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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Komplett untragbar" Erster SPD-Politiker fordert Schwesig zum Rücktritt auf
Kostet das Gemauschel rund um Nord Stream 2 SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig das Amt? Erstmals fordert ein Vertreter ihrer eigenen Partei ihren Rücktritt.
Der Druck auf Manuela Schwesig steigt – jetzt auch in den eigenen Reihen. Die SPD-Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern sieht sich mit der ersten Rücktrittsforderung eines Vertreters ihrer SPD konfrontiert.
Der Vorsitzende des Berliner SPD-Kreisverbands Treptow-Köpenick, Christopher Jäschke, sagte t-online: "Manuela Schwesig ist als Ministerpräsidentin komplett untragbar geworden, weil sie den Interessen Deutschlands in hohem Maße geschadet hat."
Schwesig steht wegen ihrer Russlandpolitik und ihrer engen Zusammenarbeit mit Gaslobbyisten Moskaus heftig in der Kritik. Sie hatte unter anderem versucht, die deutsch-russische Pipeline mit einer von Moskau finanzierten Klimastiftung vor Sanktionen zu schützen. Der russische Staatskonzern Gazprom nahm im Geheimen großen Einfluss auf die Stiftung und die Entscheidungen Schwesigs, wie bekannt gewordene Unterlagen zeigen.
"Schröders Sparringspartnerin"
SPD-Kreischef Jäschke vergleicht das Handeln der Ministerpräsidentin mit dem des früheren Kanzlers Gerhard Schröder, der als bezahlter Lobbyist für russische Staatskonzerne arbeitet. "Ich sehe keinen Unterschied zwischen der Rolle Schwesigs und dem Wirken Gerhard Schröders. Sie war seine Sparringspartnerin bei Nord Stream 2. Ohne Manuela Schwesig hätte Nord Stream 2 nicht fertig gebaut werden können."
Jäschke betonte, dass er noch nie öffentlich den Rücktritt eines Politikers gefordert habe. "Aber in diesem Fall ist das unumgänglich."
Zuletzt waren mehrere Rücktrittsforderungen gegen Schwesig laut geworden, unter anderem von CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen oder dem FDP-Vorstandsmitglied Linda Teuteberg. Die SPD war Schwesig jedoch öffentlich zur Seite gesprungen. Parteichef Lars Klingbeil nahm sie noch am vergangenen Wochenende in Schutz. Schwesig habe, betonte er, bei der Klimastiftung "auf der Grundlage eines Beschlusses agiert, der parteiübergreifend im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern getroffen wurde."
Schwesig und die Zeitenwende
Tatsächlich hatten Anfang 2021 neben der SPD auch CDU, Linke und AfD für die Einsetzung der Klimastiftung im Schweriner Landtag gestimmt, der die Stiftung damit einstimmig beschloss. Grüne und FDP waren damals noch nicht im Landesparlament vertreten. Mittlerweile haben sie gemeinsam mit der CDU-Fraktion einen Untersuchungsausschuss beantragt, der im Mai eingesetzt werden soll.
In den vergangenen Wochen waren auch durch Recherchen von t-online zahlreiche vertrauliche Treffen und Absprachen zwischen SPD-geführter Landesregierung und Gazprom-Vertretern aufgedeckt worden. Schwesig selbst bezeichnete ihr Festhalten an Nord Stream 2 als Fehler, lehnt einen Rücktritt jedoch ab.
Laut dem Berliner SPD-Politiker Jäschke steht beim Umgang mit der Ministerpräsidentin die Glaubwürdigkeit der Partei und des Kurses von Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Spiel. "Es kann keine Zeitenwende der SPD beim Thema Russland geben, wenn Manuela Schwesig damit durchkommt", sagt er.
"Wir müssen unseren Kurs aufarbeiten, so wie andere Parteien auch. Und ich bin überzeugt, dass die SPD langfristig von dieser Aufarbeitung profitieren wird." Zuletzt forderten auch SPD-nahe Historiker eine grundlegende Untersuchung der sozialdemokratischen Russlandpolitik.
Update, 26.4.2022, 11.20 Uhr: In einer ersten Version des Textes hieß es zunächst, auch die Grünen hätten der Einsetzung der Klimastiftung im Landtag zugestimmt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
- Eigene Recherchen