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Der Richter im Prozess um Walter Lübcke: "Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich"


Richter im Lübcke-Prozess
"Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich"

Von afp
27.01.2021Lesedauer: 3 Min.
Thomas Sagebiel: Am Donnerstag wird er das Urteil im Lübcke-Prozess verkünden (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Thomas Sagebiel: Am Donnerstag wird er das Urteil im Lübcke-Prozess verkünden (Archivbild). (Quelle: Patrick Scheiber/imago-images-bilder)

Thomas Sagebiel ist einer der profiliertesten Richter Deutschlands. Er lässt sich nichts gefallen – auch nicht in seinem aktuellen Prozess. Der Mordfall Walter Lübcke ist das Finale seiner bewegten Karriere.

Ein Satz von Thomas Sagebiel am ersten Verhandlungstag im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke könnte als Überschrift über dem gesamten Verfahren stehen: "Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich", sagte der Vorsitzende Richter des Staatsschutzsenats am Oberlandesgericht Frankfurt am Main nach der Verlesung der Anklage im Juni 2020 zu Stephan Ernst und Markus H., den beiden Angeklagten.

Die beste Verteidigung sei ein frühzeitiges, von Reue getragenes Geständnis, ergänzte der 64-Jährige und verwies auf seine langjährige Erfahrung als Richter. Der Lübcke-Prozess wird aller Voraussicht nach Sagebiels letzter großer Fall sein. Zwar dürfte er nach eigenen Angaben bis März 2022 weiter arbeiten, doch er plant, vorzeitig in Pension zu gehen. Im Mai wird Sagebiel 65 Jahre alt.

Seit 35 Jahren Richter

Als Strafrichter begann der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder seine Karriere 1986 am Amtsgericht Groß-Gerau. Knapp ein Jahr später wechselte er ans Landgericht Darmstadt, wo er Ende 1999 Vorsitzender einer Strafkammer und einer Berufungszivilkammer wurde.

Seit 2009 ist Sagebiel Vorsitzender des Frankfurter Staatsschutzsenats. Dort leitete er in den vergangenen Jahren einige große Prozesse. Dazu zählt die Verhandlung gegen Arid U., der 2011 zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen erschossen und zwei weitere schwer verletzt hatte. 2012 verurteilte ihn der Senat unter Leitung Sagebiels zu lebenslanger Haft. Aktuell leitet Sagebiel zudem die Verhandlung gegen Taha A.-J., der in Syrien ein jesidisches Mädchen verdursten lassen haben soll.

Lübcke-Prozess: Immer wieder Auseinandersetzungen

Sagebiel gilt als strenger Richter, der sich gegenüber Angeklagten jedoch meist zurückhält. Die Beweisaufnahme im Lübcke-Prozess war im Herbst und Winter dafür geprägt von zähen Auseinandersetzungen mit den Verteidigern. Immer wieder musste er Provokationen parieren – besonders von Ernsts Verteidiger Mustafa Kaplan.

Im November erklärte sich Ernst wegen Kopfschmerzen für verhandlungsunfähig. Sagebiel wollte ihn vom anwesenden psychiatrischen Gutachter ärztlich untersuchen lassen. Kaplan lehnte das wegen eines möglichen Rollenkonflikts ab und forderte einen Amtsarzt – oder einen Notarzt. "Ich hole für einen gesunden Mann keinen Notarzt", protestierte Sagebiel und wurde laut. Rund eine Stunde dauerte der Streit, bis sich der Vorsitzende Richter schließlich durchsetzte.

Sagebiel lässt sich nichts gefallen

Mit seiner Meinung hält sich Sagebiel in seinen Verhandlungen nicht zurück – vor allem dann nicht, wenn ihm etwas nicht passt. H.s Verteidigerin Nicole Schneiders zog sich Sagebiels Unmut zu, als sie unmittelbar vor der Vernehmung eines Ermittlungsrichters des Karlsruher Bundesgerichtshofs beantragte, die beiden Vertreter der Bundesanwaltschaft für die Zeugenaussage aus dem Raum zu verweisen.

"Das ärgert mich tödlich", erboste sich Sagebiel und fragte sie, ob es die Absicht sei, dass er den eigens dafür angereisten Ermittlungsichter wieder wegschicken müsse. Schneiders warf er vor, "entweder böswillig oder naiv" zu handeln.

Auch von außen lässt sich Sagebiel in seine Entscheidungen nicht hineinreden. Seit dem Sommer widersetzte er sich jeglichen Versuchen des Lübcke-Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag, an die Gerichtsakten zum Fall zu kommen. Diese wollte der Ausschuss als Arbeitsgrundlage nutzen. Eine Klageandrohung ließ den Senat unbeeindruckt. Erst kurz vor Weihnachten entschied er, Einsicht in die Akten zu gewähren. Die Beweisaufnahme war zu diesem Zeitpunkt schon beendet.

Nach mehr als 40 Verhandlungstagen geht der Lübcke-Prozess nun seinem Ende entgegen. Das für Donnerstag geplante Urteil gegen E. und H. wird sowohl das Finale des rund sechs Monate dauernden Prozesses als auch einer langen Richterkarriere sein.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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