Während Prozess gegen Flugzeughersteller Boeing-Whistleblower tot aufgefunden
Jahrelang kritisierte John Barnett Produktionsabläufe bei Boeing. Nun ist der ehemalige Qualitätsmanager tot.
Ein ehemaliger Mitarbeiter von Boeing, der in einem Whistleblower-Prozess gegen den Flugzeughersteller ausgesagt hat, ist tot aufgefunden worden. Wie die britische BBC unter Berufung auf den Gerichtsmediziner in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina berichtete, verstarb der 62-Jährige infolge einer "selbst zugefügten" Schusswunde.
In dem Bericht heißt es, John Barnett habe in den vergangenen Jahren wiederholt Bedenken hinsichtlich der Produktionsstandards bei Boeing geäußert. Den Angaben zufolge war er 32 Jahre lang bei dem Flugzeughersteller beschäftigt, bis er 2017 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand ging.
In den Tagen vor seinem Tod hatte Barnett im Rahmen eines Whistleblower-Prozesses gegen Boeing ausgesagt. Seine Leiche wurde den Angaben nach in seinem Auto auf dem Hotelparkplatz in Charleston gefunden. Dort habe er sich wegen des Prozesses aufgehalten, berichtete die BBC.
Minderwertige Teile verbaut?
Der 62-Jährige habe seit 2010 als Qualitätsmanager im Werk North Charleston gearbeitet. Dort wird der 787 Dreamliner hergestellt. 2019 sagte Barnett der BBC, dass Arbeiter, die unter Druck standen, absichtlich minderwertige Teile in die Flugzeuge am Fließband eingebaut hätten.
Zudem habe er schwerwiegende Probleme mit Sauerstoffsystemen aufgedeckt, die dazu führen könnten, dass eine von vier Atemmasken im Notfall nicht funktioniere. Barnett hatte dem Bericht zufolge die Befürchtung geäußert, dass der Druck, neue Maschinen zu bauen, zu einem überstürzten Montageprozess führe, der die Sicherheit gefährde. Boeing wies diese Anschuldigungen jedoch zurück. Lesen Sie hier den Bericht von 2019.
Fehlerhafte Flugzeugteile verloren gegangen
Doch Barnetts Vorwürfe gingen noch weiter: Der BBC sagte er, dass fehlerhafte Flugzeugteile verloren gegangen seien. In einigen Fällen seien minderwertige Teile aus Schrottbehältern entnommen und in Flugzeuge eingebaut worden, um Verzögerungen am Fließband zu vermeiden. Der ehemalige Qualitätsmanager gab an, er habe Boeing seine Bedenken mitgeteilt, doch das Unternehmen habe keine Maßnahmen ergriffen.
Diese Behauptungen wies Boeing dem Bericht zufolge ebenfalls zurück. Eine Überprüfung durch die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) im Jahr 2017 bestätigte jedoch einige von Barnetts Bedenken. Demnach seien mindestens 53 "nicht konforme", also fehlerhafte Bauteile nicht auffindbar gewesen.
Klage gegen ehemaligen Arbeitgeber
In Bezug auf die Sauerstoffsysteme erklärte Boeing, dass man 2017 "einige vom Zulieferer erhaltene Sauerstoffflaschen identifiziert habe, die sich nicht ordnungsgemäß entfalteten". Diese Teile seien jedoch nicht in Flugzeugen verbaut worden.
Nachdem Barnett in den Ruhestand gegangen war, klagte er gegen seinen früheren Arbeitgeber. Er beschuldigte das Unternehmen unter anderem, seine Karriere aufgrund der von ihm aufgezeigten Probleme beeinträchtigt zu haben.
Der US-Flugzeughersteller Boeing hatte in den vergangenen Jahren wiederholt mit Sicherheitsproblemen zu kämpfen. Dabei kam es auch zu zwei Abstürzen mit zahlreichen Todesopfern. Im Januar war bei einer Boeing 737 MAX 9 der Fluggesellschaft Alaska Airlines kurz nach dem Start in den USA ein Teil der Kabinenwand herausgefallen. Inzwischen ermittelt das US-Justizministerium in dem Fall. Hier sehen Sie die Szene im Video:
Rad bei Start verloren
Vergangene Woche hatte die FAA erklärt, bei einer sechswöchigen Prüfung des Unternehmens seien "mehrere Fälle festgestellt worden, in denen das Unternehmen angeblich die Anforderungen an die Qualitätskontrolle bei der Herstellung nicht erfüllte". Erst am Donnerstag verlor eine Boeing 777 der Fluggesellschaft United Airlines beim Start in San Francisco ein Rad. Den Vorfall sehen Sie hier im Video. Am Montag gab es Berichte über technische Probleme an Bord einer Boeing 787-9 Dreamliner, die zu 50 Verletzten geführt hätten.
Boeing sprach Barnetts Familie nach dessen Tod sein Beileid aus. "Wir sind traurig über den Tod von Herrn Barnett und unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden", hieß es laut BBC in einer Erklärung. Barnetts Anwalt bezeichnete den Tod als "tragisch".
Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.
- bbc.com: "Boeing whistleblower found dead in US" (englisch)
- Nachrichtenagentur dpa