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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rechtsterrorist verklagt den Staat Juristin: "Breivik erlebt besonders humane Bedingungen"
Über zwölf Jahre nach seinem Terroranschlag fühlt sich Anders Breivik in seinen Menschenrechten verletzt. Im Interview mit t-online gibt Juristin Federica Coppola einen Überblick über die Rechtslage.
Der rechtsextreme, verurteilte Massenmörder Andres Behring Breivik hat den norwegischen Staat wegen seiner Abschottung von anderen Häftlingen in den vergangenen zwölf Jahren verklagt. Er argumentiert, dass seine Isolationshaft gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Die Behandlung sei "unmenschlich" und "erniedrigend".
Breivik ist nach Ansicht des norwegischen Staats gewaltbereit: Seine Ideologie und Neigung zu Gewalt bestehen fort, was ihn zu einer Gefahr mache. Er hatte 2011 acht Menschen in Oslo getötet und auf der Insel Utöya 69 weitere erschossen. Danach wurde er zu 21 Jahren Haft mit Sicherheitsverwahrung verurteilt. Im Jahr 2022 wurde Breiviks Antrag auf vorzeitige Haftentlassung abgelehnt.
Berichten zufolge hat Breivik im Gefängnis Zugang zu mehreren Zimmern auf zwei Etagen. Darunter auch ein Fitnessraum und Spielekonsolen. Doch wie zumutbar sind die Zustände für Breivik wirklich? t-online hat bei Rechtswissenschaftlerin Federica Coppola nachgefragt.
t-online: Frau Prof. Coppola, über Breiviks Haftbedingungen wird berichtet, dass er Zugang zu einer Wohnung, einem Fitnessstudio und Haustieren habe. Wäre das in Deutschland auch möglich?
Federica Coppola: Wäre Breivik in Deutschland inhaftiert, würde er höchstwahrscheinlich in einer Hochsicherheitsanstalt untergebracht, ähnlich wie in Norwegen. Die Bedingungen wie Zugang zu diesen Annehmlichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, sind in deutschen Hochsicherheitsgefängnissen nicht üblich. Mir ist kein deutsches Hochsicherheitsgefängnis mit vergleichbarer Ausstattung für einen solchen Täter bekannt. Dies liegt an der unterschiedlichen Philosophie des Strafsystems. In Norwegen ist es stark auf Sicherheit und Rehabilitation fokussiert und versucht, eine lebensnahe Umgebung zu schaffen.
Stellen die aktuellen Haftbedingungen von Breivik ein "unmenschliches Verhalten" des Staates dar, wie er behauptet?
Breivik erlebt besonders humane Bedingungen. Aber es ist wichtig zu beachten, dass er vom Rest der Häftlinge isoliert ist und keinen Kontakt zur Außenwelt hat.
Ist Breiviks Langzeit-Einzelhaft mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar?
Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen. Der Straßburger Gerichtshof beurteilt die Einzelhaft im Rahmen der Konvention von Fall zu Fall. In einem aktuellen Fall hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Einzelhaft unabhängig von den materiellen Bedingungen ein grundlegendes Risiko für psychische Schäden birgt. Vor diesem Hintergrund könnte auch der Fall Breivik neu bewertet werden, immerhin sitzt er seit 12 Jahren in Isolationshaft. Dies könnte insbesondere der Fall sein, wenn eine schwere Depression und Suizidgefahr bestätigt werden würden.
Breiviks Verteidigung argumentiert genau in diese Richtung und sagt, dass er selbstmordgefährdet sei.
Inhaftierte Personen, einschließlich Hochrisikotäter wie Breivik, werden gemäß internationalen Standards regelmäßig psychologisch und psychiatrisch untersucht. Bei Behauptungen von Suizidgefahr müssen aber medizinische Gutachten vorliegen. Die Gefängnisverwaltung führt in solchen Fällen individuelle Risikobewertungen durch. Da werden Faktoren wie Fluchtrisiko, Bedrohungspotenzial und psychische Gesundheit berücksichtigt. Hochrisikohäftlinge unterliegen besonderen Haftbedingungen, aber auch diese müssen sich im Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Menschenrechten bewegen.
Welche Rolle spielt die öffentliche Sicherheit bei den Haftbedingungen von Breivik und anderen Schwerverbrechern?
Öffentliche Sicherheit ist ein Hauptziel von Bestrafung und Inhaftierung. Dabei sollen die Strafen der Schwere des Verbrechens entsprechen. In Europa wird dies durch das Prinzip der sozialen Rehabilitation ergänzt, diese gibt den Tätern Chance auf Veränderung und Reintegration. Die Einzelhaft, wie im Fall Breivik, stellt in komplexen Fällen manchmal die einzige Option dar, wobei stets abzuwägen ist, inwieweit Sicherheitsbedürfnisse über individuellen Rechten stehen dürfen.
Zur Person
Federica Coppola ist Professorin für Strafrecht an der juristischen Fakultät der Universität IE in Madrid und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht.
- Interview mit der Juristin Federica Coppola
- Eigene Recherche