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Corona-Hotspot Hildburghausen: Entsetzen und Selbstkritik nach Protest


"Information nicht die beste"
Entsetzen nach Corona-Protest in Hildburghausen

Von dpa, loe

Aktualisiert am 26.11.2020Lesedauer: 3 Min.
Thüringen, Hildburghausen: Menschen laufen durch die Innenstadt und protestieren gegen die neuen Infektionsschutzregeln in dem Kreis.Vergrößern des Bildes
Thüringen, Hildburghausen: Menschen laufen durch die Innenstadt und protestieren gegen die neuen Infektionsschutzregeln in dem Kreis. (Quelle: dpa)
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In Hildburghausen zogen hunderte Menschen im Protest singend durch die Straßen – obwohl nirgends in Deutschland die Corona-Zahlen höher sind. Politiker reagieren mit Unverständnis.

Trotz rasant steigender Infektionszahlen sind im bundesweiten Hotspot-Landkreis Hildburghausen mehrere hundert Menschen gegen den strengen Lockdown auf die Straße gegangen. Der Protest in der Südthüringer Stadt wurde am Mittwochabend nach knapp zwei Stunden von der Polizei mit Hilfe von Pfefferspray aufgelöst. Landes- und Kommunalpolitiker zeigten sich am Donnerstag entsetzt über den Aufmarsch und appellierten an die Menschen, die Corona-Auflagen zu befolgen.

In Hildburghausen hatten sich am Mittwochabend ungeachtet geltender Ausgangsbeschränkungen 400 Menschen versammelt. Sie zogen laut Polizei singend und mit Sprechchören wie "Friede, Freiheit, Demokratie" durch die Stadt. Parallel zu dem Protest berieten die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über weitere Schritte zur Eindämmung der Pandemie.

30 Polizeibeamte zerstreuten die singende Truppe

Viele der Protestteilnehmer trugen laut Polizei keinen Mund-Nasen-Schutz und hielten den Mindestabstand nicht ein. Den etwa 30 Beamten gelang es schließlich, die Protestierenden zu zerstreuen. 30 Teilnehmer erhielten demnach eine Anzeige wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Verletzte und Festnahmen gab es den Angaben zufolge nicht.


Wer zu dem Protest aufgerufen hat, ist laut Polizei derzeit noch unklar. Dazu liefen Ermittlungen. Hinweise auf einen rechten Initiator gebe es derzeit aber nicht, sagte die Sprecherin der Landespolizeiinspektion Suhl, Julia Kohl, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Eine Anmeldung für eine Demonstration gab es laut Landratsamt im Vorfeld nicht.

Berlin in klein: "Die sind untereinander alle vernetzt"

Der Landrat des Kreises Hildburghausen, Thomas Müller (CDU), sagte, die Protestteilnehmer seien organisiert gewesen und formiert durch Hildburghausen gezogen. "Die sind untereinander alle vernetzt, das ist dasselbe Strickmuster wie in Leipzig und Berlin – nur kleiner." Es habe eine aggressive Stimmung geherrscht, Mitarbeiter des Ordnungsamtes und Polizeibeamte seien beschimpft worden. Nach Angaben von Bürgermeister Tilo Kummer (Linke) sprachen die Teilnehmer von einem "Spaziergang". Es habe bereits seit Tagen Aufrufe im Netz gegeben, einige Teilnehmer hätten Transparente und Kerzen getragen.

Im Kreis Hildburghausen gilt aufgrund explodierender Infektionszahlen seit Mittwoch ein harter Lockdown. Die rund 63.000 Einwohner in der Region dürfen bis zum 13. Dezember ihre Wohnungen nicht mehr ohne triftigen Grund verlassen, Schulen und Kindergärten wurden geschlossen. Am Donnerstag wurde mit 602,9 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche erstmals ein Wert von mehr als 600 erreicht. Das ist deutschlandweit weiter der höchste Wert.

"Leib und Leben von Menschen zu schützen"

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) appellierte an die Menschen im Landkreis Hildburghausen, sich an die neuen Infektionsschutzregeln zu halten. Es gebe ein großes Bemühen, mit strengeren Maßnahmen "Leib und Leben von Menschen zu schützen", sagte Ramelow. Die Protestierenden hätten das Signal gegeben, dass sie das Infektionsgeschehen in ihrem Kreis nicht interessiere.


Landrat Müller kritisierte die Proteste als unverantwortlich. Die Teilnehmer hätten nicht nur sich, sondern auch andere gefährdet. Rathauschef Kummer sagte: "Es fehlt das Verständnis für die Maßnahmen. Die Information war bisher nicht die beste." Das sei ein Stück weit auch als Selbstkritik gemeint.

Thüringens Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, zeigte sich entsetzt: "Das hat mich fast sprachlos gemacht, als ich die Bilder gesehen habe. Die haben offenkundig nicht verstanden, wie ernst die Situation ist." CDU-Landesparteichef Christian Hirte kritisierte das Verhalten auf Twitter ebenfalls als "völlig unverantwortlich und inakzeptabel".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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