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Depressionen: "Der Zugang zu Therapie muss leichter werden"


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Depressionen in Deutschland
"Wir müssen die Leistungsgesellschaft aufbrechen"

InterviewVon Tobias Schibilla

Aktualisiert am 20.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Depressionen (Symbolbild): Ein deutscher Rapper will mit einem Song Vorurteile über die Krankheit aufbrechen. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/Thiago Santos/imago-images-bilder)

Viele Menschen in Deutschland leiden an Depressionen. Doch die Krankheit ist immer noch stigmatisiert. Ein Rapper will die Wahrnehmung verändern.

Depressionen haben sich in Deutschland zur Volkskrankheit entwickelt. Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist jeder fünfte Berufstätige schon einmal an einer Depression erkrankt, und immerhin 15 Prozent aller Beschäftigten haben bereits einen Suizid beziehungsweise Suizidversuch eines Kollegen erlebt. Laut der Stiftung Depressionshilfe leben fünf Millionen Deutsche zwischen 18 und 79 Jahren mit einer wiederkehrenden Depression.

Und doch ist diese Krankheit immer noch gesellschaftlich stigmatisiert. Vorurteile wie "Depressionen sind keine Krankheit" halten sich hartnäckig. Der Rapper David Asphalt möchte dagegen angehen. Am Freitag veröffentlichte er sein neues Lied "Meine kleine Dunkelheit". Darin spricht er über seine Erfahrungen mit Depressionen und gängigen Vorurteilen über die Krankheit. t-online hat mit dem Musiker gesprochen.

t-online: David Asphalt, warum haben Sie ausgerechnet ein Lied über Depressionen geschrieben?

David Asphalt: Ich musste mir das einfach mal von der Seele schreiben. Der Song ist in einer Zeit entstanden, in der es mir schlecht ging. In dieser Zeit habe ich von allen Seiten ein wahres Bullshit-Bingo an Tipps bekommen, die mir angeblich durch diese depressive Phase helfen sollten.

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Was waren das für Tipps?

Das fing an mit Sachen wie "Mach doch mal Yoga" oder "Lauf einen Marathon" und ging dann bis hin zu Dingen wie "Schau doch mal einen lustigen Film". Ich habe dann diese ganzen Ratschläge genommen und in Reimform aufgeschrieben.

Wie kommen Menschen auf diese Pseudo-Tipps?

Es ist ein Teufelskreis. Stigmata über Depressionen sind immer noch weit verbreitet – auch weil es für viele ein Tabu-Thema ist. Dadurch reden aber natürlich noch weniger Betroffene über ihre Erkrankung. Was das Aufbrechen der Vorurteile nicht einfacher macht. Viele Menschen glauben, Depressionen sind wie eine Erkältung der Psyche – ganz nach dem Motto, ein bisschen Tee mit Honig und dann wird das schon.

Sollten sich die Menschen diese Tipps besser sparen?

Diese Menschen überlegen sich: "Na gut, erzählen wir ihm doch einen Witz". Natürlich wollen sie damit nur helfen, wissen aber nicht, dass es das Ganze noch schlimmer machen kann. Sie verstehen nicht, wie tief Depressionen gehen und dass diese Tipps im Zweifelsfall sogar kontraproduktiv sein können.

Inwiefern machen diese Tipps die Krankheit schlimmer?

Wenn man an Depressionen erkrankt, kann man sich von diesen Tipps schnell verarscht fühlen. Menschen mit Depressionen sind nicht einfach nur schlecht gelaunt: Das muss in der Gesellschaft ankommen. Sie leiden unter einer ernstzunehmenden Krankheit. Tipps wie "Ja meine Güte, geh doch mal tanzen" sorgen dafür, dass man sich einfach nicht ernst genommen fühlt. Wenn ich in einer depressiven Phase bin, ist bei mir alles dunkel. Ich kann kaum mit Menschen interagieren und schaffe es kaum, meiner 40-Stunden-Woche nachzukommen. Und dann sagt mir jemand, ich solle einfach mehr Obst essen oder ins Solarium gehen? Das funktioniert so nicht.

Wie kommen Sie aus der Dunkelheit heraus?

Zum einen ist da meine Familie. Dort kann ich mich nach einer gewissen Zeit öffnen und mit ihnen darüber sprechen, was gerade bei mir los ist. Aber diese Zeit ist wichtig, weil man als Betroffener erstmal verstehen muss, was überhaupt mit einem passiert und welche Kontrolle die Krankheit über das eigene Leben hat. Und letzten Endes war ich auch in einer Gesprächstherapie, die mir geholfen hat.

Erleben Sie immer noch Vorurteile, wenn Sie über Ihre Therapie sprechen?

Definitiv, auch wenn ich sehr offen damit umgehe. Von manchen werde ich immer noch in eine Schublade gesteckt, sobald ich meine Therapieerfahrung anspreche. Sie vermitteln mir das Gefühl, als würde ich nicht richtig funktionieren. In diese Schublade will ich nicht gesteckt werden, ich will nicht als schwierig oder gar irre gelten.

(Quelle: Gürel Sahin)

David Asphalt

David Asphalt (bürgerlich: David Massarik) wurde im Jahr 1984 geboren. Seit den frühen 2000er-Jahren macht er deutschen Rap. Sein Album "Leben und Sterben im Hotel" erscheint in diesem Jahr.

Woher kommen diese Vorurteile?

Ich bin der Meinung, dass der Kapitalismus, in dem wir alle leben, sowohl die Ursache für viele psychische Krankheiten, als auch deren Katalysator ist. Damit meine ich, dass man sich insbesondere hier in Deutschland selbst stark unter Druck setzt. Wir haben dieses Leistungsprinzip stark verinnerlicht: Hier gehen Leute selbst mit einem gebrochenen Bein oder mit Fieber zur Arbeit. Wenn du dann depressiv bist und es dir wirklich schlecht geht, funktionierst du einfach nicht mehr. Aber dennoch steckst du in dieser sich ewig weiterdrehenden Maschine drin, die dir ständig eintrichtert: "Beiß die Zähne zusammen und mach weiter". Wenn man gerade aber mal ein paar Monate bräuchte, um sich von all dem Stress zu erholen, macht dieses Mindset die Symptome nicht besser.

Glauben Sie, dass diese Vorurteile bei verschiedenen Generationen unterschiedlich stark ausgeprägt sind?

Definitiv. Insbesondere bei der Generation meiner Eltern, also der Menschen, die in den 1940ern und 1950ern geboren sind, gibt es eine noch veraltete Vorstellung davon, wie ein Mann zu sein hat. In diese Vorstellung passen Depressionen nicht hinein und werden als unmännlich abgetan. Dieser Malocher-Generation ist ihr Körper und Geist egal. Diesem Mindset müssen wir als Gesellschaft ein Ende setzen. Für viele Menschen kommt ein Stopp erst mit dem Burnout.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, mit ihrer Krankheit an die Öffentlichkeit zu gehen?

Als Künstler mache ich keine Musik, weil ich erwarte, damit etwas zu bewirken. Ich schreibe nur das auf, was mir in den Kopf kommt. Mein Lied trägt aber hoffentlich dazu bei, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Depression zu leiten.

Wen wollen Sie denn damit erreichen?

Insbesondere jüngere Menschen. Vielleicht verstehen die dann, dass sie sich mit ihrer Krankheit nicht verstecken müssen. Ich will ihnen sagen: Es ist okay, wenn du Schwäche zeigst. Es gibt Anlaufstellen, die dir helfen können. Und vor allem: Niemand ist mit seiner Krankheit allein, es gibt viele Menschen, denen es gerade schlecht geht.

Was muss sich ändern, damit es für psychisch Erkrankte einfacher wird?

Wir müssen die Leistungsgesellschaft aufbrechen. Sie ist es, die Menschen in die Depression treibt. Ob das möglich ist, steht auf einem anderen Blatt. In unserer Gesellschaft ist dieses Konstrukt immer noch tief verzahnt. Du musst Leistung und Ertrag einbringen, du musst effektiv sein. Und selbst wenn du äußerst, dass du das aufgrund deiner Krankheit nicht kannst, dauert es gefühlt ewig, bis du professionelle Hilfe bekommst. Der Zugang zu Psychotherapie muss einfacher werden, damit das Leben für Menschen mit hohem Leidensdruck leichter wird.

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Musik ist vielfältig: Warum ausgerechnet Deutschrap?

Bewusst entschieden habe ich mich nicht für Deutschrap. Viel eher habe ich irgendwann gemerkt, dass ich gut schreiben kann und es mir leicht fällt, mich über Musik auszudrücken. Im Rap kann man innerhalb von wenigen Zeilen eine Botschaft herüberbringen und dementsprechend effektiv Hörer erreichen. Klar, es gibt ein toxisches Männlichkeitsbild im Rap, das finde ich supernervig. Aber ich nutze das Genre für mich und behandle Themen wie dicke Autos und Geld höchstens humorvoll. Welches Auto man fährt – wen interessiert das denn noch?

Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft, wenn es um den Umgang mit Depressionen geht?

Mein größter Wunsch in dieser Hinsicht ist das Ende der Stigmata, wenn es um Depressionen geht. Man sollte psychische Krankheiten so normal behandeln wie Bauchschmerzen oder die Grippe und überlegen, wie man ihnen am besten beikommen kann. Die Menschen müssen verstehen, dass Krankheiten wie Depression eben genau das sind: Krankheiten – die man behandeln kann. Da müssen wir allerdings noch viel an uns und unserem Verständnis dieser Krankheiten arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
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