Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Legalisierung von Cannabis "Wer zahlt, der darf kaufen"
Die Legalisierung von Cannabis ist umstritten. Dennoch wird sie sehr wahrscheinlich kommen. Ist das ein Grund zur Freude oder zur Sorge?
Am Freitag wird der Bundestag über das "Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis" abstimmen, im März soll es den Bundesrat passieren und zum 1. April 2024 in Kraft treten.
Damit könnte der Besitz von Rauschmitteln aus Cannabis wie Marihuana oder Haschisch als Genussmittel teilweise legalisiert werden – wie es bereits in vielen anderen Ländern weltweit der Fall ist. Das Gesetz ist umstritten. Wie sinnvoll ist die darin geregelte Legalisierung?
Wir brauchen einen anderen Umgang mit Drogen
In Deutschland soll Marihuana bald legal sein – gut so! Denn es geht dabei nicht nur um ein Freiheitsbedürfnis, sondern vor allem um Sicherheit. Cannabis wird in Deutschland mit oder ohne Legalisierung geraucht.
Studien zeigen, dass in Deutschland knapp ein Zehntel der erwachsenen Bevölkerung hin und wieder Marihuana konsumiert. Dabei ist die berauschende Pflanze gar nicht frei verkäuflich. Über das Internet, bei Dealern an Straßenecken oder in Diskotheken kann Cannabis aber meist ohne größere Hürden gekauft werden – für rund zehn Euro kann man sich mit einem Gramm des Krautes den Geist vernebeln. Doch genau hier liegt das Problem. Denn niemand kann kontrollieren, was am Ende wirklich in den Joint gerollt wird. Der Umsatz für den illegalen Cannabishandel in Deutschland wird für das Jahr 2024 auf über eine Milliarde Euro geschätzt – dabei wird der Preis für die heiße Ware über das Gewicht geregelt. Auf dem unkontrollierten Schwarzmarkt kommt es deshalb nicht selten vor, dass die Verkäufer ihre Produkte mit Haarspray oder Bleistaub schwerer machen, mit teilweise gravierenden gesundheitlichen Folgen. Eine Bleivergiftung kann im schlimmsten Fall zum Tod führen. Mit dem Verkauf von kontrollierten Cannabisprodukten würde man diese Gefahrenquelle ausmerzen.
Außerdem ist Cannabis heute bei Weitem nicht mehr das, was Menschen aus den Zeiten von Woodstock, Bob Marley und John Lennon kennen. In den 1980er-Jahren lag der Anteil der psychoaktiven Substanz THC zwischen zwei und fünf Prozent – heute sind Werte um die 20 Prozent keine Seltenheit. Das Problem: Man sieht dem Cannabis nicht an, wie stark es ist. Die Gefahren des Marihuana-Konsums steigen durch einen höheren THC-Gehalt drastisch. Obendrein weiß die Konsumentin vor dem Konsum nicht, wie stark die Dosis ist – was im schlimmsten Fall zu Psychosen und Angstzuständen führen kann. In einem legalen Fachgeschäft, wie in Spanien, den Niederlanden oder Portugal, ist der THC-Gehalt ausgeschrieben und Konsumenten können sich auf den Rat der Verkäufer verlassen. Außerdem kommen Konsumenten auf dem Schwarzmarkt ungewollt auch mit anderen, gefährlicheren Substanzen in Berührung – im Fachgeschäft ebenfalls undenkbar.
Ein viel bemühtes Argument der Legalisierungskritiker ist der Jugendschutz. Dass Cannabis eine Droge ist, die gerade bei Jugendlichen und Kindern schwere Schäden in der Entwicklung hervorrufen kann, ist ein Fakt. Aber auf dem Schwarzmarkt gibt es keinerlei Jugendschutz – wer zahlt, der darf kaufen. In legalen Verkaufsstellen kann der Jugendschutz hingegen gewährleistet werden. Natürlich können Volljährige die Drogen dann auf der Straße an Minderjährige weiterverkaufen, aber das passiert auch heute bereits. Nur eine Eindämmung des illegalen Handels kann hier zu einer Besserung führen. Die Legalisierung scheint ein guter erster Schritt zu sein.
In puncto Jugendschutz dürfen allerdings nicht dieselben Fehler gemacht werden, wie bei dem Verkauf von Alkohol oder Zigaretten. Eins der Hauptprobleme: die Werbung. Sie treibt nicht nur Jugendliche in die Sucht, wie Studien zeigen.
Lauterbachs Vorgehen mit Werbeverbot erscheint hier goldrichtig. Am Ende kann die Legalisierung eine gute Sache sein, die den Drogenkonsum in unserer Gesellschaft sicherer macht. Dafür muss die Politik den Markt aber an der kurzen Leine halten. Es bräuchte gar ein generelles Umdenken beim Thema Drogen: Eine Verbotspolitik führt zu nichts, aber eine straffreie Abgabe darf nicht in Vermarktungswahn enden.
Wer schützt Jugendliche vor den Folgen?
Als ich zuletzt New York besuchte, fuhr ich vom Flughafen mit der U-Bahn nach Manhattan. Ich stieg die Treppen empor – und fand mich und meine Familie in einer Wolke aus Marihuana-Rauch wieder, die auch in den kommenden Tagen rund um die Uhr allgegenwärtig bleiben sollte. Für meine Kinder war das erklärungsbedürftig, und auch ich fand das nicht wirklich angenehm. Zwar habe ich nichts dagegen, Erwachsenen in Bezug auf Rauschmittel ihre eigenen Entscheidungen zu überlassen, doch dass an jeder Straßenecke Manhattans gekifft wurde, war eine olfaktorische Belästigung. Und es warf in mir die Frage auf: Was macht diese Allgegenwart mit einer Gesellschaft?
Ich betrachtete Studien aus Ländern, in denen Cannabis bereits länger legal ist, und die zeigen zum einen ein unklares Bild, was die Auswirkungen auf den illegalen Schwarzmarkt angeht: In Kanada kam es zu positiven Effekten durch legalisierten Konsum, in den USA war dies beispielsweise nicht der Fall. In beiden Ländern stieg durch die Legalisierung der Konsum – bei legal konsumierenden Erwachsenen, aber auch bei illegal konsumierenden Jugendlichen. Der SPD-Politiker und Polizist Sebastian Fiedler vermutete zuletzt, dass sich die Dealer künftig auf Jugendliche konzentrieren würden, denn die dürfen Cannabis ja weiterhin nur illegal erwerben.
Als Mutter finde ich das eine beunruhigende Aussicht. Zumal für den Jugendschutz im Gesetz vor allem Präventionsmaßnahmen stehen, die eher schwach sind und teilweise mit Start der Legalisierung noch nicht greifen. Es gibt seit dem Sommer eine Social-Media-Kampagne, lernte ich bei der Recherche – gesehen habe ich sie noch nicht. Um Schulen, Kitas und Jugendeinrichtungen gilt eine Sperrzone von 100 Metern, in der nicht konsumiert werden darf – eine dürftige Regelung, die zudem kaum kontrolliert werden dürfte.
Gleichzeitig warnen mit Suchtprävention befasste Jugendpsychologen, dass Studien recht starke Effekte einer Legalisierung auf Jugendliche zeigen: Sie nehmen etwa die Risiken von Cannabis weniger wahr, wenn dieses legal und überall erhältlich ist. Außerdem hat Cannabis einen nachweislich negativen Einfluss auf die Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen: Im schlimmsten Fall drohen bleibende Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsdefizite. Wer schon als Teenager anfängt, Cannabis zu rauchen, hat auch ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen – von Depressionen bis Psychosen. Wer intensiv Cannabis konsumiert, bricht zudem häufiger die Schule ab.
Klar sehe ich hier auch eine Aufgabe für Eltern, für einen höchstens mäßigen Konsum erst im Erwachsenenalter einzutreten – aber gerade bei Drogen hört der elterliche Einfluss früher auf, als uns lieb ist. Immerhin erwarten uns nicht ganz New Yorker Verhältnisse: Im öffentlichen Raum ist Cannabiskonsum laut Gesetzesentwurf erst ab 20 Uhr erlaubt.
So soll die Legalisierung aussehen
Kommt das Gesetz durch, ist es für Menschen über 18 Jahren legal, bis zu 60 Gramm Cannabis zu Hause zu besitzen und 25 Gramm als Eigenbedarf mit sich herumzutragen. Wer möchte, kann legal bis zu drei Pflanzen zu Hause anbauen oder Cannabis in kontrollierten Cannabis-Clubs erwerben. Für Minderjährige bleibt der Besitz, Kauf und Anbau verboten.
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