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München: Falscher Arzt überredete Frauen zu gefährlichen Stromschlägen


War ein Fetisch das Motiv?
Falscher Arzt überredete Frauen zu gefährlichen Stromschlägen

Von dpa
Aktualisiert am 12.11.2019Lesedauer: 3 Min.
Eine der selbst gebauten Apparaturen: Der mutmaßliche Täter leitete die Frauen beim Bau an – dann sollten sie die Folterinstrumente einsetzen.Vergrößern des Bildes
Eine der selbst gebauten Apparaturen: Der mutmaßliche Täter leitete die Frauen beim Bau an – dann sollten sie die Folterinstrumente einsetzen. (Quelle: Polizeipräsidium Oberbayern Nord/dpa)

Ein 30-Jähriger soll über 100 Frauen und Mädchen dazu gebracht haben, sich gefährliche Stromschläge zuzufügen. Es ging ihm angeblich um sexuelle Befriedigung.

Die Mädchen und jungen Frauen jagten sich bis zu 230 Volt durch den Körper. Sie schnitten Stromkabel ab und hielten sie an ihre Füße, klebten sich Elektroden an die Schläfe, steckten Nägel in Steckdosen oder fassten an Elektrozäune. Am Landgericht München II ist an diesem Dienstag ein Aufsehen erregender Prozess gestartet: Ein 30 Jahre alter Mann ist wegen versuchten Mordes an 88 Frauen und Mädchen angeklagt. Er soll sie im Video-Chat bei Skype dazu gebracht haben, sich selbst lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen.

Fetisch als mutmaßliches Motiv

Der Angeklagte soll dafür jeweils Geld geboten haben – mal 200, mal 450 Euro, sogar 1.500 oder 3.000 Euro. In manchen Fällen sollen sogar die Eltern der Mädchen bei den angeblichen wissenschaftlichen Versuchen geholfen haben. Ein Vater, so heißt es in der Anklage, versetzte seiner Tochter demnach mehrfach Stromschläge mit einem Elektroschockgerät. Die zuständige Staatsanwaltschaft München II spricht von einem ungewöhnlichen Fall.

Ein Fetisch soll das mutmaßliche Motiv des Angeklagten sein. Es soll ihn sexuell erregt haben, wenn eine Frau durch einen Stromschlag Schmerzen erleidet. Die Öffentlichkeit wurde deswegen für die Einlassungen des Angeklagten, Aussagen der zum Tatzeitpunkt minderjährigen Zeuginnen und die Schlussplädoyers vom Prozess ausgeschlossen. Der Vorsitzende Richter begründete das damit, dass es um das "Sexualleben" des Angeklagten und "intime Wünsche" gehe. Die Anklage gehe von der "Befriedigung des Geschlechtstriebes" als Mordmerkmal aus und von einer "fetischistischen Komponente" im Tatmotiv.

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord hatte der heute 30 Jahre alte Mann aus dem Raum Würzburg von 2014 an über das Internet Kontakt zu seinen meist sehr jungen Opfern aufgenommen. Er fand sie, weil sie in Kleinanzeigen nach einem Nebenjob suchten. Und den bot er ihnen an. Laut der zuständigen Ermittlungsgruppe "EG Strom" bei der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck gab der Mann sich als Mediziner einer renommieren Universität aus. Er behauptete, Teilnehmerinnen für eine wissenschaftliche Studie zu suchen. Sein jüngstes Opfer war laut Anklage erst 13 Jahre alt.

16 Jahre altes Opfer erstattete Anzeige

Im Skype-Chat, so die Vorwürfe der Anklage, legte er den Versuchsaufbau dar, "und forderte die vermeintlichen Probanden dann jeweils auf, sich über das eine Spannung von 230 Volt führende Hausstromnetz Stromschlägen auszusetzen". Über die Jahre wurden die angeblichen Versuche aufwendiger. Ließ er am Anfang noch Nägel in Steckdosen stecken, brachte er seine Opfer später dazu, Apparate mit Löffeln zu bauen oder sich für die Stromschläge an einem Stuhl festbinden zu lassen.

Diese Videochats zeichnete er auf – um sie sich immer wieder ansehen und außerdem im Darknet verkaufen zu können. Auf die Spur des IT-Fachmanns aus dem Landkreis Würzburg kamen die Ermittler, nachdem ein 16 Jahre altes Opfer des Mannes Anzeige erstattet hatte. Im Februar 2018 wurde er festgenommen, bis September saß er in Untersuchungshaft, seither wird er in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt.

120 Opfer aus ganz Deutschland sollen laut Polizei auf ihn hereingefallen sein. Dass nur 88 Fälle davon nun angeklagt sind, liegt nach Angaben der Staatsanwaltschaft daran, dass "in den weiteren untersuchten Fällen (...) eine Strafbarkeit nicht gegeben oder nicht nachweisbar" sei.

Mehr als 200 Aufzeichnungen

Bei der Auswertung der sichergestellten Datenträger fanden sich nach Polizeiangaben mehr als 200 Videoaufzeichnungen, die der Festgenommene von seinen angeblichen Probanden angefertigt hatte. Laut Polizei hatte der Mann bei den Verhören im vergangenen Jahr ein "Teilgeständnis" abgelegt. Auch die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass er sich zu den Vorwürfen geäußert hat, ließ aber offen, wie.


Nun muss sich der 30-Jährige wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Missbrauch von Berufsbezeichnungen und anderen Delikten vor dem Landgericht München II verantworten. Für den Prozess gegen den gebürtigen Würzburger sind zunächst 15 Verhandlungstage bis zum Januar angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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