Trotz Protesten NRW-Linke nominiert Wagenknecht als Spitzenkandidatin
Sahra Wagenknecht steht innerparteilich in der Kritik. Anlass ist ihr neues Buch, das Kritiker als Abrechnung mit der eigenen Partei sehen. Trotzdem wählte die NRW-Linke sie nun zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist trotz heftiger innerparteilicher Kritik an ihrem neuen Buch erneut als Spitzenkandidatin der NRW-Linken für den Bundestag nominiert. Bei einer Kampfabstimmung um Platz 1 der Aufstellungsversammlung in Essen erhielt sie 127 Stimmen, wie die Versammlungsleitung am Samstag mitteilte. Das entspreche 61 Prozent. Nach den Abstimmungen über die Plätze muss noch die gesamte Liste von den Vertretern gewählt werden.
Wagenknecht hatte überraschend gleich zwei Gegenkandidatinnen bei der Bewerbung um den Spitzenplatz in Nordrhein-Westfalen. Im Vorfeld war nur die Kölner Verwaltungswirtin Angela Bankert als Konkurrentin bekannt, die 58 Stimmen erhielt. Klimaaktivistin Hannah Harhues aus Münster bekam 12 Stimmen. Sie kritisierte Wagenknecht für einige Passagen des Buches scharf. Elf Delegierten enthielten sich.
"Mein Buch rechnet nicht mit der Linken ab"
Wagenknecht wies die heftige Kritik erneut zurück. "Mein Buch rechnet nicht mit der Linken ab", betonte sie. Es sei ein Vorschlag für eine stärkere Linke. Die einzige Oppositionsfraktion, die derzeit nicht von der Misere der Bundesregierung profitiere, sei die Linke. Ihre Vorschläge müsse man nicht teilen. Was nicht gehe, sei aber, mit aus dem Zusammenhang gerissenen und teils auch verfälschten Zitaten ein Zerrbild von ihren Ansichten darzustellen.
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So sollte man nicht miteinander umgehen, betonte sie. "Also, ich hab wirklich kein dünnes Fell, aber das hat mir teilweise die Sprache verschlagen. Also wenn ich dort lesen muss, das ich rechte oder vielleicht sogar rassistsche Ansichten vertrete - also ich frage mich, ob manche überhaupt wissen, was sie da schreiben." Als Tochter eines Iraners müsse man ihr nicht erklären, wie sich Diskriminierung anfühle. "Mir zu unterstellen, ich wäre Rassistin, das ist einfach krank." Dass sie Personenschutz bei Veranstaltungen bekomme, habe nicht zuletzt damit zu, das es Drohungen von Rechts gegeben habe.
Laut "Spiegel" hatten mehrere Linken-Politiker Wagenknecht kurz vor der Versammlung in Essen zum Verzicht auf ihre Bundestagskandidatur aufgefordert. Dem Bericht zufolge werten mehrere Mitglieder des Parteivorstands, darunter auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat, das Buch "Die Selbstgerechten", das am Mittwoch offiziell erscheinen soll, als eine Art Generalabrechnung mit der Partei.
Drei Bewerberinnen um Listenplatz 1
Bundestagsfraktionschefin Amira Muhamed Ali appellierte zu Beginn an die Teilnehmer, nicht aus dem Blick zu verlieren, um was es bei der Online-Aufstellungsversammlung geht. "Uns steht ein sehr zugespitzter Bundestagswahlkampf bevor." Es gelte Wähler mit Argumenten und Konzepten zu überzeugen. "Aber wenn wir stattdessen interne Konflikte nach vorne stellen, dann wird es schwierig für uns", erklärte sie.
"Lasst uns nicht vergessen, wie viel uns alle verbindet. Lasst uns nicht vergessen, wo der politische Gegner steht", mahnte Muhamed Ali. "Wir alle stehen klar gegen Faschismus und jede Form von Rassismus", betonte sie. "Und ich finde es ehrlich gesagt schier unerträglich, wenn wir uns das gegenseitig absprechen oder auch nur Zweifel daran aufkommen lassen." Ja, man müsse reden und diskutieren. Die letzten Tage hätten einigen Bedarf geweckt auch bei ihr, räumte sie ein.
Ein Antrag, eine einstündige Debatte zur Situation im Landesverband zu führen und damit die Tagesordnung zu erweitern, wurde eingangs mehrheitlich von den Delegierten abgelehnt. Die drei Bewerberinnen um Platz 1 mussten sich einer begrenzten Zahl von bis drei an sie gerichteten Fragen der Delegierten stellen. Bei einer größeren Anzahl an Fragen wurde diese ausgelost. Das war bei Wagenknecht der Fall.
Rassismus-Vorwürfe gegen Wagenknecht
Movassat hatte am Mittwoch Passagen aus Wagenknechts Buch auf Twitter veröffentlicht. Er warf Wagenknecht unter anderem Rassismus vor und bezog sich dabei auf folgenden Satz: "Die Identitätspolitik läuft darauf hinaus, das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu richten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein."
Auch der ehemalige Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger kritisiert das Buch Wagenknechts. "Wenn man für eine Partei kandidiert, dann muss es selbstverständlich sein, dass man die Grundpositionen dieser Partei vertritt und sie stärkt", sagte Riexinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Das sei in dem Buch nicht gegeben.
- Nachrichtenagentur dpa