SPD-Kanzlerkandidat unter Druck Nach Razzia – Ermittlungen gegen Scholz' Staatssekretär
Keine zwei Wochen vor der Bundestagswahl wächst der Druck auf Finanzminister Scholz. Die Vorwürfe gegen die Zolleinheit FIU hätten "eine bisher ungeahnte Qualität" erreicht, so die Opposition im Parlament.
Nach der Razzia im Bundesfinanzministerium von vorigen Donnerstag hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen den beamteten Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt eingeleitet. Der Grund sei die teilweise Veröffentlichung eines Gerichtsbeschlusses über die Durchsuchung auf Twitter.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist damit der Anfangsverdacht von "Verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen" gemäß Paragraf 353d Strafgesetzbuch gegeben. Das Verfahren sei am Montag an die zuständige Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben worden. Ein Sprecher der Berliner Behörde bestätigte, dass ein entsprechendes Übernahmeersuchen aus Osnabrück eingegangen sei. Es werde nun geprüft, ob ein Anfangsverdacht bestehe.
Schmidt selbst schrieb am Dienstag auf Twitter, dass er zuversichtlich sei, dass die Vorwürfe schnell ausgeräumt werden könnten. Laut Schmidt sei der Eindruck entstanden, dass gegen Beschäftigte des Bundesministeriums ermittelt werde. "Dieser falsche Eindruck machte es nötig, dass sich die Öffentlichkeit selber ein Bild von den Fakten machen kann", schrieb er weiter.
Scholz kommentierte die Ermittlungen
Auch Kanzlerkandidat Scholz kommentierte die Ermittlungen: "Das wird jetzt in einem ordentlichen Verfahren geklärt und muss auch geklärt werden", sagte er am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Klartext". Schmidt habe mit dem Tweet darauf hinweisen wollen, dass es bei einer Durchsuchung im Finanzministerium nicht um Beschuldigte im Ministerium selbst gegangen sei, sagte Scholz. Über Schmidt sagte er zudem: "Der Staatssekretär twittert viel, das kann ich kaum noch nachvollziehen, was er da im Einzelnen macht."
Bei Ermittlungen gegen Verantwortliche der Financial Intelligence United (FIU), einer Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls, hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück in der vergangenen Woche das Bundesfinanzministerium und -justizministerium durchsuchen lassen. Dabei wurden auch Unterlagen beschlagnahmt, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Diese geht seit vergangenem Jahr einem Verdacht auf Strafvereitelung im Amt durch die FIU nach.
Opposition will Scholz vorladen
Union und Opposition sehen in den Ermittlungen eine Angriffsmöglichkeit auf Scholz, der mit seiner SPD die Umfragen zur Bundestagswahl am 26. September anführt. Sie werfen ihm vor, er habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff. FDP, Linke und Grüne haben bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eine Sondersitzung in der Sache beantragt und als Termine den 20. oder 22. September vorgeschlagen. "Die Anwesenheit von Bundesminister Scholz ist dabei erbeten", heißt es in dem Schreiben. Die Vorwürfe gegen die FIU hätten "eine bisher ungeahnte Qualität" erreicht. Scholz solle zu den Vorgängen Stellung beziehen.
Scholz verteidigt sich gegen Vorwürfe
Auch der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer sprach sich für eine Sondersitzung des Bundestags-Finanzausschusses noch vor der Wahl aus. Die in einer Sommerpause erforderliche Zustimmung des Bundestagspräsidenten zur Sondersitzung des Ausschusses stand am Dienstag noch aus.
Scholz' Vorgänger im Bundesfinanzministerium Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die FIU 2017 aus dem Bundeskriminalamt herausgelöst und dem Zoll zugeschlagen. Seither ist das Bundesfinanzministerium zuständig für die Aufsicht der Einheit. Im "Kanzler-Triell" am Sonntag wies Scholz die Kritik von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet zurück. Die Ermittlungen richteten sich gegen die Kölner Behörde und nicht gegen sein Ministerium, so Scholz. Zudem habe er die Zahl der FIU-Mitarbeiter von 160 auf fast 500 erhöht.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP