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Nachruf auf Franziskus: Ein Mensch, der Papst war – mit dunklen Kapiteln


Zum Tod von Franziskus
Der fehlbare Papst

MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 21.04.2025 - 11:51 UhrLesedauer: 4 Min.
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Franziskus 2015 bei einem Besuch in Manila (Archivbild): Das Oberhaupt der katholischen Kirche ist am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorben. (Quelle: Lisa Maree Williams/getty-images-bilder)
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Franziskus wirkte heiter und sogar im Amt mit sich versöhnt. Die Kirche wünschte er sich offen für Neues, aber das Beharrungsvermögen einer 2.000 Jahre alten Geschichte konnte er nicht überwinden. Einige dunkle Kapitel in seiner Biografie hingen ihm nach.

Jorge Mario Bergoglio, der sich Franziskus nannte, war ein Mensch in einer Organisation, die ohne Machtdenken, Zynismus und Kälte nicht mehr als 2.000 Jahre überlebt hätte. Er verstand sich als Reformer seiner Kirche, das schon. Aber seine Ideen waren nicht die Ideen der Gralshüter des Bestehenden, seine Vorstellungen entsprachen nicht den Vorstellungen der Lordsiegelbewahrer der reinen Lehre.

Vielleicht muss man sich diesen Papst als einen Menschen vorstellen, der sich sein Seelenheil bewahrte, obwohl er Gefangener eines Systems war, das wenig Rücksicht auf Menschen nimmt und stattdessen die Organisation bedingungslos schützt. Öffnung in kleinem Maße, mehr Zugeständnisse gibt es nicht. Eucharistie für Geschiedene, okay. Zugehen auf LGBT auch, aber Vorsicht! Frauen als Priesterinnen kommen keinesfalls in Betracht.

Wurde Franziskus mit der Zeit konservativer?

In seiner letzten Zeit nahm entweder sein Elan ab, was man in diesem hohem Alter verstehen kann, oder er selbst wurde konservativer. Der eigene synodale Weg der deutschen Katholiken fand jedenfalls sein Missfallen. Das galt sowohl für die systematische Untersuchung der Missbrauchsfälle in der Kirche als auch für die Verkündung des Evangeliums durch Laien.

Video | Papst Franziskus ist tot – So krank war er in den vergangenen Wochen
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Quelle: t-online

In Dostojewskis "Die Brüder Karamasow" steht die Legende vom Großinquisitor, einem steinalten Mann in Sevilla, der serienweise Ketzer auf den Scheiterhaufen werfen lässt. Eines schönen Tages erscheint Jesus Christus. Er geht tagsüber in den Straßen umher, wird erkannt, die Stadt ist in Aufruhr, der Gottessohn wandelt wieder auf Erden. Der Großinquisitor lässt ihn verhaften und hält ihm eine lange Predigt: Er habe es sich leicht gemacht, er habe an das Gute im Menschen appelliert, aber der Mensch sei nicht so stark und gut, wie Christus behauptet, er sei schwach, verlange nach Führung und Stärke. All das gibt ihm die Kirche, und sie nimmt ihm auch die Bürde des Selbstglaubens und der Selbstbestimmung ab. Sie sagt ihm, wie er zu denken und zu handeln hat. Und diese Choreografie, diese eingespielte Ordnung bringt Christus fatal durcheinander, und deshalb wird er am frühen Morgen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, und das Volk wird ihm zujubeln – dem Großinquisitor.

Der Papst nannte sich nach Franz von Assisi

Eine Kirche, die 2.000 Jahre Bestand hat, lässt sich die Ordnung nicht durch einen Papst dauerhaft stören, auch wenn er noch so viel Energie für Veränderung aufbringen mag. So viel ist klar. Johannes Paul II., der polnische Papst, lebte in vollem Einverständnis mit seiner konservativen Kirche. Karl Ratzinger, der sich Benedikt XVI. nannte, war der Intellektuelle auf dem Thron, der den Status quo theologisch aufs Feinsinnigste begründete.

Franziskus strahlte Freude aus, Heiterkeit. Soweit ein Papst Spaß am Leben haben kann, schien er Spaß zu haben und im Einklang mit sich zu sein. So frohgemut trat er auf, wenn er den Segen Urbi et orbi spendete. So jovial und frohsinnig gab er sich, wenn er Besucher und Besucherinnen empfing. Man stellte ihn sich gerne als jemanden vor, der liberaler dachte als seine Kirche, als einen Mann, der Großzügigkeit der Engherzigkeit vorzog. Ein Mensch eben im Papst-Ornat.

Er nannte sich nach Franz von Assisi, den Sohn aus reichem Haus, der sein Erbe, sein Geld und seine Kleidung weggab und einen Orden gründete, der sich um die Armen kümmerte. Mit Vergleichen über mehr als 800 Jahre hinweg soll man vorsichtig sein, aber Jorge Mario Bergoglio bewegte sich ebenfalls erstaunlich lange in der diesseitigen Welt. Er übte triviale Berufe wie Türsteher und Hausmeister aus, ließ sich dann zum Chemietechniker ausbilden und arbeitete in einem Labor.

Es gibt verstörende Phasen in Franziskus` Biografie

Eine Krankheit, wie bei Franz von Assisi, löste eine innere Krise aus, die in eine fundamentale Lebensveränderung mündete. Als Folge trat er den Jesuiten bei und ließ sich 1969, da war er 33 Jahre alt, zum Priester weihen.

Wer zu Zeiten der Militärdiktatur in Argentinien eine nicht ganz unbedeutende Stellung einnahm, konnte wohl gar nicht unschuldig bleiben. Es hing Franziskus an, dass er zwei Jesuiten, die er in die Armenviertel geschickt hatte, den Schutz entzog, woraufhin die beiden von der Junta verhaftet und aufs Schlimmste gefoltert wurden. Schlimmer noch: Er war Mitglied der "Eisernen Garde" war, die für die Rückkehr von Juan Perón putschen wollte – für Perón, der eine Vorliebe für Hitler gehabt hatte und 1946 mit Unterstützung emigrierter Nazis erstmals Präsident geworden war. Kein Ruhmesblatt. Es gibt verstörende Phasen in Franziskus' Biografie, die so gar nicht zum Bild des freundlichen, wohlwollenden, entspannten Papstes passen.

Aber Menschen ändern sich ja, wenn sich die Zeiten ändern. Natürlich wüsste man gerne, wie Franziskus später über sein damaliges Verhalten dachte. Umgekehrt ist es mehr als fraglich, ob er Papst geworden wäre, wenn er sich gegen die Generäle gestellt und die Befreiungstheologie befürwortet hätte.

Franziskus wünschte sich seine Kirche wohl ein wenig anders

Zuerst und zuletzt war Franziskus eben ein Diener seiner Kirche, die er sich ein bisschen anders gewünscht hätte, eben menschlicher, mehr wollte er vielleicht gar nicht. Den Gott, von dem er sprach, stellte er als barmherzig vor, als nachsichtig, nicht eisern und unversöhnlich wie im Alten Testament.

Ihm wollte er schlicht gegenübertreten – in einem einfachen Holzsarg anstelle von drei ineinander passenden Särgen aus Zypresse, Blei und Eiche. Seine letzte Ruhestätte, so wies er an, soll nicht in der Grotte unterhalb des Petersdoms liegen, sondern in der Basilika Santa Maria Maggiore.

Noch einmal spendete er am Ostersonntag seinen Segen urbi et orbi. Da wirkte er schon schwach und hinfällig, kein Wunder, nach so langer Krankheit. Diesen Kraftakt verlangte er sich noch ab, dann war es genug.

Als Franziskus der Tod nahekam, hat er da auf einen verzeihenden Gott gehofft? Man wünscht es ihm, auch wenn die Hoffnung trügerisch gewesen sein sollte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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