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Werteunion und Hans Georg Maaßen: Politikwende am Ende


Kleinstpartei am Abgrund
Maaßens Politikwende am Ende


Aktualisiert am 08.03.2025 - 21:25 UhrLesedauer: 8 Min.
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Hans-Georg Maaßen: Bei der Bundestagswahl erhielt seine Werteunion weniger als 7.000 Stimmen. (Quelle: Funke Foto Services/imago-images-bilder)
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Die Parteigründung der Werteunion im Februar 2024 war ein Paukenschlag. Inzwischen versinkt die Partei in der Bedeutungslosigkeit, und ihr Kopf Hans-Georg Maaßen bekommt Gegenwind.

Hans-Georg Maaßen weiß, wie sich Wahlsiege anfühlen. Der frühere Verfassungsschutzchef war ja in den vergangenen Wochen in Donald Trumps luxuriösem Club Mar a-Lago, und er war bei der Amtseinführung von Trump und hat etwas von der Euphorie mitbekommen. In Deutschland dagegen hat seine Werteunion bei der Bundestagswahl 6.803 Zweitstimmen bekommen, das waren weniger als 0,1 Prozent in Nordrhein-Westfalen, dem einzigen Bundesland, wo Maaßens "Politikwende jetzt" gewählt werden konnte.

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Mit Maaßen als Vorsitzendem hatte der Verein Werteunion seine Mitgliederzahl verdreifacht und eine Partei gegründet. Doch inzwischen knirscht es an diversen Ecken: Rücktritte, Abberufungen, Rechtsstreit, Begehrlichkeit um angespartes Geld – und Streit über den Kurs. Das hat viel damit zu tun, dass Maaßen an der Spitze von Partei Werteunion und Verein Werteunion steht – und die Interessen auseinandergehen. Langjährige Mitglieder des Vereins wollen nicht eine Partei "fördern", die Maaßen in Trump-Manier vertritt und isoliert. Interne Papiere und Gespräche mit aktiven und früheren Mitgliedern zeigen tiefe Risse.

Gerade hat Alexander Mitsch sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der Partei abgegeben, nachdem er Aufgaben kommissarisch übernommen hatte. Er sollte vorübergehend Arbeiten des Bundesschatzmeisters Udo Kellmann wahrnehmen. Kellmann hatte Post bekommen, dass er von seinem Amt entbunden ist, unterzeichnet von Jörg Meuthen, dem früheren AfD-Vorsitzenden und neuen stellvertretenden Parteivorsitzenden der Werteunion. Kellmann hatte offenbar eine Machtprobe mit Neumitgliedern der Werteunion heraufbeschworen.

Geld des Vereins weckt Begehrlichkeit

Er und Mitsch sind Urgesteine dort und kommen aus den Tagen, als im 2017 gegründeten Werteunion e. V. für eine Mitgliedschaft noch Zugehörigkeit zu CDU oder CSU oder Untergliederungen nötig war. Inzwischen ist der Verein ein Sammelbecken von Angehörigen auch von AfD und verschiedensten Kleinparteien – Werteunion, Bündnis Deutschland und Die Basis. Maaßen, heißt es von Kritikern wie auch Unterstützern, sei nicht die Person, die Konflikte dort durch Menschenführung erfolgreich befrieden oder abräumen könne.

Der Verein ist der Förderverein der Partei Werteunion – und tritt als deren Verfügungsmasse und Selbstbedienungsladen auf, kritisieren manche in der Werteunion. Geld hatte der Verein, das Konto hatte sich gefüllt in den Jahren ohne große Ausgaben und mit Tausenden Mitgliedern bei 50 Euro Jahresbeitrag. Jetzt steht eine mögliche Anhebung auf 60 Euro bei rund 7.000 Mitgliedern an.

Und Geld braucht eine junge Partei.

Aber wie viel? Von vier Spenden in Höhe von je 50.000 Euro spricht Udo Kellmann, der auch weiterhin Schatzmeister im Förderverein ist. Maaßen ist bei Partei und Verein Vorsitzender, habe sich aber enthalten, wenn über Geldflüsse an die Partei entschieden worden sei. Die Anzeigen über die Parteispenden sind – wenn auch mit einiger Verspätung – der Bundestagsverwaltung gemeldet worden. Sie gingen an die Bundespartei sowie die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Brandenburg für die erfolglosen Landtagswahlkämpfe 2024.

Geldflüsse vor Mitgliederversammlung verschleiern?

Das Amtsgericht in Schwetzingen hat den Vorstand aber gerade verurteilt, mehr Auskunft zu geben. Inzwischen gebe es Signale des Entgegenkommens, sagte einer der Kläger zu t-online. Er bedauere, dass es auf anderem Wege keine Lösung gegeben habe. Die Auskunft fordern Markus Mittwoch, Landesvize des Fördervereins in Nordrhein-Westfalen, und die Vorsitzenden des Vereins in Brandenburg, Ernst Manno, und Berlin, Klaus Peter Jürcke. Jürcke ist Richter, wie die beiden anderen weiter in der CDU und war entschiedener Kritiker der Umwandlung des bestehenden Vereins in einen Förderverein einer neuen Partei. Ein Widerspruch beim zuständigen Gericht war aber als "offensichtlich unbegründet" verworfen worden.

Danach wollten die Verantwortlichen aus den Ländern vom Bundesvorstand nicht nur Informationen, wie viel Geld vom Verein an die Partei geflossen ist. Der Förderverein soll auch darlegen, wann die Satzung geändert wurde und wie vielen Mitgliedern des Vereins die Aufnahme verweigert wurde. "Eine Verschwörungstheorie" stecke dahinter, sagt an dieser Stelle Kellmann. Gegen das Versäumnisurteil zur Auskunftspflicht werde man rechtlich vorgehen.

Im Umfeld der Kläger wird deshalb schon geraunt, das Maaßen-Lager wolle die Preisgabe der vermeintlich brisanten Informationen über den Termin der Mitgliederversammlung des Vereins verschleppen. Der Juli ist dafür im Gespräch, dort steht die Wahl des Vorsitzenden und des Bundesvorstands an, nachdem der auf zwei Jahre gewählte Maaßen seit Januar 2023 im Amt ist.

"Willenloser Helfershelfer der Partei"

Eine, die dort im Bundesvorstand ist, aber nicht als Mitglied der Partei aufgenommen wurde, ist Simone Baum. Die Vorsitzende des Vereins Werteunion in Nordrhein-Westfalen wartete zunächst vergebens auf eine positive Entscheidung über ihren Aufnahmeantrag in die Partei – und zog ihn schließlich zurück. In Sitzungen des Bundesvorstands hat sie gegen Zahlungen an die Partei gestimmt.

Baum mobilisiert bereits in einem Mitgliederbrief für die Mitgliederversammlung: "Personen im Bundesvorstand möchten, dass der Verein nur und ausschließlich als Förderer der Partei agieren soll, also sich selbst zum willen- und profillosen Helfershelfer der Partei degradiert." Im Bundesvorstand sei auch geplant, alle Landesverbände aufzulösen und die Vorstände dort zu ersetzen durch von "oben" bestimmte Regionalbeauftragte. Aufmüpfige Funktionäre könnten so entmachtet werden.

Im Bundesvorstand trifft Baum regelmäßig auf die neue starke Frau aus NRW, die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel. Beide sind stellvertretende Bundesvorsitzende. Während Baum aber in NRW den Verein führt, steht Pantel dort an der Spitze der Partei, die Baum nicht aufnehmen wollte.

Parteichefin Pantel mit vielen Gegnern in den eigenen Reihen

Pantel war es auch, die maßgeblich auf das Antreten bei der Bundestagswahl, das desaströs ausging, gedrängt hatte. Die Düsseldorferin, die 2013 und 2017 den Wahlkreis für die CDU gewonnen hatte und 2021 aus dem Bundestag ausschied, holte dort jetzt 718 Stimmen, nur die Kandidatin der MLPD bekam noch weniger Stimmen. Maaßen war dem Vernehmen nach dagegen: Die Entscheidung, den Landesverbänden das Antreten freizustellen, fiel mit einer Stimme Mehrheit.

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Beim Wahlkampf setzte Pantel auch auf Hilfe von außerhalb vom vermeintlich wahlkampferprobten früheren FDP-Bundestagskandidaten Tino Ritter aus Baden-Württemberg. Dessen Auftreten brachte aber langjährige Werteunion-Mitglieder gegen ihn auf. Kellmann forderte den Rauswurf des Pantel-Unterstützers nach einem Tweet auf X: Ritter hatte "Feuer frei" gegeben gegen "diese Kräfte" mit Kellmann und an seine Follower geschrieben: "Ich zähle auf Euch." Der Tweet ist inzwischen gelöscht, Kellmann nicht mehr Schatzmeister.

In der Landespartei fuhren ihr drei ihrer Vizes in die Parade: Sie widerriefen bei den Mitgliedern eine Einladung, die Pantel zu einem Landesparteitag am 15. März verschickt hatte. Maaßen schickte schließlich eine Mail, dass der Parteitag doch gemäß der Einladung stattfinden werde. "Slapstick pur", kommentiert ein Mitglied. In einem offenen Brief werfen die Pantel-Vertreter in NRW ihr vor, dass sie "keinerlei Interesse daran zeigte, was die gewählten Mitglieder fordern oder besprechen". Im Wahlkampf sei der Landesvorstand "von sämtlichen relevanten Entscheidungen ausgeschlossen und lediglich nachträglich mit Rechnungen konfrontiert" worden. "Der gesamte Wahlkampf war ein Desaster – ohne Struktur, ohne Konzept, ohne erkennbaren roten Faden."

Fusion mit "Bündnis Deutschland" platzte zweimal

In Partei und vor allem Verein gibt es ein Lager, das ein viel grundsätzlicheres Problem sieht, und den dafür Verantwortlichen in Maaßen: Anfang 2024 war eine Pressekonferenz schon geplant, in der eine Vereinigung von Werteunion und der Partei Bündnis Deutschland verkündet werden sollte. Manche verübeln Maaßen bis heute, er habe damit eine große Chance zunichtegemacht.

Dem Bündnis Deutschland – 0,2 Prozent Stimmenanteil bei der Bundestagswahl – gehört unter anderem der frühere AfD-Abgeordnete Uwe Witt* an. Weitere Abgeordnete aus der AfD und auch aus dem Lager von Union und FDP liebäugelten mit dem Wechsel und einer Kraft zwischen Union und AfD. Angeblich war sogar eine Dutzende Millionen Euro schwere Unterstützung in Aussicht.

Der frühere Verfassungsschutzchef Maaßen, der gegen Datensammlung über ihn im Bereich Rechtsextremismus klagt, verfolgte andere Pläne. Er ließ am 20. Januar 2024 in der Mitgliederversammlung des Werteunion-Vereins über Satzungsänderungen abstimmen. Die Zustimmung ermöglichte die Gründung einer "konservativ-liberalen Partei" und die Aufnahme von Mitgliedern anderer Parteien. Bis zu 280 Aufnahmeanträge in einer Stunde seien dann in der Spitze eingegangen, heißt es. Die Mitgliederzahl des Vereins verdreifachte sich etwa auf 7.000.

Auf einem Schiff auf dem Rhein wurde am 17. Februar 2024 die Partei gegründet. Mit Alexander Mitsch, früherer Werteunion-Vorsitzender, und dem Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach bekam Maaßen prominente Stellvertreter. Ab dann ging es abwärts.

Drei Maaßen-Stellvertreter gingen in einem Jahr

Bei ihrem ersten Antreten bei den Landtagswahlen im Osten schnitt die Werteunion desaströs ab. Schönbach ist im Herbst zu Bündnis Deutschland gewechselt und dort stellvertretender Bundesvorsitzender. Ein erneuter Fusionsversuch mit dem Bündnis im Herbst scheiterte maßgeblich auch an Forderungen aus der Werteunion, ihre früheren Aktivposten dürften im Bündnis keine Rolle spielen. Heute hört man aus beiden Parteien, zwei lahmende Pferde hätten auch kein Rennpferd werden können.

Nach Schönbachs Abgang wählte ein Parteitag der Werteunion Meuthen und Pantel im November zu neuen Vizevorsitzenden, dazu den früheren Chef des Pharmakonzerns Merck, Hartmut Erlinghagen. Erlinghagen hat sein Amt bereits wieder aufgegeben. Die Partei hat damit in einem Jahr die drei Maaßen-Stellvertreter Schönbach, Erlinghagen und Mitsch verloren sowie Udo Kellmann als Schatzmeister.

Kellmann erklärte t-online, er bleibe aber Beisitzer, und Mitsch sagte auf Anfrage, er wolle die Partei nicht verlassen, "in der ich viele großartige Mitglieder kennenlernen durfte". Es gebe auch weiterhin einen Bedarf für bürgerliche Politik, und viele Menschen trauten das Merz nicht zu.

Mitsch reagierte irritiert, dass sein Schreiben an Vorstandsmitglieder und Landesvorsitzende t-online vorliegt und erklärte, "Ich kann manche Entwicklungen nicht mehr mittragen, aber ich stehe voll hinter dem Gründungsgedanken einer freiheitlichen, prowestlichen Partei zwischen CDU/CSU und AfD". Seinen Brief verstehen einige in der Partei als einen letzten Versuch eines Weckrufs, dass sich die Partei anders präsentieren müsse. Mit Argumenten war er offenbar zuvor nicht durchgedrungen.

Ohne, dass er ihn nennt, geht es dabei offensichtlich um Maaßen. Intern ruft vor allem bei Mitgliedern mit Hintergrund in CDU und CSU Ratlosigkeit und Unmut hervor, wie sich Maaßen immer wieder unkritisch prorussisch positioniert. Gerade lobte er auf X Trump und Vance nach deren Umgang mit Wolodymyr Selenskyj als "großartig". Maaßen lasse sich von Likes auf X leiten, die es für differenzierte Beiträge nicht gebe, und zeige sich wenig kritikfähig, heißt es aus der Partei. Seine Positionen seien für weite Teile des bürgerlichen Lagers eher abschreckend.

Wolfgang Osinski, Mediendirektor der Partei, teilte dagegen mit, Äußerungen von Maaßen zu Ukrainekrieg und Trump-Erfolg seien bei sehr vielen Mitgliedern auf große Zustimmung gestoßen. Die Werrteunion distanziere sich von Hetze und Kriegstreiberei und begrüße deshalb die "Friedensinitiativen von Präsident Orbán und Präsident Trump". Maaßen selbst war gerade auch in Ungarn zu einem Treffen mit dem Leiter von Orbans Staatskanzlei. Maaßens Mediendirektor erklärte weiter, in jeder Partei gebe es Menschen, die bei programmatischen Unstimmigkeiten entweder den Dialog suchten oder ihren eigenen Weg gingen.

Mitsch schreibt zu seinem Rücktritt, er sehe dazu keinen anderen Ausweg im Bestreben, "schwere interne Konflikte an der Parteispitze über den Kurs zu vermeiden". Er könne Tonalität und die politische Ausrichtung nicht länger mittragen. In seinem Schreiben würdigt er den Vorsitzenden zugleich als "Gesicht und großartigen Leistungsträger und Experten der Werteunion", den er nicht beschädigen wolle.

In der Partei ist auch klar: Ohne die Galionsfigur Maaßen wird es auch kaum weitergehen.

*Wir hatten an dieser Stelle geschrieben, die frühere AfD-Abgeordnete Joana Cotar gehöre dem Bündnis Deutschland an. Sie sprach dort zwar und wurde auf Social-Media-Kacheln der Partei gezeigt, war aber kein Mitglied. Uwe Witt dagegen schon. Wir haben die Passage angepasst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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