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Holocaust-Überlebender: "Niemand konnte ihnen mehr helfen"


Prozess gegen KZ-Wachmann
Holocaust-Überlebender: "Niemand konnte ihnen mehr helfen"

Von dpa
18.03.2022Lesedauer: 2 Min.
Leon Schwarzbaum: Seine Aussage wurde nach seinem Tod vor wenigen Tagen im Prozess verlesen.Vergrößern des Bildes
Leon Schwarzbaum: Seine Aussage wurde nach seinem Tod vor wenigen Tagen im Prozess verlesen. (Quelle: Metodi Popow/imago-images-bilder)

Der Holocaust-Überlebende Leon Schwarzbaum ist vor wenigen Tagen gestorben. Nun wurde dennoch seine Geschichte im Prozess gegen den 101-jährigen KZ-Wachmann gehört.

Im Prozess gegen einen mutmaßlichen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen ist eine Erklärung des Holocaust-Überlebenden Leon Schwarzbaum verlesen worden. Schwarzbaum war in der Nacht zum Montag im Alter von 101 Jahren gestorben. Vor dem Landgericht Neuruppin ist ein ebenfalls 101-Jähriger aus Brandenburg/Havel angeklagt, als damaliger Wachmann in dem KZ von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an mindestens 3518 Häftlingen geleistet zu haben. Der Prozess wird aus organisatorischen Gründen in einer Sporthalle in Brandenburg/Havel geführt.

Der Nebenklage-Vertreter Thomas Walther verlas die Aussage von Schwarzbaum, der ursprünglich am Freitag noch selbst als Zeuge aussagen wollte. In der verlesenen Erklärung wandte sich Schwarzbaum direkt an den Angeklagten und appellierte an den 101-Jährigen, seine "Leugnungen und Verdrängungen aufzugeben."

101-jähriger Verdächtiger bestreitet Taten

Denn der Angeklagte hat in dem Verfahren bislang bestritten, überhaupt in dem Lager gewesen zu sein. Die Tätigkeit eines SS-Wachmanns mit seinem Namen, Geburtsdatum und Geburtsort ist aber durch zahlreiche Dokumente belegt. Auch seine Mutter und sein Vater hatten damals in Briefen an deutsche Behörden angegeben, dass ihr Sohn bei der SS in Oranienburg diene.

"Ich möchte Sie auffordern, uns die historische Wahrheit zu erzählen", hieß es in der verlesenen Erklärung. "Sprechen Sie hier an diesem Ort über das, was Sie erlebt haben – so wie ich es für meine Seite tue."

Schwarzbaum schilderte seinen Leidensweg von einem Ghetto in Bedzin, über das Vernichtungslager Auschwitz und die KZ Buchenwald sowie Sachsenhausen. Dabei habe sich ihm ein Bild von einem Transport mit einem Lastwagen besonders eingebrannt, berichtete er: "Die Ladefläche ist vollgestopft mit nackten Menschen. Die strecken die Arme gen Himmel, sie weinen – sie schreien. Niemand konnte ihnen mehr helfen. Immer wieder sehe ich dieses Bild."

Schwarzbaum: "Auch Sie werden mit den Bildern allein sein"

Auf dem Todesmarsch mit Tausenden anderen Häftlingen wurde Schwarzbaum im April 1945 im Belower Wald von US-amerikanischen Soldaten befreit. "So wie wir als Überlebende bis zum Tod mit den furchtbaren Erinnerungen leben müssen, werden auch Sie bis zum Tod mit sich und Ihren Bildern allein sein. Ganz allein", hieß es in der Erklärung in Richtung des Angeklagten.

Auch der Vorsitzende Udo Lechtermann und mehrere Nebenkläger haben den Angeklagten schon aufgefordert, zu seiner Tätigkeit in der fraglichen Zeit auszusagen. Doch der 101-Jährige beharrte darauf, dass er während dieser Zeit als Helfer in der Landwirtschaft bei Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) tätig gewesen und zum Kriegsende in Kolberg eingesetzt worden sei.

Das Gericht will nach Angaben von Gerichtssprecherin Iris le Claire in der kommenden Woche noch einmal den Historiker Stefan Hördler als Sachverständigen hören. Anschließend werden die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und fünf Nebenkläger-Vertretern erwartet. Das Plädoyer der Verteidigung könnte am 28. April folgen und das Urteil dann am 29. April gesprochen werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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