Forderung von US-Organisation Fossilindustrie wegen fahrlässiger Tötung angeklagt?
Eine Verbraucherschutzorganisation fordert, dass die Fossilindustrie wegen fahrlässiger Tötung angeklagt wird. Juristen halten das für theoretisch möglich.
14,5 Millionen: Das ist die Zahl der Menschen, die bis 2050 an den Folgen des Klimawandels sterben könnten. Das geht aus einem Bericht des Weltwirtschaftsforums in Davos hervor, der Anfang des Jahres vorgelegt wurde. In Anbetracht dieser Zahlen fordert die US-amerikanische Verbraucherschutzorganisation "Public Citizen", die Fossilindustrie wegen Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit anzuklagen.
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Die Organisation argumentiert, dass jedes Jahr tausende Menschen an den Folgen eines Klimawandels sterben, für den diese Industrie hauptverantwortlich sei. Darüber hinaus hätte sie seit Jahrzehnten um den Einfluss fossiler Brennstoffe auf das Klima gewusst und nichts dagegen unternommen. Im Gegenteil, sie hätte über Jahre hinweg die Öffentlichkeit über die Folgen und Auslöser des Klimawandels getäuscht.
Umfangreiche Machbarkeitsstudie
Um ihre Forderung zu untermauern, hat "Public Citizen" in der Fachzeitschrift Harvard Environmental Law Review eine mehr als 70 Seiten umfassende Machbarkeitsstudie veröffentlicht. In dieser legt die Organisation ihre Gründe dar, warum eine Anklage wegen Totschlags beziehungsweise fahrlässiger Tötung gegen diese Firmen nicht nur moralisch korrekt, sondern auch rechtlich erfolgversprechend sein könnte.
Grundlage für diese Einschätzung ist für die Autoren der Studie die Tatsache, dass in den USA kein direkter Zusammenhang zwischen einer Tat und einem Todesfall bestehen muss, damit eine Anzeige und Verurteilung wegen Totschlags oder sogar Mordes erfolgen kann. Die Studie zitiert den Fall eines Sicherheitsmanns, der bei der Verhaftung seines Ladendiebs einen Herzinfarkt erleidet und an diesem verstirbt. Obwohl der Ladendieb nicht direkt für den Herzinfarkt des Sicherheitsmannes verantwortlich war, wurde der Ladendieb wegen Mordes verurteilt.
Hürde für eine solche Anklage hoch
Folgt man dieser Logik, liegt es für die Autoren der Studie auf der Hand, dass sich die Fossilindustrie am Tod von Millionen Menschen schuldig gemacht habe. Dem "Guardian" erklärt die frühere Staatsanwältin und heutige Juraprofessorin Cindy Cho, dass sie zunächst skeptisch war, was die rechtliche Grundlage einer solchen Anklage gegen die Fossilindustrie angeht. Doch nach der vollständigen Lektüre der Machbarkeitsstudie muss sie zugeben, dass diese einige interessante Punkte anbringt.
Trotzdem weist sie auf die enormen Herausforderungen hin, die eine solche Anklage mit sich bringen würde. Eines der Probleme wäre allein schon der organisatorische Aufwand, den ein solches Verfahren mit sich bringen würde. Denn für eine solche Anklage bräuchte man ein Team, das aus mehreren hoch spezialisierten Staatsanwälten bestehen würde: Experten auf dem Gebiet der Verfolgung von Tötungsdelikten sowie des Umweltrechts und solche, die Erfahrung mit Verfahren gegen große Firmen haben. Denn jede Firma, die sich einer solchen Anklage ausgesetzt sähe, würde alles daran setzen, es der Staatsanwaltschaft so schwierig wie möglich zu machen.
Doch selbst wenn man nachwiese, dass die Fossilindustrie am Klimawandel schuld sei, wäre es schwierig nachzuweisen, dass ein Ereignis, das zum Tod von Menschen geführt hat, ohne den Klimawandel nicht eingetreten wäre. Im Falle eines Hurrikans müsste die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass es diesen ohne den Klimawandel nicht gegeben hätte.
Interesse von Staatsanwälten in den USA
Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass es zum Beispiel im US-Bundesstaat Pennsylvania schon für eine Strafverfolgung ausreichen kann, das Risiko für eine solche Katastrophe zu erhöhen. Trotz aller Skepsis hält Professorin Cho es trotzdem für sinnvoll, dass Staatsanwälte Anklagen in diese Richtung vorbereiten. Auch mehre noch aktive Staatsanwälte geben im Gespräch mit dem "Guardian" an, dass sie eine solche Anklage in Erwägung ziehen.
Als Beispiel dafür, welche Wirkung die strafrechtliche Verfolgung großer Firmen haben kann, zeigt der Fall von Purdue Pharma, dem Unternehmen hinter dem Opiat OxyContin. Diesem wurde eine Mitschuld an der Opioidkrise in den USA vorgeworfen, in deren Verlauf 450.000 Menschen an den Folgen von Überdosierung legaler und illegaler Opioide verstarben.
Purdue Pharma als Beispiel
Im Verlauf der Verhandlungen akzeptierte das Unternehmen im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung eine Umstrukturierung in eine gemeinnützige Gesellschaft, deren Ziel es ist, aktiv gegen die Folgen der Opioidkrise zu kämpfen. Das bedeutet auch die Herstellung und den Vertrieb von Medikamenten zur Behandlung von Suchterkrankungen zum Selbstkostenpreis.
Public Citizien hofft, dass es im Rahmen einer Strafverfolgung gegen die Fossilindustrie zu ähnlichen Vereinbarungen kommt, sodass diese gezwungen wäre, einen erheblichen Teil ihres Gewinns in den Ausbau der grünen Infrastruktur zu investieren.
- zdf.de: "Bis zu 14,5 Millionen Tote durch Klimawandel"
- theguardian.com: "Fossil fuel firms could be tried in US for homicide over climate-related deaths, experts say" (englisch)
- papers.ssrn.com: "Climate Homicide: Prosecuting Big Oil For Climate Deaths" (englisch)