Krisenkanzlerin Merkel zieht Bilanz: "Ja, wir haben das geschafft!"
Ihre Kritiker werfen ihr durch ihre Asylpolitik die Spaltung des Landes vor. Kanzlerin Angela Merkel aber zieht eine positive Bilanz – und das nicht nur in dieser Krise.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist auf Abschiedstour und gibt ihre letzten Interviews als Noch-Amtsträgerin. Im Gespräch mit der Deutschen Welle blickt sie auf ihre Amtszeit zurück. Persönlich am stärksten herausgefordert hätten sie "der Fluchtdruck aus Syrien und aus den umliegenden Ländern, und dann die Corona-Pandemie". In beiden Fällen "hat man gesehen, wie das die Menschen direkt betrifft, wo man es mit menschlichen Schicksalen zu tun hat."
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Merkel gilt als "Krisenkanzlerin", in ihren 16 Jahren als Kanzlerin musste sie zahlreiche Großlagen managen. Ihr Umgang mit Geflüchteten hat sie berühmt gemacht, vor allem ihre Aussage "Wir schaffen das" hat die Krise überdauert. Von Kritikern wird Merkel vorgeworfen, dass ihre Politik das Land gespalten habe.
Beim Klimawandel "sehr, sehr viel schneller werden"
Auf die Frage, ob sie der Meinung sei, dass Deutschland die Herausforderung tatsächlich gemeistert habe, antwortet sie im Interview: "Ja, wir haben das geschafft!" Ideal sei nicht alles gelaufen, aber dank des Engagements von Lokalpolitikern und Ehrenamtlichen sei vieles gelungen.
Doch auch große Aufgaben, die nicht geschafft wurden, sieht Merkel: Fluchtursachen seien nicht bekämpft worden, nach wie vor gebe es in Deutschland außerdem kein einheitliches Asylsystem. Auch beim Kampf gegen den Klimawandel müsse man "sehr, sehr viel schneller werden", so Merkel.
Die Proteste junger Menschen für mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz hält Merkel für gerechtfertigt. "Glasgow hat schon einige Ergebnisse gebracht, aber aus der Perspektive junger Leute geht es berechtigterweise immer noch zu langsam", sagte sie mit Blick auf die gerade laufende Weltklimakonferenz in Glasgow.
Merkel pocht auf 1,5-Grad-Ziel
Die Staatengemeinschaft habe immer wieder einiges getan für den Klimaschutz, dennoch seien die Berichte des Weltklimarates IPCC "immer warnender und immer bedrohlicher geworden". "Und da sage ich den jungen Leuten, sie müssen Druck machen, und wir müssen schneller werden", betonte Merkel.
Man sei zwar schneller geworden. "Aber nie war es so, dass nicht der Abstand zu den wissenschaftlichen Einschätzungen noch mal gewachsen ist. Und das muss sich jetzt in diesem Jahrzehnt verändern. Wir müssen wieder den wissenschaftlichen Einschätzungen folgen, und das heißt eben sehr nah bei 1,5 Grad Erderwärmung bleiben", mahnte die Kanzlerin.
Merkel regiert Deutschland seit 16 Jahren als Bundeskanzlerin. In der Woche vom 6. bis 10. Dezember soll die neue Bundesregierung gebildet werden – mit einem Kanzler Olaf Scholz (SPD) an der Spitze.
- Deutsche Welle: Exklusiv-Interview mit Angela Merkel