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Jüdische Studierende nach Gewalt gegen Shapira: "Es war eine Frage der Zeit"


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Übergriff auf jüdischen Studenten
"Es war eine Frage der Zeit"

InterviewVon Simone Rafael

Aktualisiert am 06.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD) Hanna Veiler bei einer Fridays for Israel Demonstration vor der Freien Universität in Berlin (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Wie reagiert die deutsche Gesellschaft auf den Übergriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira durch einen pro-palästinensischen Kommilitonen?

In Berlin ist ein jüdischer Student, Lahav Shapira, von einem Mitstudenten krankenhausreif geschlagen worden. Mutmaßlich ging es bei der Tat um Shapiras Engagement für die Rückkehr der israelischen Geiseln der Hamas. Die Polizei ermittelt die Tatmotivation noch. Die Freie Universität prüft, ob sie den Tatverdächtigen mit einem Hausverbot belegen kann.

Dies fordert unter anderem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sollten sich die Anhaltspunkte für ein antisemitisches Motiv verhärten. Berlins Bürgermeister Kai Wegner ließ die Universitätsleitung wissen, dass er ein konsequentes Vorgehen gegen Antisemitismus erwarte.

Ob das genug ist und was jüdische Studierende derzeit in Deutschland erleben, haben wir Hanna Veiler gefragt, die Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD).

t-online: Frau Veiler, in welchem Umfeld ereignete sich der Angriff auf Lahav Shapira? Was erleben jüdische Studierende in Deutschland derzeit?

Hanna Veiler: Als die Nachricht bekannt wurde, war unter den jüdischen Studierenden in Deutschland wohl kaum eine Person schockiert. Es ist genau das, was uns seit Monaten angekündigt wird: Dass den Worten auch Taten folgen. Es war nur eine Frage der Zeit.

Sie haben Gewalttaten erwartet?

Jüdische Studierende lesen es in Whatsapp-Chatgruppen mit ihren Kommilitonen, auf Plakaten auf dem Campus, sehen, wie der Angriff der Hamas in der Universität verhandelt wird: Immer wieder wird Gewalt gegen Jüdinnen und Juden gutgeheißen und als vermeintliche Kritik an Israel verkauft. Da wird diskutiert, ob das Massaker der Hamas gerechtfertigt sei, ob gewalttätiger "Widerstand" durch die Terrororganisation nicht doch legitim sei.

In Heidelberg sind personalisierte Plakate aufgehängt worden, um die Ermordung israelischer Soldaten zu feiern. In Berlin heißt es aus pro-palästinensischen Studierendengruppen: "Globalize Intifada – von Dahlem bis nach Gaza." Gemeint ist Gewalt gegen Israel, die nicht nur in Gaza ausgeübt werden soll, sondern weltweit. Als Beispiel ist Berlin-Dahlem genannt, wo die Freie Universität ihren Sitz hat. Wie sollen jüdische Studierende das anders verstehen als als Drohungen, dass sie nicht mehr sicher sein können in Deutschland? Und nun ist es zu körperlicher Gewalt gekommen.

Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion in Deutschland (JSUD): "Antisemitismus ist nichts Jüdisches."
(Quelle: Irina Fuchs/Wikipedia)

Zur Person

Hanna Veiler ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD). Sie wurde 1998 in Belarus geboren und zog mit sieben Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland.

Und diese Debatten gab es an den Universitäten bisher ohne große Konsequenzen?

Die Universitäten sprechen viel von der Wissenschaftsfreiheit und vom offenen Diskurs, den sie pflegen wollen. Leider gehört das Hinterfragen des eigenen Antisemitismus offenbar nicht zu diesem Diskurs. An den Universitäten wird die Welt leider weiterhin oft dogmatisch und binär unterteilt. Als gäbe es immer nur Gute und Böse, Unterdrückte und Unterdrücker, aber keine komplexe Realität.

Besonders erschreckend finde ich dabei aber die Entmenschlichung derjenigen, die eine andere Meinung vertreten. Selbst jetzt, nach diesem gewalttätigen Übergriff, sehen wir das: Es wird verharmlosend berichtet, dass es nur ein Streit zwischen zwei Studenten gewesen sei. Auf Social Media häufen sich jetzt die Kommentare, das Opfer habe es bestimmt verdient, krankenhausreif geschlagen zu werden. Ähnlich wie nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober, als es auch hieß, die Zivilisten hätten es bestimmt verdient, dass sie ermordet, gequält oder entführt werden. Es ist erschreckend.

Der Tatverdächtige soll selbst Student an der Freien Universität in Berlin-Dahlem gewesen sein. Wenn sich der Verdacht erhärtet, hat die Leitung der Freien Universität nun ein Hausverbot angekündigt. Ist das eine angemessene Reaktion?

Es ist das absolute Minimum. Als Organisation, die sich für junge jüdische Interessen einsetzt, haben wir ein Ziel: die Sicherheit der jüdischen Studierenden in Berlin. Die ist nicht gegeben, wenn Gewalttäter oder antisemitische Straftäter an den Universitäten ein und aus gehen dürfen. Ein junger jüdischer Mensch sollte sich an einer Universität in Deutschland um sein Studium kümmern, lernen können – und sich nicht sorgen müssen, ob er an der Universität angegriffen wird. Deshalb sollten Gewalttäter exmatrikuliert werden, und ebenso die Anführer von radikalisierten Gruppen, die zur Gewalt gegen Jüdinnen und Juden aufrufen.

Was wünschen Sie sich darüber hinaus von Universitätsleitungen?

Sie müssen den Antisemitismus in ihren Universitäten ernst nehmen und Verantwortung übernehmen. Wenn etwa Menschen, die zu Gewalt aufrufen, ihre Hörsäle besetzen, müssen die Universitätsleitungen das Hausrecht schnell geltend machen, nicht erst nach Stunden. Sie müssen Grenzen setzen, was sie in Universitätskontexten tolerieren. Antisemitische, antidemokratische und extremistische Gruppen sollten auf dem Campus verboten werden. Sie sollten dort nicht agitieren oder sich organisieren dürfen. Das haben wir allerdings bereits nach antisemitischen Aktionen im Dezember gefordert, seitdem ist nicht genug passiert.

Frau Veiler, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Hanna Veiler
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