Kanzler-Auftritt am 1. Mai Scholz: Radikaler Pazifismus "aus der Zeit gefallen"
Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine bei einem Auftritt zum 1. Mai weitere Unterstützung zugesichert. DGB-Chef Hoffmann hingegen warnt vor den Folgen "massiver Aufrüstung".
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine bei einer Rede zum 1. Mai in Düsseldorf weitere Unterstützung zugesagt. "Wir werden die Ukraine weiter unterstützen, mit Geld, mit humanitärer Hilfe, aber auch das muss gesagt werden: Wir werden sie unterstützen, dass sie sich verteidigen kann, mit Waffenlieferungen, wie viele andere Länder in Europa das auch machen", sagte Scholz am Sonntag bei der DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit.
Scholz fuhr fort: "Ich fordere den russischen Präsidenten auf: Lassen Sie die Waffen schweigen! Ziehen Sie Ihre Truppen zurück! Respektieren Sie die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine!"
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Scholz hält einen radikalen Pazifismus angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine für nicht mehr zeitgemäß. "Ich respektiere jeden Pazifismus, ich respektiere jede Haltung, aber es muss einem Bürger der Ukraine zynisch vorkommen, wenn ihm gesagt wird, er solle sich gegen die Putin'sche Aggression ohne Waffen verteidigen", sagte er. "Das ist aus der Zeit gefallen!", sagte Scholz. "Ich sage ganz klar: Wir werden nicht zulassen, dass hier mit Gewalt Grenzen verschoben und ein Territorium erobert wird."
Scholz macht Versprechungen
Der Kanzler versicherte zugleich, dass auch angesichts massiver Ausgaben für die Verteidigung kein einziges sozialpolitisches Vorhaben der Ampelregierung auf der Strecke bleiben solle. So solle der Mindestlohn weiter angehoben und der Ausbau der erneuerbaren Energien sozialverträglich gestaltet werden, versprach Scholz.
Scholz hielt seine Rede mit lauter Stimme vor lautem Publikum. "Danke an die, die dafür gesorgt haben, dass ich hier gut zu verstehen bin", sagte er am Ende des Auftritts ironisch.
DGB-Chef: "Nein zur massiven Aufrüstung"
Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann warnte am Sonntag eindringlich davor, den Militärhaushalt dauerhaft aufzustocken und den Sozialstaat zu vernachlässigen. "Wir sagen Nein zur massiven Aufrüstung", erklärte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds am Sonntag in Berlin. "Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats." Militärische Friedenssicherung dürfe nicht zulasten des sozialen Friedens gehen.
Den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilte Hoffmann in seinem vorab verbreiteten Redemanuskript zur zentralen Kundgebung am 1. Mai scharf. "Wir fordern: Waffenstillstand jetzt!", erklärte der DGB-Vorsitzende. Er sicherte den Menschen in der Ukraine Solidarität zu und lobte die Hilfen für Menschen, die aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geflohen sind.
Hoffmann warnt vor "miesen Löhnen" für Geflüchtete
"Jetzt kommt es auch darauf an, dass die Qualifikationen der Geflüchteten unbürokratisch anerkannt werden", erklärte Hoffmann. "Es ist gut, dass der Arbeitsmarkt allen Geflüchteten unabhängig von Nationalität oder Hautfarbe offensteht." Ziel sei, dass die Menschen rasch Arbeit zu ordentlichen Bedingungen fänden. "Ich warne aber all diejenigen Arbeitgeber, die meinen, Geflüchtete zu miesen Löhnen und grottigen Arbeitsbedingungen beschäftigen zu können", fuhr Hoffmann fort. Die Opfer von Not und Elend des Kriegs dürften "nicht auch noch von skrupellosen Kapitalisten ausgebeutet werden".
Der Gewerkschafter kritisierte Forderungen von Arbeitgebern nach Lohnzurückhaltung bei den Tarifverhandlungen für zehn Millionen Beschäftigte in diesem Jahr. "In diesen Wochen werden 70 Milliarden Euro Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet", erläuterte Hoffmann. "Viele Unternehmen sind Krisenprofiteure und fahren satte Extragewinne ein, man schaue nur auf die Mineralölkonzerne. Das geht gar nicht."
Nötig seien anständige Tariflöhne und mehr Tarifbindung sowie eine Lohnuntergrenze, die vor Armut schütze. Das Entlastungspaket der Ampelkoalition gegen die stark steigenden Energiepreise sei richtig, aber nicht ausreichend. Rentner müssten einbezogen und arme Menschen stärker entlastet werden, forderte Hoffmann.
Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern deutschlandweit
Neben den DBG-Veranstaltungen stehen vor allem in Berlin und Hamburg zahlreiche weitere Veranstaltungen an – von Motorrad- oder Fahrrad-Korsos über Corona-Proteste bis hin zu vor allem Aktionen der linken und linksradikalen Szene. In Berlin gilt die besondere Aufmerksamkeit der Polizei der Demonstration "Revolutionärer Erster Mai" im Bezirk Neukölln. Erwartet werden bis zu 20.000 Teilnehmer.
In vergangenen Jahrzehnten war es dabei zu Gewaltausbrüchen von Linksautonomen gekommen. Die Polizei ist am gesamten Wochenende in der Hauptstadt mit 6.000 Beamten im Einsatz.
- Livestream von der Veranstaltung in Düsseldorf
- Nachrichtenagentur dpa