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Ampel-Verhandlungen: Grüne beklagen fehlende Fortschritte


Koalitionsverhandlungen
Grüne unzufrieden: "Wir sehen derzeit zu wenig Fortschritt"

Von dpa
Aktualisiert am 05.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Annalena Baerbock: Die Vorsitzende der Grünen ist mit den Ampelverhandlungen derzeit nicht zufrieden.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die Vorsitzende der Grünen ist mit den Ampelverhandlungen derzeit nicht zufrieden. (Quelle: Matthias Schrader/ap)

Es scheint das Ende der Ampel-Harmonie zu sein: SPD, FDP und Grüne sind sich in vielen Aspekten nicht einig. Ein zentraler Grund für Diskussionen ist der Klimaschutz. Doch es ruckelt auch an anderen Stellen. Ein Überblick.

Zwei Wochen nach Beginn der Verhandlungen über eine Ampel-Koalition knirscht es zwischen SPD, Grünen und FDP. Die Grünen sind unzufrieden mit den Fortschritten vor allem beim Thema Klima und schließen nicht aus, dass die Verhandlungen in die Verlängerung gehen. Auf zentralen Baustellen sei noch nicht klar, wann man zu einer Einigung kommen könne, monierte Parteichefin Annalena Baerbock im Berliner Inforadio. "Man kann nicht auf ein Sondierungspapier nur Fortschritt draufschreiben und in der Sache wird sich nicht viel ändern."

Baerbock nannte als Beispiele neben Klimaschutz die Modernisierung der Verwaltung und die Schulpolitik. "Da sind wir aus unserer Sicht noch nicht so weit, dass wir sagen können: In ein paar Wochen können wir einen Deckel drauf machen", sagte sie. Einzelheiten nannte sie aber nicht. Bereits am Vortag hatte sich Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner beschwert: "Wir sehen derzeit zu wenig Fortschritt, was die inhaltliche Substanz anbetrifft", sagte er.

"Es kann nicht nur eine Partei dafür zuständig sein"

Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP hatten vor zwei Wochen offiziell begonnen. Vorher hatte es Sondierungsgespräche gegeben, die in erste inhaltliche Festlegungen mündeten. In der Anfangsphase des Ampel-Projekts war bei allen Differenzen viel von Aufbruch und Harmonie die Rede. Zur Ikone dafür wurde ein Selfie, auf dem die Spitzen von Grünen und FDP wie eine Rockband wirken.

Das alles scheint jetzt zu verblassen. Die harte Realität der Gegensätze in einigen zentralen Punkten hat nun offenbar vor allem die beiden kleineren Parteien eingeholt. Die SPD halte sich eher zurück und lasse FDP und Grüne die Auseinandersetzung führen, hört man aus Verhandlungskreisen. Dass der Klimaschutz eines der dicksten Bretter zwischen diesen Parteien ist, war von vorneherein klar. Diese Aufgabe müsse eine neue Bundesregierung querschnittsartig durchziehen, mahnte Baerbock. "Dann kann nicht nur eine Partei dafür zuständig sein", sagte sie und meinte offensichtlich ihre eigene. Das betreffe vor allem den Baubereich und den Verkehrssektor, wo die Treibhausgas-Emissionen bisher nicht ausreichend gesunken seien.

Es ruckelt noch an anderen Stellen

Bei einem der wenigen bisher öffentlich ausgetragenen Streitpunkte ging es um Steuerentlastungen. SPD und Grüne hatten erklärt, kleinere und mittlere Einkommen könnten wegen der FDP-Ablehnung von Steuererhöhung von Spitzenverdienern nicht entlastet werden. FDP-Chef Christian Lindner mahnte daraufhin in einem Interview: "Beim Ziel der Stärkung der Mitte sollte nicht Stillstand Programm werden."

Die Infrastruktur in Deutschland soll an vielen Stellen erneuert, die Energienetze für grünen Strom ausgebaut, das Land flächendeckend digitalisiert werden. Gegen neue Kredite und die Erhöhung wichtiger Steuern hatte sich die FDP aber in den Sondierungen erfolgreich gestemmt. Trotzdem hat sich der scheidende SPD-Chef Norbert Walter-Borjans zuversichtlich gezeigt, dass Investitionen im Volumen von rund 50 Milliarden Euro im Jahr aufgebracht werden können.

Diskussionen um Renten und Pendlerpauschale

Auch an vielen anderen Stellen sind es Geld und unterschiedliche Grundrichtungen, die die Verhandlungen von SPD, Grüne und FDP so schwierig machen. Das gilt für die Rentenfinanzierung, die Arbeitsmarktpolitik oder auch die Pendlerpauschale. Letztere würden die Grünen gerne abschaffen, die FDP will sie auf jeden Fall erhalten.

Es gibt also Grund genug für etwas Unruhe in den Verhandlungen. Die Sozialdemokraten reagierten am Freitag aber gelassen darauf. "Es ist ganz normal, dass während der Verhandlungen mal die eine oder die andere Partei mal zufriedener oder unzufriedener ist. Das kommt da auch ein bisschen darauf an, in welche Arbeitsgruppe man da gerade blickt", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer im ZDF-"Morgenmagazin".

Bis Mittwoch müssen die Ergebnisse vorliegen

Von der FDP kam kein direkter Kommentar. Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann setzte aber nach der Kellner-Äußerung am Donnerstag einen Tweet ab, der auf dessen Unzufriedenheit gemünzt sein könnte: "Gemeinsames Schimpfen über Abwesende erleichtert zwar vorübergehend die seelische Anspannung, löst aber keine Probleme..." Es ist ein Zitat aus dem Truppendiensthandbuch "Die Führung der Kompanie" des österreichischen Heeres.

Die entscheidende Phase der Verhandlungen beginnt in der kommenden Woche. Bis Mittwoch, 18 Uhr, müssen die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse vorlegen. Selbst die großen Arbeitsgruppen dürfen nicht mehr als fünf Seiten abliefern –"Schriftgröße 11, Calibri, Zeilenabstand 1,5" – so genau steht es im Leitfaden für die AGs. Was noch offen ist, muss in den Farben der drei Parteien rot, grün, gelb markiert werden. Damit befassen sich dann ab der zweiten Wochenhälfte wieder die zentralen Verhandlungsgruppen mit den Parteichefs an der Spitze.

In der Nikolauswoche ab dem 6. Dezember soll Olaf Scholz zum Kanzler gewählt und seine Regierung im Bundestag vereidigt werden. Wenn sie diesen Zeitplan halten wollen, haben die Koalitionäre in spe nicht viel mehr als zwei Wochen übrig, um ihre Verhandlungen abzuschließen. SPD und Grüne wollen nämlich noch ihre Mitglieder zum Koalitionsvertrag befragen.

Eine ernste Gefährdung der Koalitionsverhandlungen sieht jedenfalls noch niemand – trotz der Unzufriedenheit. "Wir verhandeln in guter Atmosphäre. Und dass es ab und zu mal ruckelt, ist doch das Normalste auf der Welt", sagt Dreyer.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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