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Astronaut Alexander Gerst fliegt auf die ISS – doch warum eigentlich?


Experimente und Führungsaufgaben
Was Alexander Gerst im Weltall machen wird

Von t-online, dpa, dru

Aktualisiert am 06.06.2018Lesedauer: 3 Min.
Alexander Gerst auf der ISS: Der Esa-Astronaut war 2014 schon einmal auf der Raumstation.Vergrößern des Bildes
Alexander Gerst auf der ISS: Der Esa-Astronaut war 2014 schon einmal auf der Raumstation. (Quelle: Nasa/dpa)

Am Mittwoch bricht Alexander Gerst zum zweiten Mal ins All auf. 188 Tage lang wird er auf der ISS leben und forschen und ab Herbst sogar das Kommando übernehmen. Was ihn auf seiner Mission erwartet.

Es ist seine zweite Mission im All und seine bislang längste. Am 6. Juni bricht Alexander Gerst für 188 Tage zur Raumstation ISS auf. Als erster Deutscher darf er ab Herbst sogar das Kommando auf dem "Außenposten der Menschheit" übernehmen, der 400 Kilometer über der Erde seine Bahnen zieht.

Ein halbes Jahr lang soll Deutschlands Mann im All für die Mission "Horizons" (Horizonte) in der Schwerelosigkeit leben und forschen. Zahlreiche Experimente warten in den Labormodulen der ISS auf ihn. Mehr als 50 Versuche sollen Erkenntnisse für die Menschen auf der Erde bringen und die Erkundung des Weltraums antreiben.

Mit Gerst fliegt auch ein neu entwickeltes Echtzeitmikroskop in 3D namens "Flumias" nach oben. Es ist so klein wie ein Schuhkarton und ermöglicht es, dynamische Zellprozesse zu beobachten – die Entwicklung von menschlichen Immunzellen an Bord. Ebenfalls spannend: Versuche zur Lungengesundheit am Boden und im Weltraum und zur Erforschung von Muskelschwund.

Ein Experiment – physikalische Grundlagenforschung – testet Sand und Granulate unter Schwerelosigkeit und soll wichtige Hinweise für die Industrie und zur Energie-Einsparung bringen. Ein Forschungsprojekt befasst sich mit der Auswirkung von Stress auf das Immunsystem. Es soll der allgemeinen Bevölkerung nutzen, aber auch den angestrebten Langzeitmissionen zu Mond oder Mars.

Forschungsarbeit wird in Bayern koordiniert

Die Forschungsarbeit von Gerst und seinen Astronauten-Kollegen im europäischen Labormodul Columbus wird auf der Erde vom Kontrollzentrum im oberbayerischen Oberpfaffenhofen koordiniert. 40 Techniker und Wissenschaftler sorgen dafür, dass alles in Ordnung ist. Auf Dutzenden Bildschirmen und über drei riesige Leinwände verfolgen drei Teams, was im Columbus-Labor geschieht, überwachen Stromverbrauch, Atemluft und Raumtemperatur.

Die Arbeitstage auf der ISS sind eng getaktet und lang. Die Mitarbeiter in Oberpfaffenhofen planen, welche Experimente wann laufen "Der Stundenplan ist vollgepackt mit Aktivitäten. Es ist ein Puzzlespiel", sagt Berti Brigitte Meisinger, die für die Esa im Columbus-Kontrollzentrum sitzt.

Experimente wurden schon im Vorfeld trainiert

Erfahrungsgemäß lassen sich Gerst zufolge rund 300 Experimente binnen sechs Monaten auf der ISS durchführen. Nicht alle sind neu. Bei gut der Hälfte setzen neu ankommende Astronauten die Versuchsreihen für scheidende Kollegen fort.

Damit oben jeder Handgriff klappt, hat Gerst die Versuche auf der Erde schon einmal durchgespielt. Auch im Kontrollzentrum hat das Team die Abläufe trainiert. Braucht Gerst mal Hilfe, kann er sich per Mail oder Telefon bei den Kollegen melden. "Wir haben immer auch die Wissenschaftler dabei, die die Experimente in Auftrag gegeben haben", sagt Marius Bach vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Zur Unterstützung bei der Forschungsarbeit hat "Astro_Alex" diesmal einen neuen Partner an seiner Seite. Er heißt Cimon, ist so groß wie ein Medizinball und reagiert auf die Befehle des deutschen Astronauten. Der kleine Roboter mit Gesicht soll Gerst bei Reparaturen helfen, Experimente dokumentieren oder auch als Gesprächs- und Trainingspartner fungieren. "Er soll ihm wie in einem Science-Fiction-Film hinterherfliegen und bei der Arbeit helfen", sagt Andreas Schön von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa.

Hilfe von der Erde in schwierigen Momenten

Geht mal was schief, wird die Unterstützung von den Kollegen auf der Erde besonders wichtig. Bei Gersts erster ISS-Mission vor vier Jahren war gleich eine Reparatur nötig. Gerst sollte einen Schmelzofen in Betrieb nehmen, in dem Metallproben mittels elektromagnetischer Felder berührungslos erstarren. Doch ein Bolzen war gebrochen und sollte abgesägt werden. Auf der Erde einfach – in der Schwerelosigkeit aber wären die Metall-Späne in der Atemluft zur Gefahr geworden.

Die Mitarbeiter am Boden tüftelten die Lösung aus: Rasierschaum. Um den Bolzen gesprüht sollten die Späne darin hängen bleiben. Gerst nahm die Säge zur Hand – und es klappte.

Gersts Aufgaben als Chef an Bord

Ab Oktober aber wird die Forschungsarbeit in den Hintergrund rücken. Dann muss sich Gerst um die ganze Station kümmern – als erster deutscher und erst zweiter europäischer Kommandant der ISS überhaupt.

Als Chef an Bord koordiniert er Wartungsarbeiten und setzt die Vorgaben des Flugdirektors um, der im US-amerikanischen Houston in Texas sitzt. Zugleich organisiert er die Mannschaft. Laut ISS-Verhaltenscodex muss er dabei "eine harmonische und gefestigte Beziehung zwischen den ISS-Crewmitgliedern aufrechterhalten".

Auch die Sicherheit an Bord liegt dann in Gersts Zuständigkeit. Sollte tatsächlich mal ein Crew-Mitglied ausrasten und zur Gefahr für die Kollegen werden, schließt der Verhaltenskodex Gewalt als ultima ratio nicht explizit aus. In ihren Protokollen sprechen die Verfasser des Kodex für "Fälle, in denen es nötig ist, um die unmittelbare Sicherheit der Crew-Mitglieder der ISS zu gewährleisten", dem ISS-Kommandeur die "Nutzung physischer Gewalt oder Zwang" als "verhältnismäßige und notwendige Mittel" zu.

Verwendete Quellen
  • dpaEigene Recherchen
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