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Costa-Concordia-Unfall: Kapitän Schettino verplappert sich am Telefon


Panorama
"Die sind mir auf den Sack gegangen"

Von t-online, afp, dpa
27.01.2012Lesedauer: 3 Min.
"Concordia"-Kapitän Schettino: In der Untersuchungshaft abgehörtVergrößern des Bildes
"Concordia"-Kapitän Schettino: In der Untersuchungshaft abgehört (Quelle: Reuters-bilder)
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Der schwer beschuldigte und unter Hausarrest stehende Kapitän der "Costa Concordia" sorgt für neue Schlagzeilen. In einem Telefonat, das er aus der Untersuchungshaft heraus geführt hat und das abgehört wurde, legt Francesco Schettino seine eigene Sicht auf die Dinge dar. Unterdessen ist das dritte deutsche Todesopfer identifiziert worden.

Laut "La Repubblica" sagte Schettino am Telefon, die Verbeugung genannte nähere Route an die Insel Giglio heran habe ein "Manager" nachdrücklich von ihm verlangt. "Ein anderer an meiner Stelle wäre nicht so gnädig gewesen, dort längs zu fahren, damit sind sie mir auf den Sack gegangen", habe er berichtet. Unklar ist, um wen es sich handelt. Schettino hatte die Reederei Costa Crociere bereits vorher beschuldigt, ein riskantes Heranfahren aus Werbezwecken gefordert zu haben.

"Ich habe mich heruntergestürzt"

Nach dem Unglück am Freitag vor einer Woche hatte der 52 Jahre alte Schettino den Ermittlern gesagt, er sei versehentlich in ein Rettungsboot gefallen. In dem jetzt veröffentlichten Telefongespräch erzählt Schettino einem Freund allerdings eine andere Geschichte: "Als ich gesehen habe, dass sich das Schiff neigte, habe ich mich heruntergestürzt", gibt die Turiner "La Stampa" einen Teil des Gesprächs wieder.

"Focus" schreibt, ein aufgewühlter Schettino habe in der Untersuchungshaft stundenlang mit seinem Handy telefoniert, und zwar ohne zu wissen, dass der Raum verwanzt war. Der Kapitän, der nur wenige Stunden zuvor sein Schiff auf einen Felsen gesetzt hatte, sprach mit Verwandten, Freunden, Bekannten - in tiefstem Neapoletanisch. Die Carabinieri sollen sogar einen Übersetzer bemüht haben, um Schettinos Wortschwälle zu entschlüsseln.

Fotograf erhebt schwere Vorwürfe

Der Fotograf Roberto Cappello will persönlich miterlebt haben, wie ein anderes Costa-Schiff bereits 2005 ebenfalls möglicherweise einen Felsen rammte. Diese Geschichte sei jedoch damals vertuscht worden, sagte er dem britischen "Independent". Die Reederei habe die Kapitäne geradezu ermutigt, auch nahe an der Küste vor Sorrento und Capri vorbeizufahren. Er sei damals offiziell angestellt gewesen, um Bilder von Touristen auf der "Costa Fortuna" zu machen, sagte Cappello. Am Abend des 24. April hätte es einen Stoß und einen lauten Knall gegeben. Das Schiff sei nur etwa 200 Meter von der Küste entfernt gewesen. Das Schiff hätte geschwankt und wäre dann Schlangenlinien gefahren. Er sei aus der Kabine gerannt und hätte überall gesehen, wie Teller von den Tischen rutschten.

Die offizielle Erklärung lautete, das Schiff habe einen Wal gerammt. Doch Cappello glaubt das nicht. Er sei im Schiffskiel gewesen und habe einen armbreiten, zehn Meter langen Riss gesehen und fotografiert. Auch die Schiffschraube sei kaputt gewesen. Das Schiff konnte die Fahrt nach Palermo aber sicher fortsetzen. Costa Crociere hätte ihn jedoch unter Druck gesetzt, er habe alle Fotos aushändigen müssen.

Drei deutsche Todesopfer identifiziert

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) sind mittlerweile insgesamt drei deutsche Todesopfer identifiziert. Die Zahl der vermissten Deutschen liege nun bei neun, sagte eine AA-Sprecherin. Zur genauen Herkunft der Opfer machte sie keine Angaben. Unter den drei Toten sei auch das bereits von den italienischen Behörden gemeldete deutsche Opfer.

Nach einer Unterbrechung wegen schlechten Wetters geht die Suche nach Vermissten auf dem gekenterten Kreuzfahrtschiff weiter. Marine-Taucher sprengten sich am Morgen einen noch größeren Zugang zu dem dritten Deck des havarierten Schiffes frei, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Noch immer werden mehr als 20 Menschen vermisst. Gleichzeitig wird vor der toskanischen Insel Giglio das Abpumpen von etwa 2300 Tonnen Treibstoff vorbereitet, das am Wochenende beginnen soll.

Die Taucher räumten in dem Schiff einige schwere Hindernisse aus dem Weg, um die Suche zu erleichtern. Starker Wind und der Seegang gefährdeten die Sicherheit der Einsatzkräfte, hatte der Einsatzleiter die Unterbrechung der Suche am Vorabend begründet. Auch am Mittwoch ließen es die Wetterbedingungen erst später wieder zu, sich dem auf der Seite liegenden Schiff zu nähern und zu suchen.

Schweröl wird nicht vor Samstag abgepumpt

Auf Giglio laufen die Vorarbeiten für das Abpumpen des Öls aus der "Costa Concordia" auf Hochtouren. Die Bergung des giftigen Schweröls aus den Tanks kann voraussichtlich nicht vor Samstag beginnen. Danach dürfte es rund vier Wochen dauern, bis die etwa 2300 Tonnen Öl aus den 17 Tanks entsorgt sind. Mit dem Beginn der Aktion soll rund um die Uhr gepumpt werden.

"Das Wetter ist immer ein unvorhersehbarer Faktor, aber Samstag ist realistisch", sagte Martiijn Schuttevaer, Sprecher der mit dem Abpumpen beauftragten niederländischen Bergungsfirma Smit. In diesen Tagen würden die 17 Tanks der "Costa Concordia" genau inspiziert und markiert, um dann mit dem Bohren von Löchern im Schiff und dem Abpumpen des Schweröls beginnen zu können, erläuterte Schuttevaer.




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