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Explosion in Beirut: Mindestens 100 Tote – Tonnen Ammoniumnitrat als Grund?


Hochexplosiver Stoff lagerte im Hafen
Ursachensuche in Beirut beginnt: War die gewaltige Explosion ein Unfall?

Von dpa, afp, reuters, aj, ak, lw

Aktualisiert am 05.08.2020Lesedauer: 6 Min.
Schutt und Asche überall: Die schwere Explosion hat mindestens 100 Menschen das Leben gekostet. Rund 4.000 wurden verletzt.Vergrößern des Bildes
Schutt und Asche überall: Die schwere Explosion hat mindestens 100 Menschen das Leben gekostet. Rund 4.000 wurden verletzt. (Quelle: Hassan Ammar/ap)
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Bei der schweren Explosion in Beirut sind mindestens 100 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 4.000 Menschen wurden verletzt, darunter auch Deutsche. Die Suche nach den Schuldigen hat begonnen.

Nach der gewaltigen Detonation in Beirut mit mindestens 100 Todesopfern und mehr als 4.000 Verletzten beginnt im Libanon die Suche nach möglichen Ursachen. Ausgelöst haben könnte die schwere Explosion eine sehr große Menge Ammoniumnitrat: Schätzungsweise 2.750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden, sagte Ministerpräsident Hassan Diab dem Präsidialamt zufolge. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es nicht.

Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Straßen waren voller Glasscherben. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Großraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur "Katastrophen-Stadt" erklärt. "Es ist eine Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes", sagte Gesundheitsminister Hamad Hassan beim Besuch eines Krankenhauses.

Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz.

Der Stoff könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.

Auch Mitarbeiter der deutschen Botschaft unter den Verletzten

Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig aus. Noch Kilometer weiter gab es Schäden. Beschädigt wurden der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Am Suk Beirut, einer modernen Einkaufsgegend, zerbarsten Fensterscheiben. Auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) wurde beschädigt. Es seien Blauhelm-Marinesoldaten verletzt worden, teilte die Mission mit.

Auch das Gebäude, in dem sich die deutsche Botschaft befindet, sei beschädigt worden, teilte das Auswärtige Amt am Dienstagabend in Berlin mit. Auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft seien unter den Verletzten. Angesichts der starken Schäden im Stadtgebiet könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass weitere deutsche Staatsangehörige unter den Opfern und Verletzten seien. Das Auswärtige Amt zeigte sich "erschüttert".

Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. "Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe", sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Große Schäden im Zentrum Beiruts

Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete von einer starken Erschütterung im Stadtzentrum und von großen Schäden. Durch die Wucht der Explosion, die sich am Hafen der Küstenstadt ereignete, gingen zahlreiche Fenster zu Bruch. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP vermeldete, dass alle Geschäfte im Quartier Hamra durch die Explosionen beschädigt worden seien.

Ein Bewohner Beiruts schrieb bei Twitter von "bebenden Gebäuden". Ein anderer schrieb: "Beirut wurde gerade von einer gewaltigen, ohrenbetäubenden Explosion verschlungen. Ich habe es in meilenweiter Entfernung gehört."

Erschreckende Berichte von Augenzeugen

Augenzeugen verbreiteten im Internet Fotos von zerstörten Fenstern an Wohnhäusern und Trümmern auf den Straßen. Auch die Schnellstraße auf dem Weg zum Hafen war mit Glasscherben übersät. Dutzende Autos wurden beschädigt. Ein Polizist sagte, die Schäden erstreckten sich kilometerweit. Kurz nach der Explosion fielen Telefon und Internet in der Stadt aus. "Wir saßen in unserem Wohnzimmer, und plötzlich fielen uns die Wand und Glas auf den Kopf", sagte ein Anwohner namens Rumi. Der Hafen liegt nur wenige Kilometer von der Innenstadt Beiruts entfernt.

"Ich war in der Küche und kochte, als ich plötzlich ins Wohnzimmer geworfen wurde", sagte eine Frau namens Aida. Auch ihre beiden Kinder seien verletzt worden. Ein älterer blutüberströmter Mann saß weinend vor einem Krankenhaus und wartete auf Behandlung. Ein neun Jahre alter Junge sagte, die Erschütterung habe sich angefühlt, als sei er gegen die Tür geworfen und auf den Kopf geschlagen worden. Die libanesische Armee half dabei, die Verletzten in Krankenhäuser zu bringen. Bürger wurden aufgerufen, Blut zu spenden.

Deutschland will rasch Hilfe leisten

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich über die Explosion erschüttert gezeigt. "Unsere Gedanken sind bei denen, die Angehörige verloren haben. Den Verletzten wünschen wir eine schnelle Genesung", zitierte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Dienstag die Kanzlerin bei Twitter. "Wir werden dem Libanon unsere Unterstützung anbieten."

Das Auswärtige Amt schrieb bei Twitter: "Unsere Gedanken sind bei Angehörigen der Opfer. Deutschland steht Libanon in dieser schweren Stunde zur Seite", hieß es. Derzeit werde geprüft, welche Hilfe Deutschland "unverzüglich" anbieten könne.

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Auch Regierungen anderer Länder zeigten sich betroffen und stellten dem Libanon Unterstützung in Aussicht. Seine Gedanken seien beim libanesischen Volk und den Familien der Opfer, teilte EU-Ratspräsident Charles Michel mit. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sicherte die "uneingeschränkte Solidarität und ihre volle Unterstützung" der Europäischen Union zu.

Auch Frankreich sagt Unterstützung zu

Frankreich schicke Hilfe in den Libanon, schrieb der französische Staatschef Emmanuel Macron am Dienstagabend auf Twitter. Frankreich stehe immer Seite an Seite mit dem Libanon, so Macron auf Arabisch. Macron habe mit seinem libanesischen Amtskollegen Michel Aoun telefoniert, teilte der Élyséepalast mit. In dem Gespräch drückte Macron demnach seine Unterstützung und die der Franzosen für das libanesische Volk aus. Der heutige Libanon war früher Teil des französischen Mandatsgebiets im Nahen Osten, die beiden Länder haben immer noch eine enge Beziehung.

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Auch Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle "medizinische humanitäre Hilfe" an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Spekulationen, dass Israel hinter der Explosion stecken könnte, räumte Außenminister Gabi Aschkenasi aus.

Trump spricht von einem Anschlag

Auch US-Präsident Trump wurde über die Situation unterrichtet. Die US-Regierung beobachte die Entwicklung genau und stehe bereit, das libanesische Volk zu unterstützen, sich von der Tragödie zu erholen, erklärte US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag (Ortszeit). Er sprach allen von der "massiven Explosion" Betroffenen sein tiefstes Mitleid aus. Ihm sei von den beträchtlichen Schäden berichtet worden. Der Vorfall stelle eine "zusätzliche Herausforderung in einer Zeit der ohnehin tiefen Krise" dar, erklärte Pompeo.

Trump selbst sprach von einem Anschlag. Seine "Generäle" gingen angesichts der Art der Explosion davon aus, dass es sich um eine Art Bombe gehandelt haben müsse, sagte Trump am Dienstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus. Die USA "stehen bereit, dem Libanon zu helfen", sagte Trump.

Auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon (UNIFIL) wurde beschädigt. Mehrere Blauhelm-Marinesoldaten seien verletzt worden, einige von ihnen schwer teilte die Mission mit. "Zu diesem Zeitpunkt sind unsere Gedanken bei den Menschen im Libanon", sagte ein UN-Sprecher in New York kurz nach dem Vorfall.

Spannungen wegen Wirtschaftskrise

Wegen der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise im Libanon gibt es in dem Mittelmeerstaat derzeit erhebliche Spannungen. Am Dienstag hatten Demonstranten versucht, nach wochenlangen massiven Stromausfällen das Energieministerium in Beirut zu stürmen.

Wenige Kilometer vom Ort der Explosion entfernt waren 2005 der damalige libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri und 21 weitere Menschen bei einem Sprengstoffanschlag getötet worden. Die Residenz seines Sohnes, der frühere Ministerpräsident Saad Hariri, wurde bei der Explosion am Dienstag beschädigt.

An diesem Freitag will das UN-Libanon-Sondertribunal in Den Haag sein Urteil gegen vier Angeklagte in dem Fall von 2005 verkünden. Viele im Libanon machen die Führung des Nachbarlandes Syrien für den Anschlag auf Hariri verantwortlich. Er hatte vor seinem Tod den Abzug der damals im Libanon stationierten syrischen Truppen verlangt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
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