Tote Migranten in England LKW-Fahrer wegen Totschlags in 39 Fällen angeklagt
Der Fall hat international Bestürzung ausgelöst: 39 Tote Migranten werden in einem geschlossenen LKW-Anhänger gefunden. Jetzt wurde Anklage gegen den 25-jährigen Fahrer erhoben.
Bei den Ermittlungen nach dem Fund von 39 Leichen in einem Lkw-Auflieger in Großbritannien ist Anklage gegen den Fahrer des Transporters erhoben worden. Dem 25-Jährigen aus Nordirland wird Totschlag in 39 Fällen, die Beteiligung an Menschenhandel, Beihilfe zur illegalen Einwanderung sowie Geldwäsche vorgeworfen, teilte die Polizei in der britischen Grafschaft Essex am Samstag mit. Der Fahrer war unmittelbar nach dem Fund der Leichen festgenommen worden, zunächst unter Mordverdacht.
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Neben dem Fahrer sind drei weitere Personen im direkten Zusammenhang mit der Tat festgenommen worden. Ein fünfter Mann wurde am Samstag in Irland auf der Grundlage eines Haftbefehls wegen einer mutmaßlichen anderen Straftat verhaftet. Die Polizei in Essex habe Interesse bekundet, auch ihn zu befragen, teilte die Polizei in Dublin mit.
Offenbar viele Opfer aus Vietnam
Unter Toten aus dem Lkw könnten nach letzten Informationen bis zu 20 Vietnamesen sein. Nachdem bereits zwei vietnamesische Familien die Befürchtung geäußert hatten, dass Angehörige von ihnen unter den Opfern sein könnten, meldeten am Samstag weitere Familien ihre Angehörigen als vermisst, teilte eine in Großbritannien ansässige Gruppe für Vietnamesen mit. Die Ermittler waren zunächst davon ausgegangen, dass alle Opfer aus China stammten.
Wie der britische Fernsehsender BBC am Samstag berichtete, soll die Gruppe VietHome Fotos von etwa zwanzig Vietnamesen im Alter von 15 bis 45 Jahren erhalten haben, die seit dem grausigen Fund der Leichen nahe London vermisst würden. Die Opfer könnten bei der Reise nach Großbritannien gefälschte chinesische Pässe bei sich getragen haben. In einer Erklärung vom Samstag teilte das vietnamesische Außenministerium mit, seine Botschaft in London arbeite daran, "den Prozess der Identifizierung der Opfer zu beschleunigen".
Opfer bezahlte mehr als 12.000 Euro an Schleuser
Nguyen Dinh Gia sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe vor einigen Tagen einen Anruf von einem Vietnamesen erhalten, der ihn über den Tod seines Sohnes auf dem Weg nach Großbritannien informiert habe. Der Mann habe ihn um "Verständnis" gebeten und gesagt, dass etwas "Unerwartetes passiert" sei. Nguyen erzählte, sein 20-jähriger Sohn habe sich seit 2018 illegal in Frankreich aufgehalten und wollte für rund 12.600 Euro nach Großbritannien weiterreisen, um dort in einem Nagelstudio zu arbeiten.
Nguyen bat die vietnamesischen Behörden um Hilfe bei der Identifizierung seines Sohns. Von Kontaktpersonen in Großbritannien erfuhr er, dass der 20-Jährige Paris am Nachmittag des 21. Oktobers verlassen habe - zwei Tage vor der Entdeckung der Leichen in einem Lkw-Kühlcontainer.
Vietnamesin verabschiedete sich per SMS bei ihrer Mutter
Am Freitag hatte bereits der Vietnamese Pham Manh Cuong berichtet, dass seine Schwester unter den Toten sein könnte. Nach seinen Angaben war die 26-Jährige Anfang Oktober aus Vietnam nach Großbritannien aufgebrochen. Am Dienstagabend habe sie dann ihrer Mutter eine verzweifelte SMS geschickt. "Es tut mir leid, Mama. Mein Weg ins Ausland hat keinen Erfolg. Mama, ich liebe dich so sehr! Ich sterbe, weil ich nicht atmen kann." Pham sagte AFP, die SMS sei echt und wenige Stunden vor dem Leichenfund am Mittwochmorgen abgeschickt worden.
Die beiden mutmaßlichen Opfer stammen aus der verarmten Provinz Ha Tinh im Zentrum des Landes, aus der viele Migranten kommen. Viele zahlten für ihre Reise mit gefälschten Dokumenten zehntausende Euro - in der Hoffnung, vor allem in Großbritannien arbeiten zu können.
Die 39 Leichen waren am Mittwochmorgen in einem Industriegebiet östlich von London in einem Lkw-Kühlcontainer entdeckt worden. Kurz nach dem Leichenfund war bereits der 25-jährige, aus Nordirland stammende Lkw-Fahrer festgenommen worden.
- Nachrichtenagenturen dpa und afp