Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online."Anwalt des Teufels" Er führte alle an der Nase herum
Er vertrat Diktatoren und Serienmörder – obwohl er gar kein Anwalt war. Doch das waren längst nicht alle Betrügereien vom "Anwalt des Teufels".
In den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren standen die berühmten MGM-Filmstudios für eine achtstellige Summe zum Verkauf. Giovanni di Stefano, der zu dieser Zeit selbst kaum Geld besaß, entschied sich mitzubieten. Doch als MGM sein lukratives Angebot annahm, war der mysteriöse Käufer, von dem di Stefano bei den Verhandlungen stets gesprochen hatte, nirgends zu finden. Es war nicht der erste und bei Weitem nicht der letzte Betrug des Mannes, der später als "Anwalt des Teufels" berühmt werden sollte.
Giovanni di Stefano war wohl der umstrittenste Rechtsberater der 2000er-Jahre. Zu seinen Klienten zählten unter anderem Saddam Hussein, Slobodan Milošević und der serbische Kriegsverbrecher Željko Ražnatović, genannt Arkan. Doch 2011 wurde der vermeintliche Anwalt selbst festgenommen. Behörden hatten bemerkt, dass er gar kein Rechtsanwalt war.
Erster gefälschter Abschluss
Dabei hätte ein einziger Blick in den Lebenslauf von Giovanni di Stefano gereicht, um Fragen aufzuwerfen. Denn schon in jungen Jahren war der Mann, der mit sechs Jahren aus Italien nach Großbritannien gekommen war, mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Bereits als Teenager hatte er sich das erste Mal als Anwalt mit einem Abschluss der Cambridge University ausgegeben.
Mit nur 21 Jahren wurde er zum ersten Mal in seinem Leben zu einer Haftstrafe verurteilt. Di Stefano hatte versucht, ein Anwesen zu kaufen, ohne das Geld hierfür aufbringen zu können. Hierfür verurteilte ihn ein britisches Gericht 1986 zu einer dreijährigen Haftstrafe.
Hollywood-Betrug
Nachdem er 1989 frühzeitig entlassen worden war, zog es Giovanni di Stefano nach Amerika. In Los Angeles setzte er seine Karriere als Betrüger fort und bot beim Verkauf der MGM-Studios mit. Die Polizei schaltete sich ein, als herauskam, dass es keinen Käufer gab, und schob Giovanni di Stefano nach England ab.
Da er hier kein unbeschriebenes Blatt mehr war, setzte er sich 1992 ab nach Jugoslawien. Die politisch angespannte Lage dort erlaubte es ihm, im Verborgenen seinen windigen Geschäften nachzugehen.
Kontakte zu Diktatoren und Terroristen
1997 lernte er den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević kennen, der ihm eine juristische Ehrendoktorwürde der Universität Belgrad zukommen ließ. Milošević machte ihn bekannt mit Diktatoren wie Saddam Hussein oder Robert Mugabe. Auch zu Osama bin Laden soll er, eigenen Aussagen zufolge, Kontakt gehabt haben.
Diese Verbindungen verschafften ihm in den frühen 2000er-Jahren größere Bekanntheit. Diese nutzte di Stefano, um Klienten für seine in Italien eröffnete Anwaltskanzlei zu gewinnen. Die Kanzlei vertrat vor allem Briten, unter ihnen in die Schlagzeilen geratene Prominente, Verbrecher und sogar Serienmörder.
Serienmörder und Kriegsverbrecher
So vertrat er unter anderem den britischen Sänger und verurteilten Kinderschänder Gary Glitter. Anfang der 2000er-Jahre diente er sich Großbritanniens wohl berüchtigtstem Serienmörder als Vertreter an: "Doctor Death" Harold Shipman. Dass Shipman ihn ablehnte, hielt die Stefano nicht davon ab, sich im Fernsehen als sein Anwalt auszugeben.
- Harold Shipman: Der Horror-Arzt und seine mehr als 200 Toten
Die wohl größte Aufmerksamkeit erhielt di Stefano, als er 2004 Teil des Verteidigerteams von Saddam Hussein wurde. Dies brachte ihm auch den Titel "Anwalt des Teufels" ein. Mit diesem Image spielte Giovanni di Stefano fortan.
Hitler und der Teufel als Klienten?
2005 veröffentlichte di Stefano seine Autobiografie mit dem Titel "Defending the Indefensible" (zu Deutsch: "Das Unvertretbare verteidigen"). In diesem Zusammenhang rühmte sich der vermeintliche Advokat damit, dass er auch Hitler und den Teufel höchstpersönlich vertreten würde.
Noch über Jahre vertrat di Stefano weiterhin öffentlichkeitswirksam bekannte Verbrecher, bis er 2011 auf Mallorca selbst verhaftet wurde.
Der Anwalt, der nie einer war
Er wurde unter anderem wegen Betrugs, Hehlerei und Geldwäsche angeklagt. So soll er seine Klienten um Millionen gebracht haben, indem er unter anderem für Kaution bestimmtes Geld einbehielt. Darüber hinaus fand man erst zu diesem Zeitpunkt heraus, dass Giovanni di Stefano nie tatsächlich Rechtsanwalt gewesen war, da er kein entsprechendes Studium abgeschlossen hatte.
Di Stefanos Rechtfertigung war gewohnt halbseiden: Er verwies auf seine Ehrendoktorwürde; das notwendige Fachwissen habe er sich selbst beigebracht und auf dieser Basis seine Anwaltskarriere gestartet.
Giovanni di Stefano gab an, dass er sich in seiner Jugend von seinem Anwalt schlecht beraten gefühlt habe. In diesem Moment habe er entschieden, selbst Anwalt zu werden, behauptete er. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren.
- theguardian.com: "The devil's advocate" (englisch, Archiv)
- independent.ie: "Millionaire 'lawyer' certified insane here while in jail for fraud" (englisch)
- theguardian.com: "Fake lawyer jailed for 14 years for tricking 'desperate' victims" (englisch)
- Eigene Recherche