Reaktionen auf Corona-Gipfel "Bürger haben diesen kurzsichtigen Dilettantismus satt"

Bund und Länder haben sich auf eine Testpflicht für Innenräume verständigt, um eine vierte Welle zu verhindern. Aber an den Beschlüssen des Corona-Gipfels gibt es auch scharfe Kritik. Ein Überblick.
Die Ministerpräsidentenkonferenz von Bund und Ländern haben sich auf einen Corona-Kurs für die kommenden Monate verständigt und sich vor allem auf eine Testpflicht für Innenräume und auf ein Ende der Gratistests geeinigt. Damit soll den steigenden Inzidenzen und der stagnierenden Impfkampagne in Deutschland begegnet werden.
Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels:Das ist der Corona-Plan für den Herbst
Die Reaktionen auf die Beschlüsse fallen unterschiedlich aus. Ein Überblick:
Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch etwa kritisiert die Beschlüsse als "Stückwerk". "Fatal ist, dass es keinen Plan gibt, über positive Anreize die Impfkampagne aus der Tempo-30-Zone zu holen und die Impfung zu den Menschen zu bringen", sagt Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Das Ziel einer möglichen Herdenimmunität gerate zunehmend aus dem Blick. "Wir stehen vor einer vierten Welle, auch weil Armin Laschet und andere vornehmlich den Wahltermin im Blick haben", sagt Bartsch. "Nach der Bundestagswahl drohen dann wieder Schließungen von Schulen. Die Bürger haben diesen kurzsichtigen Dilettantismus satt."
Göring-Eckardt kritisiert Verlängerung der epidemischen Lage
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bemängelt dagegen, dass Bund und Länder in der Corona-Krise die epidemische Lage von nationaler Tragweite verlängern wollen. "Das Grundgesetz setzt Freiheitseinschränkungen einen engen Rahmen“, sagte sie t-online. "Es braucht für den Herbst eine Regelung, die der neuen Situation und der Zahl Geimpfter Rechnung trägt." Es müssten die Voraussetzungen geschaffen werden "für eine rechtsichere befristete Fortführung bestimmter, auf die aktuelle Covid-19-Situation zugeschnittener, nicht überaus eingriffsintensiver Maßnahmen wie Masken, AHA-Regeln und Tests."
Göring-Eckardt wirft dem Bund-Länder-Gipfel mangelnde Anstrengungen in der Impfkampagne und bei den Schulen vor. "Entscheidend ist jetzt, beim Impfen wieder schneller zu werden und eine deutlich höhere Impfquote zu erreichen“, sagte sie t-online. Doch "außer allgemeiner Appelle hat die Bundesregierung auch hier kostbare Zeit verstreichen lassen".
"Beschlüsse enttäuschend"
Auch Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen hatte sich weitere Beschlüsse vom Gipfel erhofft. "Die Beschlüsse der MPK sind angesichts steigender Infektionszahlen und einer inzwischen dominanten, gefährlicheren Virusvariante enttäuschend", sagte Dahmen der "Rheinischen Post" laut Vorabbericht.
"Statt Pflegeeinrichtungen und Schulen endlich sicher zu machen, statt konkrete Maßnahmen für mehr Tempo beim Impfen vorzulegen, versucht man die Menschen anstelle von überzeugenden Argumenten durch Druck zum Impfen zu bewegen", sagt er. So werde man eine vierte Welle nicht verhindern.
Kubicki nennt Ende für kostenlose Tests kontraproduktiv
Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki hat dagegen die Abschaffung kostenloser Corona-Tests kritisiert. Dies werde zu einem Rückgang der Testbereitschaft bei Ungeimpften führen, sagte Kubicki der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). "Die Aufhebung der Kostenfreiheit für Tests wird bei der Bewältigung der Pandemie kontraproduktiv wirken. Denn dies führt dazu, dass sich deutlich weniger Menschen entscheiden, einen solchen Test zu machen", sagte Kubicki.
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Es werde dazu kommen, dass zwar durch die geringere Zahl an Tests die Inzidenz sinken werde. Aber es würden nicht mehr diejenigen zuverlässig identifiziert, um die es bei der Pandemiebekämpfung eigentlich gehe – die Infizierten. "Außerdem ist vollkommen unklar, wie sich diejenigen im Impfzentrum ausweisen sollen, denen weiterhin ein kostenfreier Test zusteht." Immerhin gehe es zum Teil um sensible Gesundheitsdaten. "Es muss also eine neue Infrastruktur aufgebaut werden, um diese Menschen weiterhin kostenlos testen zu können", sagte Kubicki.
SPD-Politiker begrüßen Testpflicht
Rolf Mützenich begrüßt dagegen die beschlossene Testpflicht für Ungeimpfte. Es ist wichtig, dass wir jetzt klare Maßnahmen ergreifen, die eine verschärfte vierte Welle der Pandemie im Herbst und Winter abmildert", sagte der SPD-Fraktionschef t-online. "Durch Impfen und Testen sind wir im Sommer beim Kampf gegen Corona weit gekommen. Das sollten wir jetzt nicht aufs Spiel setzen."
Es sei "fair gegenüber den anderen", dass die Testpflicht für diejenigen erforderlich bleibe, die nicht geimpft oder genesen seien. "Und fair ist es auch, dass für diejenigen, die sich trotz Impfangebot nicht impfen lassen wollen, die Kostenfreiheit im Oktober entfällt."
Ihm stimmt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zu. "Beschlüsse von heute sind gut. Insbesondere die Testpflicht für Innenräume hilft", schreibt Lauterbach auf Twitter. "Für besonders große Innenraumereignisse wäre eine Begrenzung auf Geimpfte noch sinnvoller um "Superspreader-Ereignisse" zu vermeiden."
- Nachrichtenagenturen dpa und afp