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Der Fall Uwe Barschel: So könnte der Mord abgelaufen sein


Ex-Chefermittler im Interview
So könnte der Mord an Uwe Barschel abgelaufen sein

t-online, Von Stefan-Kai Obst

Aktualisiert am 07.02.2016Lesedauer: 5 Min.
Uwe Barschel im September 1987 bei der "Ehrenwort"-Pressekonferenz.Vergrößern des Bildes
Uwe Barschel im September 1987 bei der "Ehrenwort"-Pressekonferenz. (Quelle: dpa-bilder)
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Am Samstag lief der Politthriller "Der Fall Barschel" um den mysteriösen Tod des früheren CDU-Politikers im TV. Ex-Oberstaatsanwalt Heinrich Wille hatte die Ermittlungen in den 90er Jahren geleitet. Bis heute ist er davon überzeugt, dass Barschel ermordet wurde. Im Interview mit t-online.de spricht er über den Film, die Rolle der Geheimdienste in dem Fall und nennt Details zum möglichen Hergang des Verbrechens.

Herr Wille, nach dem Film von Regisseur Kilian Riedhof ist es kaum noch vorstellbar, dass Barschel Selbstmord beging. Wie nah dran war der Thriller an den tatsächlichen Indizien und Fakten?

Angesichts der Fakten und Indizien ist der Film außerordentlich gut gelungen. Auch in den fiktionalen Szenen kommt vieles vor, das von beteiligten Personen tatsächlich so gesagt wurde. Danach wird man sich fragen: Warum haben wir bis heute keine Erklärung für Barschels Tod, die allseits anerkannt ist.

Im Mittelpunkt der Handlung steht die fiktive Recherche eines erdachten Journalisten einer ebenso erfundenen Zeitung. Wie beurteilen Sie die wahre Rolle der Medien bei der Ermittlung von Barschels Todesursache?

Der "Spiegel" hatte die Barschel-Affäre anfangs ja enthüllt. Doch dann haben fast alle, die große Mehrheit der Presse wie auch der Politik, den angeblichen Suizid Barschels in Form einer seltsamen Massensuggestion zelebriert. Es schien, als ob Barschel der große Schurke war. Der Schurke hat sich selbst gerichtet - und alle konnten wieder zur Tagesordnung übergehen. Das war eine ganz merkwürdige Geschichte.

Laut ihrem Buch "Ein Mord, der keiner sein durfte" sind Sie davon überzeugt, dass Barschel getötet wurde. Was spricht für Mord?

Im Grunde sind es drei Indizien. Erstens das Mini-Fläschchen Whisky, das in Barschels Hotelzimmer gefunden wurde. Wir konnten noch in den 90er Jahren nachweisen, dass eine der vier Substanzen, die in Barschels Körper gefunden wurden, auch in diesem Fläschchen war: Diphenhydramin, das auch zur Betäubung geeignet ist. Schon die Schweizer hatten festgestellt, dass das Fläschchen ausgespült wurde. Ein klarer Hinweis auf verdecktes Beibringen der Substanz und anschließende Spurenbeseitigung.

Indiz Nummer zwei ist die Verschmutzung des Badvorlegers aus Barschels Schuhen heraus. Sogar die Innenbeschriftung des Schuhs wurde herausgelöst, was nicht durch Wasser, sondern nur durch ein Lösungsmittel geschehen konnte. Ein Mittel, das dabei infrage kommt, ist Dimethylsulfoxid. DMSO ist geeignet, auch Gifte durch die Haut zu transportieren.

Das wohl überzeugendste Indiz ist aber der abgerissene Knopf von Barschels Hemd, und zwar der zweite von oben. Der muss mit ziemlicher Kraft abgerissen worden sein, in eine Richtung, die man selbst nicht führen kann: senkrecht von unten nach oben. Das schafft niemand selbst. Das muss eine dritte Person gewesen sein, mit massiver, aber diskret ausgeübter Gewalt. Nach meiner Überzeugung ist dieser Hinweis zwingend. Aber alle, die den Suizid seit jeher befürworten, haben sich ernsthaften Argumenten stets entzogen.



Und was spricht für Selbstmord oder Hilfe zum Suizid?

Für einen Suizid spricht bestenfalls, dass Barschel zu viele Beruhigungs-Tabletten eingenommen hat. Eine Sucht wurde medizinisch aber nie belegt. Zudem war Barschel kein schwacher Mensch. Nach einer grandiosen Karriere ist er einfach grandios gescheitert. Dass ihn das zum Suizid getrieben haben soll, wie viele behaupten, bezweifele ich stark.

Auch gibt es keinen objektiven Hinweis zu Selbstmordhilfe. Hier versucht man die Suizid-Theorie passend zu machen, weil ja angesichts der Spurenlage noch irgendjemand in Barschels Hotelzimmer gewesen sein muss.

Wie ist die Ermordung Barschels Ihrer Ansicht nach abgelaufen?

Es hat ja geplantes Gespräch in Genf gegeben. Zwar hatte Barschel den fiktiven Robert Roloff vorgeschoben, aber er war wohl tatsächlich verabredet. Bei dem Gespräch, das offenbar in Barschels Hotelzimmer stattfand, müssen mindestens zwei weitere Personen dabei gewesen sein. Eine, zu der Barschel Vertrauen hatte, und eine weitere, die den Ablauf kontrollierte.

Man wird zuerst versucht haben, Barschel ruhig zu stellen, ohne zum Äußersten zu greifen. Als man gemerkt hat, dass das nicht geht, ist man zum Mord übergegangen. Durch die Zuführung von Substanzen über Rotwein und den Whisky muss Barschel schon benommen gewesen sein. Der Theorie des Züricher Toxikologen Brandenberger zufolge war Barschel bei der Aufnahme des vierten und todbringenden Medikaments Cyclocarbital schon selbst nicht mehr handlungsfähig, was auf Fremdeinwirkung hindeutet.

Man muss ihn dann vom Zimmer in die Badewanne transportiert haben. Das hätte eine Person alleine nicht geschafft, ohne mehr Spuren zu hinterlassen, als am Tatort gefunden wurden. Denn das waren ja nur der abgerissene Hemdknopf und das Hämatom, das Barschel an der rechten Stirnseite hatte, etwa durch einen Stoß gegen die Türzarge.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Geheimdienste wie dem BND oder dem israelischen Mossad in dem Fall?

Hier konnten verschiedene Seiten ein Motiv haben, allein schon wegen der Iran-Contra-Affäre, die es damals gab. In einer Dreiecksbeziehung sind in Absprache mit den USA Waffen, und dabei sogar amerikanische Luftabwehrraketen, zum Teil via Israel an den Iran geliefert worden. Mit den Millionen-Überschüssen aus diesen Geschäften wurden die Contra-Rebellen in Nicaragua illegal finanziert.

Diese Geschäfte wären aus Sicht der nationalen Interessen Israels wie auch des Irans, der Israel als seinen Erzfeind ansieht, völlig unhaltbar gewesen. In den USA hätte sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen Ronald Reagen gedroht, wäre diese Dreiecksbeziehung damals so schlagkräftig herausgekommen.

Dazu kommt der illegale Verkauf von U-Boot-Zeichnungen in das damalige Apartheitsland Südafrika, der kraft Beschluss der Vereinten Nationen nie hätte stattfinden dürfen. Das war somit auch ein Fall von nicht verfolgter Regierungskriminalität in Deutschland.

Unter all diesen Umständen hatte Barschel gedroht auszupacken. Und es gibt es klare Hinweise, dass er sich in der Szene dieser Waffengeschäfte bewegt hat, wenn auch nicht als Händler, sondern vermutlich als Vermittler.

Für eine strukturelle und gegen Barschel gerichtete Motivlage reichte das völlig aus. Schließlich hätte er kurz nachdem er in Genf tot aufgefunden wurde vor dem Untersuchungsausschuss stehen sollen. Was er da hätte sagen können, hätte einiges bewegt.



Was muss passieren, damit die Ermittlungen um Barschels Todesursache noch einmal aufgenommen werden?

Das Problem ist ja, dass wir keinen Verdächtigen haben. Den bräuchte man aber für eine förmliche Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Spuren haben das aber nicht hergegeben. Und die Wahrscheinlichkeit, noch einen Verdächtigen zu finden, tendiert gegen null.

Ansonsten könnte nur noch ein Beteiligter, der bei dem Mord dabei war oder jemanden in das Hotel gefahren hat, kurz vor seinem eigenen Tod eine Lebensbeichte verfassen. Voraussetzung dafür wäre aber, dass derjenige keine Familie oder sonst jemanden hat, an dem man sich rächen könnte. Wegen der geringen Anzahl an Wissensträgern und der verstrichenen Zeit ist diese Option aber sehr unwahrscheinlich.

Könnte eine Freigabe von Barschels BND-Akte neue Anhaltspunkte für eine Wiederaufnahme liefern?

Der Inhalt der BND-Akte dürfte wohl keinen neuen Anlass bieten. Zwar könnte der BND weiterführende Kenntnisse und Informationen haben. Dass diese aktenkundig gemacht wurden, halte ich aber für ausgeschlossen. Solche Informationen sind nur einem kleinen Personenkreis vorbehalten. Und davon wird niemand bereit sein, sich noch zu öffnen. Denn es gibt immer noch starke Interessen, die Wege des internationalen Waffenhandels für alle Eventualitäten offen zu halten. Dennoch bin ich überzeugt, dass es da Wissensträger gibt, die weiterhelfen könnten.

Die Fragen stellte Stefan-Kai Obst.

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