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Erbschaftsteuer-Debatte: Kleine Erben zahlen, große sparen


Meinung
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Gerechtigkeit in Deutschland
Steuerfrei zum Milliardär

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 02.07.2024Lesedauer: 5 Min.
Kongress fuer Familienunternehmen - Neuland -Vergrößern des Bildes
Susanne Klatten: Ihr geschätztes Vermögen liegt bei über 21 Milliarden Euro. (Quelle: Kai Kitschenberg)
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Heute widmen wir uns einer sozialen Randgruppe: den Erben. Es geht um große Vermögen, aber auch um kleine. Und um Steuern. Die Kleinen bezahlen sie, die Großen nicht.

Sagt Ihnen der Name Quandt etwas? Stefan Quandt rangiert in der Rangliste der reichsten Deutschen auf Platz vier, sein Vermögen wird auf 28 Milliarden Euro geschätzt. Milliarden, nicht Millionen. Seine Schwester Susanne Klatten bringt es auf 24 Milliarden Euro, Platz 5. Sie haben geerbt, ihr Vater Herbert Quandt war ein Großindustrieller, der Familie gehören beträchtliche Anteile an BMW, an Chemiekonzernen, an allerlei Unternehmen. Anfang Juni hat die 62-jährige Susanne Klatten angekündigt, wesentliche Teile ihres Vermögens an ihre drei Kinder weiterzugeben.

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel Steuern der Klatten-Nachwuchs auf diese vorgezogene Milliarden-Erbschaft entrichten wird? Ich wage eine Prognose: so gut wie keine. Denn die Mutter überträgt ihren Kindern nicht einfach ein Bankkonto oder ein Wertpapierdepot, darauf würden tatsächlich 30 Prozent Steuern fällig. Stattdessen bekommen die (erwachsenen) Kinder Anteile an einem Unternehmen namens SKion. SKion produziert nichts und verkauft nichts, sondern beteiligt sich an Unternehmen und sammelt Gewinne ein. Solche betrieblichen Vermögen sind von der Erbschaftsteuer weitgehend freigestellt. Familie Klatten sagt Danke!

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt. Bei t-online erscheint jeden Dienstag seine Kolumne "Elder Statesman".

Beim Thema Erbschaftsteuer zucken Handwerksmeister, Ladenbesitzer und alle, die in den eigenen vier Wänden wohnen, gleich zusammen: Achtung, der Staat will uns wegnehmen, was wir hart erarbeitet haben. Aber das haben wir doch für unsere Kinder aufgebaut, nicht fürs Finanzamt! So denken Menschen, die irgendetwas zu vererben haben oder einer Erbschaft entgegensehen – egal ob es um Opas alten Golf geht, Baujahr 2008, TÜV abgelaufen, um das sanierungsbedürftige Elternhaus mit der maroden Ölheizung oder um SKion. Und die bürgerlichen Parteien – FDP, CDU und CSU – machen sich zu den Fürsprechern dieser Klientel. Die AfD will die Erbschaftsteuer gleich ganz abschaffen.

Erbschaften zu besteuern, hat nichts mit Sozialneid zu tun. Wir sind uns wahrscheinlich im Grundsatz einig, dass der Staat Einnahmen braucht, um seine Aufgaben zu erfüllen: Polizei und Justiz, Schulen und Universitäten, Straßen und Schienen kosten Geld. Ein alter und sehr einfacher Grundsatz der Finanzpolitik besagt, dass die Menschen je nach ihrer Leistungsfähigkeit zu den Steuereinnahmen beitragen sollen. Dass eine Erbschaft die finanzielle Leistungsfähigkeit erhöht, ist nicht zu bestreiten.

Wie es früher war – und jetzt

Seit Gründung der Bundesrepublik, also seit 75 Jahren, ist in der Republik ein ungehinderter Vermögensübergang von einer auf die nächste Generation möglich. Das ist außergewöhnlich. Ein Vergleich: Allein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dezimierten zwei Weltkriege, eine Hyperinflation und eine schwere Wirtschaftskrise das Eigentum der meisten Familien, viele erlitten einen Totalverlust. Gut, dass das jetzt anders ist. Jetzt werden in Deutschland Jahr für Jahr zwischen 300 und 400 Milliarden Euro vererbt.

Dabei wächst eine goldene Generation heran: Menschen, die Grundstücke und Mietshäuser erben, Brauereien und Metallfabriken, Aktien und wertvolle Kunstschätze. Manche von ihnen sind als Unternehmer aktiv, manche gehen einem anderen Beruf nach, manche verbringen ihr Leben zwischen der Jacht auf Ibiza und dem Chalet bei St. Moritz. Andere engagieren sich in sozialen Projekten. Luisa Neubauer und Carla Reemtsma, Cousinen aus dem steinreichen Zigaretten-Clan, retten das Klima.

Es sei Menschen gegönnt, dass weder sie selbst noch ihre Kinder und Enkel jemals zu regelmäßiger Arbeit verpflichtet sein werden. Aber wem es materiell so gut geht, der kann auch einen Beitrag zum Wohlergehen des Landes leisten. Eigentum verpflichtet, heißt es im Grundgesetz. Sein Gebrauch soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Also bitte.

Auch wenn die Quandts und die Klattens nicht typisch sind: Mehr als die Hälfte der hundert größten Unternehmen in Deutschland sind nicht an der Börse notiert, sondern in Familienhand. Der Hamburger Patron Klaus-Michael Kühne – Mehrheitseigentümer des Schweizer Konzerns Kühne + Nagel – steht auf Platz eins der Liste, gefolgt von Dieter Schwarz (Lidl, Kaufland), Reinhold Würth, auch die Albrecht-Erben (Aldi) spielen in dieser Liga. Das sind die milliardenschweren Familien, darunter gibt es Tausende millionenschwere. Weil all diese Unternehmensvermögen von der Erbschaftsteuer verschont werden, entgehen dem Staat jedes Jahr mehr als 5 Milliarden Euro an Einnahmen. Das ist die größte einzelne Steuersubvention im öffentlichen Finanzplan. Aber wenn Scholz, Habeck und Lindner sich in diesen Tagen mit dem Bundeshaushalt quälen, reden sie nicht darüber; im Koalitionsvertrag steht kein Satz über die Erbschaftsteuer.

Der häufigste Einwand

Jetzt zu den kleinen Erbschaften. Stellen Sie sich vor, Ihre Eltern vererben Ihnen ein Haus im Wert von einer Million Euro. Mehr als 90 Prozent der Deutschen wird dieses Schicksal gar nicht ereilen, aber man darf ja mal träumen. Als Sohn oder Tochter können Sie von Ihren Eltern jeweils 400.000 Euro Freibetrag in Anspruch nehmen, macht 800.000. Auf die verbleibenden 200.000 Euro müssen Sie 11 Prozent Erbschaftsteuer zahlen, also 22.000 Euro. Selbst wenn Sie ansonsten in prekären Verhältnissen leben, zwei teure Scheidungen hinter sich haben oder mal mit Bitcoins gescheitert sind: Diese Summe finanziert Ihnen jede Bank, das kostet Sie nicht einmal 100 Euro Zinsen im Monat. Ist die Erbschaftsteuer eine Zumutung?

Es gibt natürlich Einwände gegen diese Steuer. Der häufigste ist der dümmste: Die Erbschaftsteuer bringe dem Staat nicht einmal 10 Milliarden Euro ein, sie sei nur eine "Bagatellsteuer". Zudem stehe der Verwaltungsaufwand für ihre Erhebung in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihrem finanziellen Ertrag. Aber erst die großen Vermögen von der Steuer ausnehmen und dann beklagen, dass die kleinen nichts bringen, das ist nicht logisch. Und was die Bürokratie angeht, haben kluge Ökonomen längst ein ganz einfaches Modell vorgeschlagen: Jede Erbschaft wird oberhalb der Freibeträge einheitlich besteuert, zum Beispiel mit 15 Prozent. 85 Prozent für den Erben, 15 Prozent für die Allgemeinheit – wäre das unfair?

Es wird auch eingewandt, die Erbschaftsteuer falle auf Vermögen an, das aus versteuertem Einkommen gebildet worden sei, es handele sich also um eine Doppelbesteuerung. Das stimmt. Aber wenn die Krankenschwester im Supermarkt einkauft und 19 Prozent Mehrwertsteuer auf ihre Zahnpasta bezahlt, dann hat man ihr vorher auch schon die Lohnsteuer abgezogen. Sollte die Doppelbesteuerung bei Arbeitnehmerinnen zulässig sein, bei Erben nicht?

Wenn die Familienlotterie den Lebensweg bestimmt

Eigentlich müssten übrigens die Politiker aus dem wirtschaftsliberalen Lager die entschiedensten Verfechter der Erbschaftsteuer sein. Sie werfen den Linken gern "Gleichmacherei" vor, weil die den Wohlstand von oben nach unten, von reich zu arm umverteilen wollen. Die Liberalen halten dem entgegen, es sei nicht Aufgabe des Staates, für gleiche Ergebnisse im Wirtschaftsleben zu sorgen, sondern für gleiche Chancen.

Genau diese Chancengleichheit wird aber eklatant verletzt, wenn bereits die Familienlotterie über den Lebensweg eines Kindes entscheidet: Die einen haben keine Geldsorgen und bekommen eine gute Bildung, die Musikschule und das Training im Hockeyverein mit auf den Weg. Die anderen, die keine reiche und auch keine akademisch gebildete Familie haben, sollen sehen, wie sie zurechtkommen? Hier die goldene Generation, dort die verlorene Generation?

Also: Die Besteuerung von Erbschaften ist kein staatlicher Raubzug gegen das Unternehmertum. Sie korrigiert die Startchancen in der Gesellschaft – weg von der Herkunft, hin zur eigenen Leistung. Eine dynamische Marktwirtschaft ist darauf angewiesen. Eine demokratische Gesellschaft auch.

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