Greenpeace-Chefin "Grüne Heuchelei" – Baerbocks Personalwahl scharf in der Kritik
Greenpeace ist Lobbyorganisation im Namen des Umweltschutzes. Die Bundesaußenministerin hat die Chefin der Organisation als Sonderbeauftragte in ihr Ministerium geholt.
Die Berufung von Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan zur Beauftragten für Internationalen Klimaschutz im Auswärtigen Amt durch Ministerin Annalena Baerbock stößt auf ein geteiltes Echo. "Um es klar zu sagen: Die grüne Heuchelei in Sachen Lobbyismus hat große Chancen auf das Guinessbook of Records", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, der "Welt". Die Greenpeace-Aktivistin zur Staatssekretärin zu machen, passe nicht zu Vorgaben des Parlaments, den Einfluss von Interessenvertretern deutlicher zu kennzeichnen.
Auch aus der FDP kommt Kritik. Er habe Verständnis dafür, "dass der Wechsel einer Lobbyistin, die in der Vergangenheit mit durchaus radikalen Ansichten in Erscheinung getreten ist, in der Öffentlichkeit auf eine gewisse Verwunderung stößt", sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler dem "Handelsblatt".
Kein Problem mit Morgans Wechsel ins Außenministerium haben dagegen Anti-Korruptionsorganisationen. "Als LobbyControl haben wir auch in der Vergangenheit betont, dass es möglich sein muss, Fachleute von außen in die Ministerien zu holen", sagte der Experte für Lobbyregulierung, Timo Lange, der Nachrichtenagentur Reuters. "Klar ist aber auch, dass Morgan künftig die Positionen der Bundesregierung vertreten muss und nicht die von Greenpeace." Das Auswärtige Amt müsse auch sicherstellen, dass Greenpeace nun keine besonderen Vorteile gegenüber anderen Akteuren in Klimaverhandlungen zugestanden würden.
Transparency fordert sauberen Schnitt
Auch Transparency hält den Wechsel für weitgehend unproblematisch. "Morgan muss in ihrer künftigen Rolle natürlich eine umfassende, ausgeglichene Interessenabwägung sicherstellen, das werden wir beobachten", sagte Geschäftsführerin Anna-Maija Mertens zu Reuters.
Entscheidend sei, dass Morgan einen sauberen Schnitt gegenüber ihrer aktuellen Tätigkeit mache und mit möglichen Interessenkonflikten in einzelnen Situationen transparent und offen umgehe. "Wichtig wäre auch, dass sie als Staatssekretärin verbeamtet und nicht nur im Angestelltenverhältnis tätig wird, damit sie im Anschluss an ihre Tätigkeit den Karenzzeitregeln für Beamte unterliegt", sagte Mertens.
Die 55-jährige Morgan soll ab 1. März im Auswärtigen Amt den Posten der Beauftragten für Internationalen Klimaschutz übernehmen. Die US-Amerikanerin arbeitet seit Jahrzehnten bei Nichtregierungsorganisationen und ist seit 2016 Chefin von Greenpeace.
"Deutschland hat Vorbildcharakter weltweit"
Baerbock lobte die scheidende Greenpeace-Chefin als Traumbesetzung für den Posten. "Ich kenne weltweit keine zweite Persönlichkeit mit ihrer Expertise, Vernetzung und Glaubwürdigkeit in der internationalen Klimapolitik", sagte die Grünen-Politikerin bei der Vorstellung von Morgan in Berlin. Sie werde als Steuerfrau die deutsche Klima-Außenpolitik lenken. Morgan sagte, die deutsche Energiewende weg von Atom und Kohle sei der richtige Weg. "Deutschland hat Vorbildcharakter weltweit."
Auf wiederholte Fragen dazu, warum sie eine Lobbyistin in ein Regierungsamt berufe, sagte Baerbock schließlich: "Interessensvertretung ist ein wichtiger Bestandteil von lebhaften Demokratien." Morgan sei die beste Kandidatin gewesen und es sei wichtig, dass der Wechsel transparent geschehe. Morgan sagte: "Ja, es gibt die Politik, und die Politik ist wichtig. Aber ohne Bewegungen, ohne Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, ohne Aktivistinnen kriegen wir das nicht hin."
Morgan soll Weltklimakonferenzen vorbereiten
Morgan lebt in Berlin und will sich nun einbürgern lassen. "Mein politisches Herz schlägt ganz für Deutschland", sagte Morgan. Sie lebe seit 2003 hier. "Das ist meine Heimat. Und ich bin Berlinerin." Da die internationale Klimapolitik vom Umweltministerium ins Auswärtige Amt verlegt wurde, soll Morgan auch die jährlichen Weltklimakonferenzen vorbereiten. Dort ist sie für verschiedene Nicht-Regierungsorganisationen seit Jahrzehnten regelmäßig präsent gewesen.
Zu ihrer bisherigen Rolle und ihrer neuen Funktion sagte Morgan: "Ich bin seit 30 Jahren dabei, zu kämpfen für unseren Planeten und zukünftige Generationen, und ich glaube, in dieser Rolle kann ich das gut voranbringen." Sie glaube, aktuell sei das Auswärtige Amt der Ort, wo sie am meisten bewirken könne. Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, erklärte: "Morgan ist ein Garant dafür, dass die Anliegen der Zivilgesellschaft in der internationalen Klimapolitik mitgedacht werden."
- Nachrichtenagentur Reuters