechte sich verhalten.

Für Gestrige gehe es zu weit mit den Gay-Rights. Es gibt moralische Bedenken mitsamt menschenverachtender Stereotype gegenüber queeren Menschen. Angst herrscht wohl auch. Daher ja der Begriff "Phobie". Allerdings klingt es irgendwie zu milde. Denn die Phobie manifestiert sich mehr und mehr als Hass, der sowohl als psychische als auch als physische Gewalt gegen Mitglieder der LGBTQ-Community verübt wird. Das zeigt die Kriminalstatistik immer deutlicher, wobei die Dunkelziffer der strafrechtlich relevanten Anfeindungen nicht minder besorgniserregend sein dürfte.

Was hat der Nationalsozialismus mit dem 17. Mai zu tun?

In den Schatten der Gesellschaft gedrängt, hinter verschlossenen Türen versteckt, lange Zeit nur flüsternd hörbar: So fristete die LGBTQ-Community viel zu lange ihr Dasein. Deswegen ist das Coming-out als queere Person zum Symbol eines mutigen Erwachens geworden. Es geht um eine Art Neugeburt.

Während der deutschen Kaiserzeit war der Spruch "am 17. Mai geboren" freilich eine abfällige Bezeichnung für homosexuelle Menschen. Die Ziffernfolge des Spruches ergab sich aus der Zahl 175. Denn der Ursprung liegt in § 175 des Reichsstrafgesetzbuches, der im Jahre 1872 in Kraft trat und die "widernatürliche Unzucht" zwischen Männern kriminalisierte.

Auf § 175 bauend, entfesselte das NS-Regime eine gnadenlose Verfolgungswelle gegen queere Menschen. Mit der Ausweitung der Tatbestände auf schwammige Begriffe wie "unzüchtige Handlungen" und "unsittliche Verdorbenheit" schuf man ein Klima der Willkür und Angst, in dem die Repressalien ungebremst ausufern konnten. Selbst die Verschärfung des Strafmaßes bis hin zu zehn Jahren Zuchthaus markierte keinen finalen Tiefpunkt, sondern mündete in die unfassbare Vernichtungshaft in Konzentrationslagern.

Das Symbol des Rosa Winkels, den man Homosexuellen zur Kennzeichnung auf KZ-Uniformen zwang, fungierte als sichtbares Stigma. Es diente nicht nur der Isolierung von anderen Häftlingsgruppen, sondern legalisierte gezielte Demütigung und Misshandlung. Die queere Community wurde so zur Zielscheibe brutaler Unterdrückung, die ihren Höhepunkt in der systematischen Vernichtung durch das NS-Regime fand.

Seit den 1990er-Jahren bewegen sich Dinge

Erst 1994 wurde in der Bundesrepublik § 175 StGB ersatzlos gestrichen. Eine Schande, dass es so lange gedauert hat. Schon 1990 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entschieden, Homosexualität als psychische Störung endlich zu deklassieren. Und hier zeigt sich übrigens die schicksalhafte Fügung des Datums. Der Beschluss der WHO war genau am 17. Mai 1990 erfolgt.

Am 17. Mai 2005 fand der erste Internationale Tag gegen die Homophobie statt. Rund 24.000 Einzelpersonen sowie diverse Gay-Rights-Organisationen, wie namentlich der World Congress of LGBT Jews und die Coalition of African Lesbians, unterzeichneten einen Appell zur Unterstützung der "IDAHO-Initiative". Wir sind also seit nahezu 20 Jahren dabei. Aber auch diese letzten beiden Dekaden verraten, wie auch die letzten anderthalb Jahrhunderte, dass auf unsere hart erkämpften Fortschritte immer wieder die Unterdrückung folgt. So müssen wir dranbleiben. Eigentlich wollen wir keine Sonderrechte, sondern Rechte und Respekt.

Aktuelle Herausforderung: Der Nahostkonflikt

Aus ganz aktuellem Anlass und persönlicher Überzeugung möchte ich abschließend hinzufügen, dass wir die Ziele, die der IDAHOBIT verkörpert, nicht auf dem Altar des Zeitgeistes opfern dürfen. Seit 2018 betreue ich queere Geflohene im Ehrenamt mit. Dazu zählen einige direkt aus Gaza. Schwule, Lesben, trans Personen und Non-Binäre, die der Hamas alle nur mit knapper Not entkamen, terrorisiert und traumatisiert. Dass sie die Flucht ergriffen haben und jetzt gar nicht daran denken, sich zu den "Queers for Palestine" zu gesellen, spricht für sich.

Selbst Amnesty International, die normalerweise eher schonend mit der Hamas umgehen, dokumentierten und kritisierten 2021 in einem umfassendem Bericht die brutale Queerfeindlichkeit der antisemitischen, fundamentalistischen Terrorgruppe. Typische Strafen für Queere in Gaza? Zehn Jahre Zuchthaus und auch der Galgen, wie einst zu NS-Zeiten. Es wäre also zu hoffen, dass die angeblich queere Jubeltruppe der Hamas sich bald zu dem Regenbogen und nicht zu den Wolken bekennt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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