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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Olaf Scholz: Der schlechteste Kanzler aller Zeiten?


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Eine Regierung unten durch
Die letzte Chance des Olaf Scholz

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 25.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Olaf ScholzVergrößern des Bildes
Bundeskanzler Olaf Scholz: Steht ihm sein kluger Kopf im Weg? (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)
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Zwischen dieser Regierung und dem Wahlvolk ist etwas grundsätzlich kaputtgegangen. Und auch untereinander fehlt jeder Kitt. Kanzler Scholz hat, wenn überhaupt, noch eine einzige Chance.

Schon mal einen Wasserläufer beobachtet? Faszinierend ist das, wie dieses Insekt es mit seinen feinen Härchen an den Beinen vermag, sein Körpergewicht von der Oberflächenspannung des Wassers unter seinen Füßen tragen zu lassen. Nur eine kleine Delle, als wäre dort kein Wasser, sondern dünnste Plastikfolie, kann man jeweils unter jedem seiner Beinchen ausmachen. Aber wehe, man gibt einen Tropfen Spülmittel ins Wasser. Er bringt den Oberflächenfilm zum Reißen. Sofort geht der Wasserläufer unter. Als Jungen haben wir am See oft dieses böse Spielchen gespielt.

So wie dem Wasserläufer beim Jungenstreich geht es auch dieser Bundesregierung. Die Wasseroberfläche, das Wahlvolk trägt sie nicht mehr. Die Oberflächenspannung, die normalerweise allein der Respekt begründet, den das Wahlvolk in einer repräsentativen Demokratie seiner gewählten Regierung entgegenbringt, ist komplett dahin.

Lieber keine Redner aus dieser Regierung

Stattdessen werden die Spitzen der Ampel ausgebuht und ausgepfiffen, ja sogar bedrängt und bedroht. Robert Habeck, als er seine Ferienhallig Hooge mit der Fähre verlassen wollte und ihm die Landwirte am Bootsanleger auflauerten. Kanzler Olaf Scholz, der beim Handball ausgebuht und bei der Trauerfeier für Franz Beckenbauer im Münchner Stadion tunlichst vom Mikrofon ferngehalten wurde, damit die Würde der Veranstaltung für einen Toten nicht in Gefahr geriet. Christian Lindner, der sich nur mit Mühe und einer guten Verstärkeranlage über die Pfiffe und Schmährufe auf einer Bühne vor den Bauern in Berlin wenigstens akustisch durchsetzen konnte.

Ja, es gibt dieses legendäre Bild, wie Bundeskanzler Helmut Kohl zu Zeiten der Wiedervereinigung wie ein wild gewordener Bulle auf Demonstranten in Halle losstürzt, aus deren Reihen ein Ei auf ihn geworfen wurde. Und ja, Bundeskanzler Gerhard Schröder musste sich nach der Ausrufung seiner Agenda 2010 bei einer Gewerkschaftsveranstaltung einer empörten Masse entgegenstellen, sodass ihm im Affekt ein zorniges "Basta!" entfuhr, das sich bis heute mit seinem Namen verbindet.

Aber ansonsten habe ich so etwas wie in diesen Tagen und Wochen noch nie erlebt. Völlig unabhängig, ob in privaten Zusammenhängen, ob medial oder auf den Straßen. Überall ist mit Händen zu greifen, dass diese Bundesregierung abgewirtschaftet hat. Es soll sich da auch niemand etwas vormachen: Was bisher zu sehen war an Protest, an Widerstand, das war erst der Anfang. Die Bauern, die Ärzte, die Spediteure, das sind gar nicht diejenigen, die es unbedingt am härtesten getroffen hat. Sie sind nur besser organisiert und verfügen über monströse Arbeitsgeräte wie riesige Trecker und schwere Sattelschlepper. Meine Friseurin zum Beispiel, die hat genauso viel Wut, aber weder eine Lobby noch einen 40-Tonner, um ihren Frust auf die Straße zu tragen.

Es schwappt hin und her im Land

Und so erfreulich es ist, dass Hunderttausende in den vergangenen Tagen gegen absurde Deportationsfantasien eines Treffens von Rechtsextremen in Potsdam auf die Straße gegangen sind: Es ist auch nur die Gegenbewegung, die Gegenwallung gegen die vorangegangene Wallung, die die AfD zur zweitstärksten Partei in den Umfragen gemacht hat. Und weitere Protestparteien wie die Wagenknecht-Partei und die Werteunion gesellen sich dazu und könnten das Land jedenfalls bei den drei Landtagswahlen im Herbst zum Kippen bringen.

Wie konnte es so weit kommen? Was hat das Klima in diesem Land so vergiftet, dass man es kaum noch wiedererkennt? Auslöser ist eine doppelte Unterlassung.

Die erste hat die Vorgängerin des amtierenden Bundeskanzlers zu verantworten. Angela Merkel hat das Land in einem schlechten Zustand an ihren Nachfolger übergeben. Wie eine etwas heruntergekommene Immobilie, an der lange nichts mehr gemacht wurde. Zugleich hat sie mit der Schuldenbremse ein Vorhängeschloss an die Rücklagen dieses Hauses gehängt.

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Olaf Scholz wiederum hätte wissen können, und wusste es mit Sicherheit auch, dass die fetten Jahre einer lange währenden sonnigen Konjunktur vorbei sind und das Land nicht wetterfest sein würde für eine aufkommende globale Konkurrenz. Aber statt da schon, das war noch lange vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der Bevölkerung offen und ehrlich zu sagen, dass harte Zeiten bevorstehen, sedierte er das Wahlvolk mit unhaltbaren Behauptungen, dass schon alles gut und gedeihlich weitergehen würde und niemand Abstriche zu befürchten habe. Denn er glaubte mit einem Brecheisen namens Sondervermögen das Vorhängeschloss vor den Rücklagen geknackt zu haben. Und auf wundersame Weise trotz der Schuldenbremse Hunderte Milliarden für Klimaschutz, Energiewende und seit dem Ukraine-Krieg auch fürs Militärische ausgeben zu können.

Als ihm das Bundesverfassungsgericht all das schöne Geld aus der Hand schlug, das er rechtschaffenerweise gar nicht hatte, hörte Olaf Scholz nicht auf, weiter sein Märchen vom ewigen Wohl für alle zu erzählen. Als sich das nicht mehr halten ließ und erste konkrete Kürzungen vonnöten waren, da brach der Sturm los.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef und Mitglied der Chefredaktion von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war.

Nur noch den Hauch einer Chance

Es war ein kapitaler Fehler dieses Bundeskanzlers, nicht spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Weg der Wahrheit und Wahrhaftigkeit eingeschlagen zu haben. Ungewiss, ob es jetzt dafür nicht schon zu spät ist. Aber wenn Olaf Scholz noch einen Hauch von Chance für sich und seine Bundesregierung haben möchte, wenn er nicht als kleine Fußnote in die Geschichte der deutschen Bundeskanzler eingehen möchte, dann muss er es jetzt machen. Besser heute als morgen. Müsste sagen: Es tut mir leid, aber es wird hart für alle. Die Zeit des "Immer mehr" ist vorbei. Die Zeit des "Weniger" hat begonnen. Das bedeutet konkret die Zeitenwende, von der ich vor einem Jahr abstrakt gesprochen habe. Und alles, was ich euch versprechen kann, ist Folgendes: Wir werden dafür sorgen, dass die Härten alle nach ihren Möglichkeiten treffen.

Und wenn es dann einen der beiden Koalitionspartner oder sogar beide aus der Ampel schleudert im Zuge dieser Operation Wahrheit und Wahrhaftigkeit: Dann ist das eben so. Dann stehen eben Neuwahlen an – und/oder die Union sagt: Weil es um das Wohl dieses Landes geht, sind wir bereit, für eine begrenzte Zeit in eine Koalition einzutreten.

"It's better to burn out than to fade away", hat Neil Young einst gesungen. Lieber noch mal richtig hell leuchten, als einfach zu verglimmen. Wenn Scholz nicht in der Asche dieser Ampel verglühen möchte, dann sollte er allen Mut zusammennehmen und die Zeile des guten alten Neil beherzigen. Es ist nicht gesagt, dass es klappt. Aber so wie bisher klappt es auf gar keinen Fall.

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