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Weltmeteorologie-Organisation I Klimakrise: Es ist lebensgefährlich


UN-Organisation warnt
"Alle Grenzen gesprengt"

Von t-online, dpa, afp, reuters, sje, lib

Aktualisiert am 22.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Feuerwehrmann kämpft gegen Waldbrand im Sommer 2022: Dürre und Hitze nehmen durch die Klimakrise zu – damit steigt das Risiko für verheerende Feuer in den Wäldern.Vergrößern des Bildes
Feuerwehrmann kämpft gegen Waldbrand im Sommer 2022: Dürre und Hitze nehmen durch die Klimakrise zu – damit steigt das Risiko für verheerende Feuer in den Wäldern. (Quelle: Matthias Rietschel/reuters)
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Die Folgen der Klimakrise werden zunehmend katastrophaler – das attestiert ein neuer Bericht der Weltmeteorologie-Organisation. Deren Chef sieht trotzdem Grund zur Hoffnung.

Die Erderhitzung schreitet in rasantem Tempo voran – und führt zu immer mehr Negativrekorden. So lautet das Fazit des Klimazustandsberichts 2022 der Weltmeteorologie-Organisation (WMO), der am Freitag in Genf vorgestellt wurde. Betroffen sind unter anderem die Temperaturen, der Meeresspiegel und die Gletscherschmelze. Und die Klimaexperten der UN-Organisation warnen: Es wird noch schlimmer werden.

Die katastrophalen Folgen der Klimakrise betrafen im vergangenen Jahr jeden Kontinent, stellte die WMO fest. Generalsekretär Petteri Taalas nannte als Beispiele die anhaltende Dürre in Ostafrika, die Fluten in Pakistan und die Hitzewellen in China und Europa. Sie "betrafen Dutzende Millionen Menschen, führten zu Ernährungsunsicherheit und Massenmigration und verursachten Verluste und Schäden in Milliardenhöhe", sagte er.

In Spanien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Portugal starben im Zusammenhang mit den Hitzewellen des vergangenen Sommers 15.000 Menschen mehr als sonst in dem Zeitraum üblich, so der Bericht. Durch die Fluten in Pakistan gab es mehr als 1.700 Tote. In Somalia am Horn von Afrika wurden im Lauf des vergangenen Jahres fast 1,2 Millionen Menschen durch Dürre und Hunger vertrieben. Die Klimakrise habe damit zu weiterer Vertreibung geführt und die Bedingungen für viele der 95 Millionen Menschen verschlechtert, die bereits zu Beginn des Jahres auf der Flucht gewesen seien.

Drohendes Wetterphänomen macht Hitzerekorde wahrscheinlicher

Aufgrund eines besonderen Wetterphänomens warnen die Fachleute vor einem Rekord der globalen Durchschnittstemperatur im kommenden Jahr – oder sogar noch in diesem. Der sich anbahnende El Niño verheiße nichts Gutes, sagte Taalas. Weil das Phänomen einen wärmenden Effekt habe, könne die globale Durchschnittstemperatur schon im kommenden Jahr einen Höchstwert erreichen, so Taalas.

Das sich im Laufe dieses Jahres vermutlich entwickelnde El-Niño-Ereignis "erhöht zunächst einmal die Wahrscheinlichkeit, dass 2023 und 2024 in Bezug auf die globale Mitteltemperatur den bisherigen Rekordwert des Jahres 2016 einstellen beziehungsweise überbieten", sagte auch Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Helge Goessling vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven schlägt in eine ähnliche Kerbe: Es könne gut sein, "dass 2023 oder 2024 neue globale Rekorde erreicht werden".

Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig hält es sogar für denkbar, dass das Jahr 2024 "auch die 1,5-Grad-Grenze zum ersten Mal auf Jahresbasis global überschreiten wird".

Fällt die 1,5-Grad-Grenze?

Eigentlich wollen die Länder der Welt möglichst verhindern, dass die Erwärmung über 1,5 Grad übersteigt. So steht es im Pariser Klimaabkommen von 2015. Aber die bisherigen Klimaschutzanstrengungen reichen dafür bei Weitem nicht aus. Der Weltklimarat (IPCC) hatte in seinem Bericht Ende März gezeigt, dass das 1,5-Grad-Ziel voraussichtlich für viele Jahre überschritten wird. Erst dann könnte die globale Durchschnittstemperatur wieder sinken – aber nur, wenn die Länder deutlich schärfere Klimaschutzmaßnahmen umsetzen. Derzeit steuert die Erde nach UN-Angaben auf eine Erwärmung von 2,5 bis 3 Grad zu.

Wegen der historischen Treibhausgasemissionen sei schon jetzt klar, dass sich die negativen Trends unabhängig von allen heutigen Anstrengungen zunächst noch bis in die 2060er Jahre fortsetzen, sagte Taalas. Wenn aber jetzt ehrgeiziger Klimaschutz umgesetzt werde, bestehe die Chance, die Erwärmung nach einer vorübergehenden Überschreitung des 1,5 Grad-Ziels wieder darunter zu senken.

Die WMO bestätigte, dass 2022 mit plus 1,15 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 das fünft- oder sechstwärmste Jahr seit der Industrialisierung war. Die Messwerte liegen so nah beieinander, dass eine genaue Unterscheidung unmöglich ist. 2015 bis 2022 waren die acht wärmsten Jahre – und das, obwohl die vergangenen drei Jahre vom kühlenden Wetterphänomen La Niña geprägt waren.

Gletscherschmelze "hat buchstäblich alle Grenzen gesprengt"

Ein weiteres Ergebnis des WMO-Berichts: Weltweit sind die Gletscher im vergangenen Jahr mit einer dramatischen Geschwindigkeit geschmolzen und Versuche, dem entgegenzuwirken, seien praktisch aussichtslos.

"Das Meereis in der Antarktis ist auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen gefallen, und das Abschmelzen einiger europäischer Gletscher hat buchstäblich alle Grenzen gesprengt", erklärte die WMO in dem Bericht. Der Kampf um die Gletscher sei praktisch bereits verloren, sagte Taalas.

Doppelt so schneller Meeresspiegelanstieg in den vergangenen Jahren

Die extreme Gletscherschmelze und die rekordverdächtige Erwärmung der Ozeane infolge der Erderhitzung heben den weltweiten Meeresspiegel immer rascher an. Dieser stieg zwischen 2013 und 2022 mehr als doppelt so schnell wie im ersten Jahrzehnt der Messungen zwischen 1993 und 2002. 2022 erreichte er einen neuen Rekordstand, wie die WMO mitteilte.

Im Schnitt stieg der Meeresspiegel in den vergangenen zehn Jahren jährlich um 4,62 Millimeter. Dies ergebe einen Gesamtanstieg von mehr als zehn Zentimetern seit Anfang der 1990er Jahre, erklärte die UN-Organisation.

Die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre haben zudem erneut Rekordwerte erreicht, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Das trage zur Erwärmung von Land und Wasser, zum Abschmelzen von Gletschern, zum Anstieg des Meeresspiegels sowie zur Erwärmung und Versauerung der Ozeane bei.

Zu den weiteren Rekorden 2022 gehörten zudem der neue Tiefpunkt des antarktischen Meereises, und der höchste Wärmegehalt der Ozeane, heißt es in dem Bericht. Die Werte beziehen sich auf den Beginn der Messungen, die mehrere Jahrzehnte oder länger zurückliegen.

WMO-Chef: Hoffnung – trotz aller Negativrekorde

Trotz der schlechten Daten sieht Taalas aber auch Gründe für Hoffnung. Zum einen werde grüne Energie billiger als fossile Brennstoffe, erklärte er. Zum anderem entwickle die Welt bessere Methoden zur Eindämmung des Klimawandels. Eine gute Nachricht sei auch, dass inzwischen "der private Sektor und die großen Unternehmen weltweit Teil der Lösung sein wollen", sagte Taalas. So hätten 32 Länder ihre Emissionen reduziert, und ihre Wirtschaft sei trotzdem gewachsen.

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Der Planet steuere nicht mehr auf eine Erwärmung von 3 bis 5 Grad Celsius zu, wie noch 2014 prognostiziert worden sei, sagte der WMO-Chef. "Im besten Fall könnten wir immer noch eine Erwärmung von 1,5 Grad Celsius erreichen."

Auch die europäischen und deutschen Dienste warnen eindrücklich

Erst am Donnerstag hatte der europäische Klimawandeldienst Copernicus seinen Rückblick auf das vergangene Jahr vorgestellt. Der Sommer 2022 war demnach der heißeste, der je verzeichnet wurde. Die Experten warnten für den Kontinent vor einem schwierigen Jahr 2023, wie Sie hier nachlesen können.

Ende März zog zudem der Deutsche Wetterdienst (DWD) Bilanz. "Wir treiben Deutschland und unsere Gesellschaft aus der Komfortzone des Klimawandels heraus", sagte der Leiter der Klimaüberwachung, Andreas Becker. Das Fazit für die Bundesrepublik können Sie hier nachlesen. Es fiel unmissverständlich aus: Es wird nicht nur ungemütlich, sondern lebensgefährlich.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
  • public.wmo.int: "WMO annual report highlights continuous advance of climate change"
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