Mit Astrazeneca verhandeln Gipfel für mehr Impfungen am Montag - Hersteller dabei
Berlin (dpa) - Bund und Länder wollen mit einem Impfgipfel um Vertrauen der Bevölkerung für die schleppend anlaufenden Massenimpfungen gegen die Corona-Pandemie werben.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dämpfte aber bereits die Erwartungen und stimmte auf noch "mindestens zehn harte Wochen" bis Ostern ein. Einen neuen Dämpfer erhält die Impfkampagne voraussichtlich mit dem dritten Impfstoff, dem Präparat des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca, das an diesem Freitag in der Europäischen Union zugelassen werden soll. Das Präparat wird wohl nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen, nicht für die besonders gefährdete Gruppe der Älteren.
Auf dem Impfgipfel von Bund und Ländern mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werde über die Lage, die Ziele und das weitere Vorgehen gesprochen, teilte Spahn auf Twitter mit. Nachdem die SPD so einen Gipfel gefordert hatte, hatte Spahn am Donnerstagmorgen eine solche Ministerpräsidentenkonferenz angekündigt. Schließlich kündigte ein Regierungssprecher für diesen Montag eine Videokonferenz dazu an, an der auch weitere Minister, Vertreter der Impfstoffhersteller und von Verbänden teilnehmen sollen. Spahn betonte aber: "Auch ein Impfgipfel wird es nicht schaffen, dass etwas so Komplexes wie Impfstoffproduktion auf einmal in zwei Wochen zu hunderten oder zig Millionen stattfindet." Wenn die Infektionszahlen sinken, könne es in den kommenden Wochen aber möglicherweise trotzdem bereits Lockerungen der Corona-Beschränkungen geben.
IMPFGIPFEL: Die SPD will, dass "zeitnah genügend Impfstoffe für alle Impfwilligen" bereitgestellt wird, wie es Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gefordert hatte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ziel dieser Runde muss es sein, eine gemeinsame nationale Anstrengung auf den Weg zu bringen, die Produktion und Verteilung von Impfstoff in Deutschland zu beschleunigen." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte Spahn vorgeworfen, durch Impfversprechen mit nur kurzer Bestandsdauer Vertrauen zu verspielen.
Spahn erwiderte: "Vertrauen in dieser Krise erhalten wir nur, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen." Eine Impfstoff-Produktion lasse sich nicht in vier Wochen mal eben aufbauen. "Wenn das in wenigen Monaten gelingt, ist das schon sehr schnell." Konkret erhofft sich Spahn nach eigenen Worten von dem geplanten Gipfel eine Übersicht darüber, "welche Kooperationen der Industrie untereinander es bereits gibt - und wo wir noch unterstützen können".
ZUSÄTZLICHE PRODUKTION: Bereits vor dem Start steht eine zusätzliche Anlage des Impfstoffherstellers Biontech in Marburg. Die Produktion wurde am 15. Januar genehmigt. Im ersten Halbjahr 2021 sollen in Marburg 250 Millionen Dosen von Biontech und seines US-Partners Pfizer hergestellt werden.
Weiter prüfe Biontech verschiedene Möglichkeiten, die Produktionskapazitäten durch Zusammenarbeit mit anderen pharmazeutischen Unternehmen auszuweiten, wie Spahns Ministerium vergangene Woche in einer 30-Seiten-Antwort auf SPD-Fragen zum Impfen schrieb. Es gehe dabei um Teilschritte der Herstellung. Bekanntgegeben worden seien aber auch bereits Kooperationen von Biontech mit den Unternehmen Dermapharm sowie Baxter Oncology. Geplant sei eine Produktion in Halle (Westfalen).
Diskutiert wird auch über eine Lockerung des Patentschutzes. Von FDP-Chef Christian Lindner stammt der Vorstoß, Biontech und Pfizer sollten Produktionslizenzen an andere Hersteller weitergeben. Die Linke und einige Experten hatte dies verpflichtend gefordert. Die Pharmaindustrie zeigte sich wenig begeistert: Nicht umsetzbar sei das, so der Verbands Forschender Arzneimittelhersteller. Dazu sein die Impfstoffherstellung zu anspruchsvoll.
PROBLEME MIT ASTRAZENECA: Ein drittes Vakzin soll - nach den Präparaten von Biontech/Pfizer und Moderna - voraussichtlich an diesem Freitag in der EU zugelassen werden. Der erwartete Start für das Vakzin des Herstellers Astrazeneca wird aber von schlechten Nachrichten überschattet: Für Ältere wird der Impfstoff von der Ständigen Impfkommission (Stiko) nicht empfohlen - sondern nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren. Das am Robert Koch-Institut angesiedelte Gremium: "Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor."
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte in mehreren Medien deshalb, die unter 65-Jährigen in der Risikogruppe drei dann zuerst mit dem Astrazeneca-Präparat zu impfen. Auch Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz forderte, das Präparat für Ärzte, Pflegepersonal und andere priorisierte Berufsgruppen zu reservieren.
Großbritanniens Premier Boris Johnson wies Zweifel an der Wirksamkeit für Ältere zurück: "Unsere eigene Zulassungsbehörde hat sehr klar gemacht, dass der Oxford/Astrazeneca-Impfstoff sehr gut und wirksam ist, und bereits nach einer Dosis eine sehr hohe Schutzwirkung bietet und sogar noch mehr nach zwei Dosen." Das Vakzin erziele laut der Behörde in allen Altersgruppen eine gute Immunantwort.
Unklar ist, wie viel von dem Impfstoff anfangs geliefert wird. Der Konzern hatte der EU statt der erwarteten 80 Millionen Impfdosen für das erste Quartal nach EU-Angaben nur 31 Millionen in Aussicht gestellt. Ein Krisentreffen mit Unternehmenschef Pascal Soriot brachte am Mittwochabend keinen Durchbruch. Der CDU-Europapolitiker Peter Liese sagte allerdings, statt nur einer Lieferung im Februar erwäge der Pharmakonzern nun drei.