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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Besuch von der Leyens Druck auf Scholz wegen Reise in die Ukraine wächst
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen besucht die ukrainische Hauptstadt. Bundeskanzler Olaf Scholz plant keine Reise nach Kiew. Bei CDU-Politikern sorgt das für Unverständnis.
"Olaf Scholz sollte nicht länger zaudern und dafür sorgen, dass Deutschland den europäischen Partnern nicht erneut hinterherläuft", sagte der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß zu t-online. "Deutschland hat so viel Vertrauen verspielt in der Ukraine und in der EU", findet auch der Europaabgeordnete Dennis Radtke. Der CDU-Politiker sagte t-online: "Ein persönlicher Besuch könnte ein Versuch sein, das mal ansatzweise zu reparieren."
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sieht Handlungsbedarf: "Frau von der Leyen zeigt uns, wie man sich in dieser schweren Krise verhalten sollte. Sie zeigt Einsatz, Engagement und Mitgefühl mit den Betroffenen." Diese Haltung vermisse er bei Olaf Scholz: "Bei unserem Bundeskanzler ist das leider kaum zu sehen."
Die Hilfen und die Lieferung von Waffen zur Selbstverteidigung bleiben nach Ansicht von Frei "weit hinter den Erwartungen und dem Notwendigen zurück": "Allem Anschein nach bereitet Russland eine neue Offensive vor, und Berlin bringt es nicht fertig, schnell wirksamere Waffen zu liefern. Damit fällt ein schlechtes Licht auf die Bundesregierung und auf ganz Deutschland."
Eine Reise nach Kiew sei "eine persönliche Entscheidung", findet Frei aber auch. Scholz müsse selbst wissen, ob er ein solches Risiko eingehen wolle: "Aber es wäre natürlich ein starkes Zeichen."
Inzwischen auch Rufe aus dem Ausland
Auch aus dem Ausland kommen solche Appelle. Am Mittwoch hatte der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk Bundeskanzler Scholz aufgefordert, zu einem Solidaritätsbesuch in die Ukraine zu reisen.
"Wenn er wirklich was tun möchte, sollte er eher nach Kiew fahren, als den russischen Präsidenten anzurufen", sagte Szynkowski vel Sęk der Deutschen Presse-Agentur bei einem Besuch in Berlin. Die Anrufe bei Wladimir Putin hätten keinen Sinn und bisher auch nichts gebracht. "Wenn man jetzt diesen Völkermord ansieht: Mit dem Täter sollte man nicht verhandeln, man sollte eher dem Opfer helfen."
Mitte März waren die Regierungschefs Polens, Tschechiens und Sloweniens nach Kiew gereist, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Seither waren mehrere Spitzenpolitiker diesem Beispiel gefolgt. Vergangene Woche traf die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und andere Mitglieder der ukrainischen Regierung.
Auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) kündigte eine Reise nach Kiew an.
Der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky findet solche Besuchsaktivitäten hingegen zweitranging. "Ob der Kanzler hinfährt, ist sekundär, so lange er effektive Solidarität mit der Ukraine wirklich zur Chefsache macht, inklusive funktionierende Hilfe mit Ausrüstung, klare und deutliche Unterstützung der Ukraine im Rahmen der Nato und der EU, harte und entschlossene Sanktionen", sagte der Grünenpolitiker t-online mit Blick auf die Aufforderungen an Scholz.
Scholz plant keine Reise
Nach Informationen von t-online plant Scholz derzeit keine Reise nach Kiew. Im Kanzleramt ist man der Ansicht, dass konkrete Hilfen wie Waffenlieferungen wirksamer sind als "Symbolpolitik" in der Kriegsregion. Deutschland will zudem seine Präsidentschaft in der Gruppe der G7 dazu nutzen, um die Nachbarländer der Ukraine zu stärken.
- Eigene Recherchen