Bootsunglück vor Griechenland Europol soll ermitteln – Vorwürfe gegen Küstenwache
Nach dem tragischen Bootsunglück vor Griechenland wird die Suche nach Überlebenden wohl demnächst eingestellt. Derweil soll Europol nun eingeschaltet sein.
Nach der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit vermutlich mehreren Hundert Toten sollen jetzt internationale Ermittlungen den Ablauf klären. Die griechischen Behörden baten die europäische Polizeibehörde Europol um Unterstützung, wie die Tageszeitung "Kathimerini" (Samstag) berichtete. Vermutet wird, dass die tödliche Überfahrt aus Afrika nach Europa von einem international agierenden Schleuserring organisiert wurde. Neun mutmaßliche Schleuser aus Ägypten, die an Bord waren und überlebten, sollen am Montag der Staatsanwaltschaft vorgeführt werden.
Auf dem Meer – rund 50 Seemeilen südwestlich der Halbinsel Peloponnes – wurde unterdessen mit Booten und einem Hubschrauber weiterhin nach Vermissten gesucht. Schlechte Wetterbedingungen und starker Wind erschwerten die Arbeit jedoch. Die Suche dürfte bald eingestellt werden: Mehr als 72 Stunden nach dem Unglück gab es keine realistische Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden. Vermutlich sind mehr als 500 Menschen gestorben.
Das Mittelmeer ist an dieser Stelle mehr als 5.000 Meter tief. Der Unglücksort liegt genau über dem Calypsotief – die tiefste Stelle des Mittelmeers. Vermutlich wird das Meer für Hunderte Menschen zum ewigen Grab. Auch eine Bergung des Wracks ist sehr unwahrscheinlich, da sie sehr aufwendig und teuer wäre.
Mitglieder von Schleuserring festgenommen
Bei den neun Festgenommenen handelt es sich nach griechischen Medienberichten nicht um die Drahtzieher des Schleuserrings, aber um Helfer. Auf ihre Spur kamen die Behörden durch Aussagen anderer Überlebender des Unglücks von Mittwoch. Die Bande soll allein in den vergangenen Monaten bis zu 18 Fahrten übers Mittelmeer aus Libyen nach Italien organisiert haben.
Überlebende sagten aus, für die so tödlich endende Fahrt 5.000 bis 6.000 Euro pro Kopf gezahlt zu haben. Zeitungsberichten zufolge gab einer der Festgenommenen zu, Geld für Arbeiten an Bord erhalten zu haben. Die anderen stritten alle Vorwürfe ab.
In Athen arbeiteten Forensiker daran, die 78 geborgenen Todesopfer zu identifizieren. Es sei eine schwierige Aufgabe, sagte der Leiter der dortigen Gerichtsmedizin, Nikos Karakoukis. Kaum eines der Opfer habe Ausweispapiere an sich – und selbst wenn, müsse geprüft werden, ob diese echt seien. Ansonsten bleibe nur, die Merkmale der Toten akribisch zu dokumentieren.
Wie viel Schuld trägt die griechische Küstenwache?
Vorwürfe gab es gegen auch die griechische Küstenwache. Zunächst hieß es, die Beamten hätten nicht eingegriffen und damit dazu beigetragen, dass Hunderte der Migranten starben, als das Boot sank. Die Küstenwache wehrte sich: Man habe den Menschen an Bord mehrere Stunden vor dem Unglück ein Seil zugeworfen, um sie in Sicherheit zu bringen. Diese hätten das Seil jedoch zurückgeworfen, weil sie nicht nach Griechenland wollten, sondern nach Italien.
Einem Bericht des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zufolge soll die Küstenwache versucht haben, das überladene Schiff Richtung Italien zu schleppen. Dies sollen zehn Überlebende unabhängig voneinander so geschildert haben. Dabei soll das Schiff ins Wanken geraten und schließlich gesunken sein. Somit wäre die Unglücksursache ein illegales "Pushback" – ein Verfahren, bei dem Asylsuchende, die in der EU ankommen, von Grenzbehörden zurück über die EU-Außengrenze oder aufs offene Meer geschickt werden. Dies ist im Kontext des Verbots der Kollektivausweisung in der Europäischen Menschenrechtskonvention illegal. Mehr dazu können Sie hier lesen.
- Nachrichtenagentur dpa