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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Maskenpflicht in NRW Schulleiter: "Acht Stunden mit Maske sind nicht ohne"
Nordrhein-Westfalen startet in den Schulbetrieb – und zwar mit der umstrittenen Maskenpflicht. Ein Schulleiter berichtet t-online.de, wie Schüler und Lehrer das bei der aktuellen Hitze erlebt haben.
Stark umstritten und für das Land dennoch alternativlos: Die eingeführte Maskenpflicht an Schulen in Nordrhein-Westfalen wird genau beobachtet. 2,5 Millionen Schüler an 2.500 Schulen und ihre Lehrer sind aus den Sommerferien auf die Schulbank beziehungsweise ans Lehrerpult zurückgekehrt. Trotz Hitze müssen sie bis vorerst Ende August auch während des Unterrichts Masken tragen.
So auch die Schüler des Heinrich-Herz-Berufskollegs Düsseldorf unter der Leitung von Michael Suermann. Der Schulleiter und Vizepräsident des Nordrhein-Westfälischen Lehrerverbands (NRWL) berichtet t-online.de von der neuen Belastung – und verrät, wie er über die Maßnahme denkt.
Guter Kompromiss oder "überflüssige Behinderung"?
Die neue Pflicht ist unter Lehrer- und Elternverbänden sowie Wissenschaftlern bundesweit umstritten. Während sie beispielsweise der Marburger Bund als sinnlose, "überflüssige Behinderung" sieht, stuft eine Gruppe renommierter Wissenschaftler sie in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als empfehlenswert ein.
Auch Suermann stellt sich grundsätzlich hinter die Empfehlung der Wissenschaftler und die Entscheidung der Politik. Es sei ein guter Kompromiss zwischen Infektionsrisiko und Präsenzunterricht: "Was wäre die Alternative? Die Maske absetzen wäre fahrlässig. Der Präsenzunterricht gilt immer noch als die beste Form des Unterrichts. Ich freue mich, dass wir diesen den Schülern so wieder ermöglichen können."
Acht Stunden mit Maske – Extrapausen möglich
Dennoch sei es sehr anstrengend für die Lehrkräfte. "Wenn sie Pech haben, stehen sie acht Stunden am Stück im Klassenzimmer – und acht Stunden mit Maske sind nicht ohne. Aber wir leben in einer Pandemie, das darf man nicht vergessen." Der Plan des Landes NRW sei aber schlüssig und ließe individuelle Anpassungen zu. So können die Schulen selbst entscheiden, ob sie hitzefrei gewähren. Auch sind mehrere Pausen je nach Bedarf möglich – um frische Luft zu schnappen oder etwas zu trinken.
Andreas Bartsch, Präsident des NRWL, sieht ebenfalls eine große Herausforderung für alle Beteiligten. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir jetzt die ersten Erfahrungen kritisch auswerten und auch nachsteuern werden. Die Maskenpflicht ist ein notwendiges Übel." Besonders Schulleiter seien aktuell als Organisationskünstler gefragt.
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"Mir tun die Schüler und Kollegen leid"
Suermann gibt zu: "Der erste Tag nach den Sommerferien war für mich als Schulleiter aufregender als sonst. Es war nicht klar, wie die Menschen auf die neuen Umstände reagieren. Ich war daher viel unterwegs, habe mit meinen Schülern und Lehrern gesprochen, um mir ein Bild zu verschaffen." Sein erster Eindruck habe ihn inzwischen weitestgehend positiv gestimmt. Die Schüler zeigten sich einsichtig, nur wenige mussten auf das Tragen der Maske aufmerksam gemacht werden. Aber Suermann fühlt mit: "Es ist sehr heiß heute. Das Masketragen ist belastend für alle. Mir tun die Schüler und Kollegen leid. Einige Schüler sind k.o. und haben die Anstrengung, die damit verbunden ist, bekundet. Aber sie sind tapfer und haben Verständnis."
Inzwischen sei auch ein großer Teil der Lehrer beruhigt: "Es ist sehr viel Arbeit, aber die meisten sind frohen Mutes. Ich hoffe, sie ziehen den Rest mit. Einige haben noch immer Bedenken und Angst auf engem Raum, andere fragen sich, wie es mit der Lüftung aussieht, wenn es kalt wird. Oder was passiert, wenn die ersten erkranken. Die Sorgen sind natürlich da."
Neuorganisation des Unterrichts bringt Hürden mit sich
Herausfordernd sei vor allem auch die genauste Kontakt-Dokumentation. "Die ist mit erheblichem Aufwand verbunden und sehr kompliziert. Wechsel von Räumen lassen sich bei uns nicht vermeiden. Es sollten trotzdem immer die gleichen Schüler nebeneinander sitzen." Aber auf dem Pausenhof seien dann wieder andere Kontakte vorhanden. "Wir dokumentieren so gut es geht, um den Schaden gering zu halten", versichert Suermann.
Der Präsenzunterricht könne außerdem nicht so ablaufen, wie vor der Corona-Pandemie. Es sei schwierig für die Lehrer, kreativ zu werden. "Dass, was wir mal über guten Unterricht gelernt haben, lässt sich so nicht mehr umsetzen. Gruppenarbeiten fallen zum Beispiel weg – das bedeutet eine Tendenz zum Frontalunterricht. Das tut vielen leid, weil man weiß, man könnte es besser. Wir hoffen auf einen Impfstoff, damit wir wieder richtig loslegen können."
Solange der noch erforscht wird, setzen Suermann und die Kollegen seiner Branche alles daran, neue Modelle zu entwickeln und zu optimieren. Auch wollen sie selbstorganisiertes und digitales Lernen fördern, um bei einer potenziellen weiteren Schulschließung nicht wieder kalt erwischt zu werden.
Damit das aber in der Krise gut gelingen kann, bedarf es einer Aufstockung des Personals. Das sei wichtig, da ein Teil der Lehrkräfte aus den Risikogruppen für den Präsenzunterricht nicht zur Verfügung stünde. Auch habe es durch die Corona-Rahmenbedingungen eine höhere Arbeitsbelastung gegeben, die bewältigt werden müsse, erläutert Suermann abschließend.
- Persönliches Gespräch mit Michael Suermann
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa