Prozess in München Sextourist soll sich 30 Jahre lang an Kindern vergangen haben
Mehr als 30 Jahre lang soll ein Mann aus München thailändische Kinder sexuell missbraucht haben. Mehr als 100 Fälle bringt die Staatsanwaltschaft nun zur Anklage. Der Prozess ist eine Seltenheit.
Sonne, Strand, Triebtäter. Thailand hat nicht nur den Ruf, ein paradiesisches Urlaubsziel zu sein, sondern gilt seit Jahrzehnten auch als Paradies für sogenannte Sextouristen und Pädophile. In München kommt es am Dienstag (9.30 Uhr) zu einem seltenen Prozess: Ein 67 Jahre alter Mann steht vor Gericht, weil er jahrzehntelang thailändische Kinder missbraucht haben soll. In 103 Fällen hat ihn die Staatsanwaltschaft angeklagt. Die grauenvollen Taten soll der Mann zum Teil selbst dokumentiert haben.
Die Geschichte geht in die 1980er Jahre zurück. Damals begann der gebürtige Stuttgarter laut Staatsanwaltschaft seine regelmäßigen Reisen nach Thailand. 1987 lernte er dort auch seine Ehefrau kennen, mit der er fortan immer wieder in ihren Heimatort Uthai Thani, rund 230 Kilometer nördlich von Bangkok, fuhr.
Über mehr als 30 Jahre soll der Mann dann immer wieder Kinder – meistens Jungen – auf schwerste Weise missbraucht haben. Die jüngsten Opfer waren demnach gerade einmal acht Jahre alt. Die Tatorte: das Dorf seiner Frau, verschiedene Touristenhotels in Thailand und auch seine Wohnung in München. Mindestens vier seiner Opfer soll er zeitweise nach Deutschland geholt haben. Die Beweismittel, die der Anklage zugrunde liegen, soll der Mann zu einem großen Teil selbst hergestellt haben. In seiner Münchner Wohnung wurden mehr als 8.500 Kinderpornos gefunden – darunter 19 Videos mit einer Gesamtlaufzeit von fast zwölf Stunden, die meisten auf VHS-Kassetten. Darauf soll auch der Angeklagte zu sehen sein.
Prostitution in Thailand verboten – aber toleriert
Kindesmissbrauch und der sogenannte Sextourismus sind in Thailand nach wie vor ein großes Problem. Prostitution ist dort zwar offiziell verboten, wird aber toleriert. Nach Zahlen der Vereinten Nationen von 2014 verdienen in dem südostasiatischen Königreich mehr als 123.000 Menschen mit Sex ihr Geld. Über die Hälfte davon ist unter 18, meist Mädchen, aber auch viele Jungen. Ein beträchtlicher Teil der Kunden sind Ausländer. Zwar hat sich der Sextourismus inzwischen auch in andere Länder verlagert, wie Vietnam und Kambodscha – aber in der Hauptstadt Bangkok sowie in Orten wie Phuket oder Pattaya suchen ausländische, auch deutsche, Männer immer noch nach billigem Sex.
"Sextourismus und Kindesmissbrauch hängen vielfach zusammen", sagt Rudi Tarneden, Sprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef. "Denn oft landen Kinder in der Prostitution, die bereits zuvor in ihren Familien Missbrauch erfahren haben." Da beides illegal ist, ist es extrem schwer, verlässliche Schätzungen über das Ausmaß zu bekommen. Unicef Thailand berichtet allerdings, dass dort jedes Jahr rund 10.000 Kinder wegen verschiedener Formen der Gewalt im Krankenhaus behandelt werden müssen. Zwei Drittel dieser Fälle ließen sich auf sexuelle Gewalt, vor allem gegen Mädchen, zurückführen.
Tarneden sagt: "Sextourismus wird durch die Kaufkraft und die Skrupellosigkeit von Reisenden begünstigt." Trotz Verboten gebe es in vielen Ländern weder eine ausreichende Prävention in Form von Jugendschutz – noch eine angemessene Strafverfolgung und dazugehörige Verfahren. Vor allem über Landesgrenzen hinweg gestaltet sich eine Strafverfolgung schwierig. Nur selten werden die Täter ermittelt oder gar verurteilt.
Staatsanwaltschaft ist kein Verfahren wie diese bekannt
Das Bundeskriminalamt (BKA) beobachtet inzwischen aber "ein verstärktes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere in Südostasien, gegen den Missbrauch von Kindern durch reisende Sexualstraftäter", wie eine Sprecherin sagt.
Der Staatsanwaltschaft München I sind trotzdem keine Anklagen aus der jüngeren Vergangenheit bekannt, die mit dem aktuellen Fall vergleichbar wären, wie eine Sprecherin sagt. Auf den Beschuldigten in diesem Verfahren wurden die Behörden dank seiner Stieftochter aufmerksam. Sie gibt an, selbst von dem Mann ihrer Mutter missbraucht worden zu sein.
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Diese mutmaßlichen Taten sind allerdings verjährt und werden in dem Verfahren nicht angeklagt. Als die Frau eine Videokassette mit den schockierenden Aufnahmen im Videorekorder des Angeklagten gefunden und erfahren habe, dass es im Familienumfeld in Thailand weitere mutmaßliche Opfer gebe, sei sie zur Polizei gegangen.
- Nachrichtenagentur dpa