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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verteidigungs-Talk Zoff bei "Lanz": Kiesewetter legt sich mit AfD-Mann an
CDU-Mann Roderich Kiesewetter und AfD-Politiker Rüdiger Lucassen diskutieren bei "Markus Lanz" über Verteidigungspolitik. Es dauert nicht lange, bis es krachte.
In der Ukraine herrscht noch immer Krieg und seit vergangener Woche beunruhigt China den Westen erneut mit militärischen Drohgebärden gegenüber Taiwan: Bei Markus Lanz ging es in der Nacht zum Donnerstag in diesem Kontext um die Außen- und Verteidigungspolitik Deutschlands.
Dazu hatte sich der Moderator zwei Oberste außer Dienst eingeladen: CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter und AfD-Verteidigungsexperte Rüdiger Lucassen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich offenbarte: Mehr als die gleiche Militärausbildung haben die beiden nicht gemeinsam.
Die Gäste
- Roderich Kiesewetter, CDU-Außenpolitiker
- Rüdiger Lucassen, AfD-Verteidigungsexperte
Zwischen Kiesewetter und Lucassen kracht es
Das erste Mal schepperte es so richtig im Studio, als es um die Ausstattung der Bundesrepublik ging. "Sie plündern die Bundeswehr gerade!", warf Lucassen Kiesewetter an den Kopf. Schließlich unterstütze die CDU die Bundesregierung darin, "Großgerät in den Ukraine-Krieg zu geben".
Kiesewetter ließ das nicht auf sich sitzen. Die Ukraine wäre ohne die Waffenlieferungen aus Deutschland zerfallen, stellte er klar. Das Kriegsgerät sei dringend notwendig, damit die Ukraine ihre Grenzen verteidigen könne.
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Kiesewetter führte aus: Zwischen Juli und Dezember 2022 – bevor die Bundesrepublik mit Lieferungen begonnen hatte – habe Russland zahlreiche zivile Ziele angegriffen und es habe viele Tote gegeben. "Das verleugnen Sie damit!", so der CDU-Mann in Richtung Lucassen.
Diese Unterstellung solle er bitte zurücknehmen, forderte der prompt. Es sei nicht der Fall, dass er das Leid in der Ukraine verleugne, so Lucassen. "Ich plündere auch nicht!", entgegnete Kiesewetter.
Lanz zu AfD-Mann: "Das wäre egal?"
Moderator Markus Lanz nutzte die Gelegenheit, um beim Thema Waffenlieferungen einzuhaken: "Hätten Sie Waffen an die Ukraine geliefert?", wollte er von Lucassen wissen. "Für mich kommen Waffenlieferungen nicht infrage!", erklärte der. Ein Grund: Deutschland müsse die eigene Verteidigungsfähigkeit erhalten.
Wären keine Waffen geliefert worden, hätte Lucassen die Ukraine wohl nicht im vergangenen Dezember noch besuchen können, nahm Lanz ihn in die Mangel. "Das ist denkbar, ja!", erwiderte der. "Das wäre egal?", hakte der Moderator energisch nach.
"Egal nicht", erklärte der ehemalige Oberst. Mit Blick auf die Ukraine gebe es aus seiner Sicht eben nur eine schlechte oder eine noch schlechtere Lösung. Wenn er jedoch abwägen müsse, ständen die Interessen des eigenen Landes für ihn im Vordergrund.
Macrons Position spaltet Lanz' Gäste
Die Interessen Deutschlands und Europas stärker verfolgen: Diese Linie befürwortete Lucassen auch mit Blick auf den Taiwan-Konflikt. Die umstrittenen Aussagen, die der französische Präsident Emmanuel Macron jüngst nach seinem Staatsbesuch in China gemacht hatte, unterstütze der AfD-Mann.
Macron hatte von der EU eine eigenständige Position im Konflikt zwischen China und den USA zu Taiwan gefordert. "Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema Mitläufer sein sollten und uns an den amerikanischen Rhythmus und eine chinesische Überreaktion anpassen sollten", hatte Macron unter anderem gesagt und damit viel Kritik geerntet.
Eine "strategische Autonomie Europas" wolle die AfD genauso in ihr Programm schreiben, erklärte Lucassen. Kiesewetter war deutlich anderer Meinung. Wie Macron mit dem Bündnis mit den USA umspringe, betrachtete er als zerstörerisch. Ohne die Zusammenarbeit mit den Amerikanern könne sich Europa schließlich keine Sicherheit leisten, erklärte er.
Der französische Präsident müsse deswegen gebremst werden. Deutschland müsse sich positionieren und zum "Anwalt der Europäer" werden, anstatt den Solitär Macron zu unterstützen.
Lucassen distanziert sich von Parteigenossen
Und dann brachte Lanz noch das zur Sprache, was sich wohl so mancher fragte: Wie steht Lucassen den Mitgliedern seiner Partei gegenüber, die jüngst im russischen Propaganda-TV auftraten?
So hatte der AfD-Abgeordnete Steffen Kotré im Februar im russischen Fernsehen beispielsweise bedauert, dass Deutschland Waffen an die Ukraine geliefert habe, durch die Russen zu Tode gekommen seien. Der AfD-Abgeordnete Eugen Schmidt hatte im März gegenüber russischen Medien erklärt, es gäbe "keine Demokratie in Deutschland".
Bei Lanz distanzierte sich Lucassen von beiden. Er habe kein Verständnis für die Auftritte im russischen Propaganda-TV, sagte er. In Bezug auf Schmidt sprach er sogar von "Volksverrat".
Die Bundesregierung im eigenen Land zu kritisieren, sei die Pflicht der Opposition, führte er aus. Kritik über die russischen Medien zu verbreiten, sei verkehrt.
Kiesewetter eröffnet Feuer
"Wie gespalten ist Ihre Partei?", hakte Kiesewetter daraufhin nach. "Gar nicht", erklärte Lucassen. Die AfD sei eher "pluralistisch". Er sei stolz darauf, dass in seiner Partei verschiedene Meinungen zugelassen seien.
"Stolz auf die Beschönigung von Kriegsverbrechen?", fragte Kiesewetter. "Eine so bösartige Unterstellung hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut!", entgegnete der AfD-Mann. Er appellierte an Kiesewetter, sich doch etwas zurückzuhalten. Derartige Tiefschläge sollte die militärische Erziehung, die sie beide genossen hätten, ihm doch eigentlich verbieten, so der Oberst a.D..
Gemeinsame Wurzeln hin oder her, Kiesewetter blieb standhaft und beharrte: Es sei kein Pluralismus, Kriegsverbrechen zu beschönigen.
- "Markus Lanz" vom 12. April 2023