Nach BGH-Entscheidung Verdächtiger im Fall Maddie bleibt noch lange im Gefängnis
Karlsruhe/Braunschweig (dpa) - Wichtiger Zeitgewinn für die Ermittler im Fall Maddie - der Mordverdächtige bleibt noch mehrere Jahre im Gefängnis. Das steht nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) fest.
Wie am Freitag in Karlsruhe mitgeteilt wurde, haben die obersten Strafrichter die Revision des 43-Jährigen gegen ein Vergewaltigungsurteil des Landgerichts Braunschweig mit sieben Jahren Haft verworfen. Es ist damit rechtskräftig. (Az. 6 StR 41/20)
In der niedersächsischen Justiz wird nun damit gerechnet, dass die Strafe schnell greift und eine Verlegung des mehrfach vorbestraften Sexualstraftäters nach Niedersachsen ansteht. Er war im Dezember 2019 wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin verurteilt worden. Diese Tat hatte er nach Überzeugung der Richter im Jahr 2005 - rund anderthalb Jahre vor dem Verschwinden der Britin Madeleine McCann - im portugiesischen Praia da Luz begangen.
Im Fokus steht der 43-Jährige, seitdem das Bundeskriminalamt (BKA) und die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Juni in einer Öffentlichkeitsfahndung mitteilten, dass sie im Fall der vermissten Maddie gegen ihn wegen Mordverdachts ermitteln. Die kleine Britin Madeleine McCann war 2007 spurlos aus einer Ferienanlage an der portugiesischen Algarve verschwunden. Das Schicksal der damals Dreijährigen blieb mehr als ein Jahrzehnt ungeklärt - bis die deutschen Ermittler die neue Spur präsentierten. Sie glauben inzwischen, dass Maddie nicht mehr am Leben ist.
Der Verdächtige, der zeitweise in Portugal lebte, sitzt derzeit in Schleswig-Holstein eine alte Haftstrafe ab, die das Amtsgericht Niebüll 2011 wegen Drogenhandels verhängt hatte. Diese sollte im Januar 2021 enden. Eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung war am Landgericht Braunschweig erst diese Woche abgelehnt worden. Mit dem BGH-Beschluss steht nun fest, dass ein erneuter Haftprüfungstermin erst in einigen Jahren ansteht.
"Wir freuen uns, dass das Urteil Bestand hat", sagte Hans Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft Braunschweig in einer ersten Reaktion am Freitag. "Das ist ein Beleg dafür, dass die Braunschweiger Justiz objektiv und sorgfältig gearbeitet hat". Ein kleiner Wermutstropfen für die Behörden ist, dass der BGH-Beschluss schon am 4. November gefasst wurde. Mit diesem Wissen wäre der eskalierte Anhörungstermin in Braunschweig Anfang der Woche wohl gar nicht nötig gewesen. Beim Anlegen von Fußfesseln hatte sich der 43-Jährige Rippenverletzungen zugezogen. Er wurde im Krankenhaus behandelt.
Seine Revision gegen das Vergewaltigungsurteil hatte der Mann vor allem auf das Argument gestützt, dass die deutschen Behörden gar nicht zur Strafverfolgung befugt gewesen seien. Nach seiner Auffassung fehlte dafür die Zustimmung der portugiesischen Behörden, die ihn in der Vergangenheit wegen anderer Vorwürfe auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls nach Deutschland überstellt hatten.
Der BGH hatte sich mit dieser Frage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. Die Luxemburger Richter hatten im September entschieden, dass der Mann sich in diesem besonderen Fall nicht auf den sogenannten Grundsatz der Spezialität berufen kann. Auf dieser Grundlage wiesen die BGH-Richter nun die Revision zurück. Auch die sonstige Überprüfung des Braunschweiger Urteils habe keine Rechtsfehler ergeben, hieß es in der Mitteilung.
Die zumindest theoretische Möglichkeit einer Freilassung ist damit vom Tisch, und das Interesse dürfte sich wieder auf die Ermittlungen zum Verschwinden der kleinen Maddie konzentrieren. "Die Verdachtsmomente bestehen weiter", bekräftige Staatsanwalt Wolters am Freitag. Anklage wurde bisher nicht erhoben. Allein im September wurden aber zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen den Mann bekannt.
Ein mögliches Opfer hatte sich nach dem Zeugenaufruf in mehreren Ländern bei britischen Medien gemeldet. Daher wird laut Wolters wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer jungen Irin im Jahr 2004 an der Algarve ermittelt. Daneben läuft ein separates Verfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Im April 2007 soll der Mann an der Algarve vor einem zehnjährigen Mädchen aus Deutschland masturbiert haben - also wenige Wochen vor dem Verschwinden der kleinen Maddie.
Mutter Kate und Vater Gerry McCann, die anfangs sogar selbst unter Verdacht gestanden hatten, haben die Hoffnung, ihre Tochter lebend zu finden, nie ganz aufgegeben. Die beiden Mediziner gründeten eine Stiftung, um die Suche nach Maddie zu finanzieren. Besuch beim Papst, ein Gespräch mit US-Talkmeisterin Oprah Winfrey, Privatdetektive - alle Hebel setzten sie in Bewegung, um auf das Schicksal ihrer Tochter aufmerksam zu machen. Inzwischen haben sich die beiden aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Die Hinweise auf den Deutschen halten sie für die wichtigste Spur der vergangenen 13 Jahre.