Panorama Auch Deutschland rät: Billig-Brustimplantate entfernen
Berlin/Bonn (dpa) - Im Skandal um Billig-Brustimplantate aus Frankreich rät nun auch Deutschland, die Silikonkissen herausoperieren zu lassen. Auch ohne Risse könnte gesundheitsgefährdendes Silikon austreten.
Dies teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am Freitag in Bonn mit. Das hätten immer mehr Mitteilungen von Ärzten, Fachgesellschaften und Kliniken gezeigt. Frankreich und Tschechien haben bereits aufgerufen, die Implantate entfernen zu lassen. Ein Zusammenhang zwischen den Implantaten und Krebs wird befürchtet, bewiesen ist er aber nicht.
Wie viele Frauen in Deutschland diese Empfehlung betrifft, ist nach Angaben des BfArM unklar. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme. In Deutschland wurden bislang 19 Fälle von gerissenen Implantaten bekannt, aber im Gegensatz zu Frankreich keine Krebserkrankungen. Die Bundesländer sammelten zurzeit die Daten, sagte ein Sprecher. Weltweit sollen zwischen 400 000 und 500 000 Frauen mit minderwertigen Silikonkissen der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) operiert worden sein.
Die Vermarktung, den Vertrieb und die weitere Verwendung der Brustimplantate hatte Frankreich PIP bereits im April 2010 europaweit untersagt. Das BfArM hatte schon damals Ärzte in Deutschland aufgefordert, sich zu melden und Frauen mit diesen Implantaten anzusprechen.
"Wie dringend eine Entnahme im Einzelfall ist, hängt wesentlich davon ab, wie lange die Patientin das Implantat bereits trägt", sagte der Präsident des BfArM, Walter Schwerdtfeger, laut Mitteilung. Dies sollte vor jeder Operation mit dem Arzt besprochen werden. Das BfArM gehört zum Bundesministerium für Gesundheit.
Bislang hatte das Bundesamt empfohlen, dass sich betroffene Patientinnen auf mögliche Rissbildungen der Implantate untersuchen lassen sollten. Nach immer mehr Mitteilungen von Experten in den vergangenen Tagen komme man zu dem Schluss, "dass Silikon auch aus solchen Implantaten vermehrt und im Zeitverlauf zunehmend austreten ("ausschwitzen") kann, bei denen keine Rissbildung vorliegt".
Das BfArM rief Ärzte und Kliniken eindringlich auf, Schadensfälle aus ihrer Praxis zu melden. Nur auf dieser Basis könne das BfArM Maßnahmen zur Risikominimierung treffen.
Tschechiens Gesundheitsministerium empfahl am Freitag, die PIP-Brustimplantate entfernen zu lassen. In Tschechien tragen rund 3000 Patientinnen die minderwertigen Silikon-Einlagen.
In Großbritannien, wo bis zu 40 000 Frauen die Implantate erhalten haben sollen, gab die Regierung keine Empfehlung zur Entfernung. Es gebe keine Beweise für eine Gesundheitsgefährdung. Jedoch werde die staatliche Krankenversicherung NHS Patientinnen die Operation bezahlen, wenn sie sich dazu entschließen. NHS hatte fünf Prozent der Fälle finanziert.
In dem Skandal muss sich demnächst der TÜV Rheinland vor Gericht verantworten. "Es gibt einen Termin am 2. Februar vor dem Handelsgericht in Toulon", sagte ein TÜV-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. "Wir werden dort unsere Position darlegen: Wir halten die Klage für unzulässig und substanzlos."
Ein Anwalt klagt nach Angaben des Magazins "Focus" im Auftrag von drei Unternehmen, die Implantate der Firma PIP vertrieben haben. Der TÜV Rheinland war lange Zeit für die Zertifizierung der Silikon-Implantate zuständig. PIP-Gründer Jean-Claude Mas gab eine bewusste Täuschung des TÜV zu.
Nach Angaben von Mas enthielten nur 25 Prozent der hergestellten Implantate das zugelassene Silikongel Nusil. 75 Prozent seien mit nicht zugelassenem Gel aus Eigenproduktion gefüllt worden. Bereits von 1993 an habe er in seinem Unternehmen den Auftrag ausgegeben, die Wahrheit vor dem TÜV zu vertuschen, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Ermittler.
Der Anwalt der drei Vertriebsunternehmen, Olivier Aumaitre, sagte "Focus": "Entweder hat sich der TÜV strafbar gemacht, indem er nicht kontrollierte, woraus die Implantate in Wahrheit bestanden, oder er hat seine Arbeit irgendwie gemacht, aber nicht korrekt."
Der TÜV Rheinland hat seinerseits im vergangenen Februar in Marseille Strafanzeige gegen PIP erstattet. "Wir wurden von PIP getäuscht, da bei den Kontrollen unserer Experten vor Ort das zugelassene Silikon und die korrekten Dokumente präsentiert wurden", sagte der TÜV-Sprecher. PIP habe dann Änderungen an der Silikonfüllung vorgenommen, ohne den TÜV zu informieren.
Der TÜV Rheinland war nach eigenen Angaben nicht für eine Produktprüfung der Implantate zuständig, sondern für eine Prüfung der Produktunterlagen sowie des Qualitätsmanagement-Systems des Herstellers.