Picasso-Gemälde für 130 Millionen Euro "Er unterwarf sie seiner animalischen Sexualität"
Ein Gemälde von Picasso wird zu einem Rekordpreis versteigert. Das Ungewöhnliche an dem Sammlerstück ist die Geschichte dahinter. Es geht um eine verbotene Liebe.
130 Millionen Euro. So viel zahlt ein Sammler nun für das Gemälde "Frau mit Armbanduhr" ("Femme à la montre"). Versteigert wurde das Kunstwerk am Mittwoch im renommierten Auktionshaus Sotheby's in New York. Wer der Käufer ist, bleibt wie fast immer bei solchen Gelegenheiten ein Geheimnis. Sicher ist nur, dass er eines der begehrtesten Werke des Großkünstlers Pablo Picasso ersteigert hat – und eines, dessen Geschichte durchaus umstritten ist.
Denn das Bild, das sich bislang im Besitz der in diesem Jahr verstorbenen New Yorker Kunstmäzenin Emily Fisher Landau befand, zeigt das Porträt einer jungen Frau namens Marie-Thérèse Walter. Das Bild entstand 1932. Dieses gilt unter Kennern als das "Wunderjahr" des Malers, als ein Höhepunkt seines kreativen Schaffens. Walter war in diesem Jahr 22 Jahre alt. Der Maler, dem sie Modell saß, bereits 50.
Die beiden hatten sich fünf Jahre zuvor kennengelernt. Im Januar 1927 begegnete Picasso dem Mädchen in dem Pariser Kaufhaus Galeries Lafayette. Er fühlt sich von ihr angezogen, es bahnt sich eine Affäre an. Das Problem: Walter ist zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig, zudem ist Picasso mit der Tänzerin Olga Chochlowa verheiratet. Das hält ihn nicht davon ab, die Liebesbeziehung zu Walter fortzusetzen. Zunächst heimlich, bald in aller Öffentlichkeit.
"Gibt nur zwei Kategorien von Frauen"
Walter wird seine Muse, später sogar die Mutter der gemeinsamen Tochter Maya Picasso. Der Meister der Klassischen Moderne macht Walter zu einem der zentralen Objekte seiner Kunst in jener Epoche Anfang der Dreißigerjahre. Und er stört sich offenbar kaum an dem Unmut, den die Beziehung zu der fast dreißig Jahre jüngeren Frau auslöst. Im Gegenteil, die Eifersucht seiner Frau Olga, die Empörung der Öffentlichkeit, der Verstoß gegen die bürgerlichen Regeln inspirieren ihn: Er betrachtet das als Balsam für sein männliches Ego.
Entsprechend hält Picasso sich auch in seiner Kunst nicht mit provokanten Darstellungen zurück. Picasso malt Walter im Stil des Kubismus: geometrische Flächen, intensive Farben und wie so oft bei ihm unter Betonung erotischer Aspekte. Und so ist es nicht nur die Armbanduhr, die die Aufmerksamkeit des Betrachters fesselt, sondern auch die überdeutlich hervorgehobene Brust der 22-jährigen Marie-Thérèse Walter, auf die der Blick unwillkürlich fällt.
Picassos Verhältnis zu Frauen ist umstritten. In jüngster Zeit wird das Werk des Malers dahingehend verstärkt einer kritischen Betrachtung unterzogen. "Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen: Göttinnen und Fußabstreifer", sagte Picasso selbst. Aus heutiger Perspektive wird es von manchen Experten kritisch gesehen, dass Picasso die Frauen nicht nur als elementaren Teil seines Werks inszeniert hat, sondern sie zugleich auch emotional und sexuell an sich band.
Dem "Würgegriff" des Malers entkommen
Schon der Umstand, dass seine Geliebten lange Zeit nur unter dem Etikett der "Muse" firmierten, zeigt, dass Picassos Frauen zum Teil ihrer Eigenständigkeit beraubt wurden und in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dem Maler gerieten. Ein Abhängigkeitsverhältnis, das dieser offenbar auch suchte. "Einen Mann wie mich verlässt man nicht", behauptete der schon zu Lebzeiten gefeierte "Jahrhundertkünstler" von sich.
Picassos Enkelin Marina Picasso warf ihrem Großvater Jahre nach dessen Tod vor, die gesamte Familie zur Geisel seiner Kunst genommen zu haben. "Niemand von uns entkam dem Würgegriff dieses Genies." Auch beschrieb sie das Verhältnis Picassos zu den Frauen als eine Art kreativ-erotischen Vampirismus: "Erst unterwarf er sie seiner animalischen Sexualität, zähmte sie, verhexte sie, verschlang sie, um sie schließlich auf seine Leinwände zu pressen. Nachdem er viele Nächte damit verbracht hatte, sie ihrer Essenz zu berauben, waren sie buchstäblich ausgesaugt, dann entledigte er sich ihrer wieder."
Nur einer einzigen Frau gelang es, sich von Picasso zu trennen und dem "Würgegriff" zu entkommen: Françoise Gilot. Sie schrieb 1964 ein Buch über ihr schwieriges Verhältnis zu dem Maler, warf ihm darin Egomanie, Untreue und Grausamkeit vor. Zugleich beschrieb sie, wie sehr ihr Leben von dem "Genie" Picasso bereichert worden sei. Picasso starb 1973.
- ndr.de: "Musen oder Fußabstreifer? Picasso und die Frauen"
- widewalls.ch: "Pablo Picasso and His Troubling Relationship With Women" (englisch)
- theparisreview.org: "How Picasso Bled the Women in His Life for Art" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters
- Eigene Recherche