Kinderporno-Netzwerk gesprengt Missbrauch made in Germany
Ermittler haben eines der weltweit größten Online-Netzwerke für Kindesmissbrauch gesprengt. Die mutmaßlichen Köpfe dahinter sind drei Deutsche. Jetzt beginnt ein Rennen gegen die Zeit – um so viele Kinder zu retten wie möglich.
Nachdem Ermittler mit drei Deutschen die Köpfe hinter einem der weltweit größten Kinderpornografie-Netzwerke festgenommen haben, beginnt für sie jetzt ein Rennen gegen die Zeit. "Unser Fokus ist klar: Jetzt gilt es, zuerst die Opfer zu retten", sagte Kriminaldirektor Hans-Joachim Leon im Gespräch mit t-online. Leon leitet die Gruppe "Gewalt- und Sexualdelikte" beim Bundeskriminalamt.
400.000 Nutzer hatte die Darknetplattform "Boystown" zuletzt. Getauscht wurden dort nicht bloß Kinderpornografie und Darstellungen von Missbrauch und Gewalt, vor allem an minderjährigen Jungen. "Es gab Austausch unter Gleichgesinnten, man hat Erfahrungen geteilt, wie man kleine Jungs anspricht, wie man Missbrauchshandlungen durchführen kann, ohne Spuren zu hinterlassen", sagt Leon. Der Missbrauch auf der Plattform sei "ohne Grenzen" gewesen. "Hersteller, Konsumenten, aktuelle Missbraucher – auf dieser Plattform hatten wir alles."
- Schnell erklärt: Das ist das Darknet
Deutsche sollen Schöpfer des Netzwerks sein
Drei Deutsche stehen im Verdacht, Schöpfer des Netzwerks zu sein, das sich seit 2019 zu einer der weltweit größten Plattformen für Kinderpornografie entwickelt hat. Sie wurden festgenommen und sitzen nun in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, die gesamte Architektur der Homepage aufgebaut und die Regeln auf der Plattform festgelegt zu haben.
Zusammen mit Nutzern aus anderen Ländern sollen sie die Seite auch gesteuert haben. Zudem erhielten die Mitglieder der Plattform von ihnen Sicherheitshinweise für das sichere Surfen auf "Boystown", um das Entdeckungsrisiko durch die Strafverfolgungsbehörden zu minimieren.
Viele Kinder könnten noch in der Gewalt von Pädosexuellen sein
Nun aber haben die Ermittler "zig Terabyte" an Fotos und Videos von Missbrauchs- und Gewaltdarstellungen sichergestellt. "Das ist ein unfassbares Datenvolumen." Die Dateien werden jetzt untersucht und so schnell wie möglich analysiert. Der Fokus liege dabei auf neuem Material, sagt Leon, denn: "Wir haben viele Infos sammeln können, die auf schwere sexuelle Missbrauche hindeuten, die möglicherweise noch laufen."
Man arbeite mit internationalen Partnern zusammen, um anhand der Aufnahmen zu entschlüsseln, wo die Kinder herkommen. "Zuerst das Opfer retten, dann den Täter zur Rechenschaft ziehen", erklärt Leon die Strategie.
Hauptbeschuldigte sind zwischen 40 und 58 Jahre alt
Mehr bekannt ist über die mutmaßlichen Täter: Bei den drei Hauptbeschuldigten handelt es sich um einen 40 Jahre alten Mann aus dem Kreis Paderborn, einen 49 Jahre alten Mann aus dem Landkreis München und einen 58 Jahre alten, aus Norddeutschland stammenden Mann, der seit mehreren Jahren in Paraguay lebt. Das teilte das Bundeskriminalamt in einer Presseerklärung mit.
Zudem wird ein 64-Jähriger aus Hamburg beschuldigt, sich im Juli 2019 als Mitglied registriert zu haben und – als einer der aktivsten Nutzer der Plattform – über 3.500 Beiträge gepostet zu haben.
Beschuldigte seit Mitte April in Untersuchungshaft
Die Beschuldigten wurden nach den Durchsuchungen ihrer Wohnungen festgenommen und befinden sich seit dem 14. beziehungsweise 15. April in Untersuchungshaft. Für den Beschuldigten in Paraguay lag ein internationaler Haftbefehl vor, auf dessen Grundlage er nach seiner Festnahme nun ausgeliefert werden soll. Insgesamt seien sieben Objekte in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hamburg durchsucht worden.
Ermittler haben die Plattform bereits seit 2019 im Blick. Doch die Nutzer agieren im Darknet ohne Klarnamen, ihre wahre Identität und Wohnorte festzustellen, ist so extrem schwer. Über Hintergründe zu den Ermittlungen und den Beschuldigten will Leon derzeit wegen der laufenden Ermittlungen nicht eingehen. "Irgendwann gelingt es einem vielleicht, eine kleine Tür aufzustoßen, durch die man dann hindurchgehen kann", sagt er nur.
- Gespräch mit Kriminaldirektor Hans-Joachim Leon
- Nachrichtenagentur AFP