Nach Wahlschlappe in Bayern Prominente CSU-Politikerin schlägt Seehofer-Nachfolger vor
Nach den dramatischen Stimmenverlusten bei der Landtagswahl in Bayern steigt der Druck auf CSU-Chef Seehofer. Aus der Partei werden immer deutlichere Rücktrittsforderungen laut.
Die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat den Kurs ihrer Partei kritisiert und personelle Veränderung an der Spitze angemahnt. Die Partei habe das Thema Asyl und Flüchtlinge überhöht, sagte die Politikerin dem Bayerischen Rundfunk (BR). Damit habe die CSU dazu beigetragen, dass die Ängste der Menschen nicht abgebaut worden seien. Jetzt müsse sich die Partei wieder stärker um die politische Mitte kümmern.
Stamm schlägt Nachfolger für Seehofer vor
Als Nachfolger von Parteichef Horst Seehofer schlug Stamm im "B5-Interview der Woche" den Europapolitiker Manfred Weber vor. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass die CSU keine Ein-Thema-Partei sein dürfe. Nach Stamms Einschätzung wird auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in der Partei viel zu wenig gesehen, obwohl er bei der Bekämpfung von Fluchtursachen von entscheidender Bedeutung sei.
Der erste der großen CSU-Bezirksverbände – die CSU Schwaben – forderte unterdessen einen Sonderparteitag, bei dem explizit über die Aufstellung für die kommenden Jahre entschieden werden müsse. Das beschloss eine Bezirksvorstandssitzung unter Leitung des CSU-Bezirksvorsitzenden Markus Ferber am Freitagabend einstimmig, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Auch mehrere Kreisverbände fordern Seehofers Ablösung.
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Man sei der festen Überzeugung, dass es nach der Landtagswahl kein "Weiter so" geben dürfe, heißt es in dem Beschluss, der der dpa in München vorliegt. Man werde das Wahlergebnis auf Orts-, Kreis- und Bezirksverbandsebene analysieren und "hält es für selbstverständlich, dass dieser Prozess bei einem Sonderparteitag seine Fortsetzung und seinen Abschluss findet". Und weiter: "Dieser Sonderparteitag muss auch über unsere Aufstellung für die kommenden Jahre entscheiden."
Offene Rücktrittsforderungen von Teilnehmern
In der Bezirksvorstandssitzung gab es nach Teilnehmerangaben auch direkte Rücktrittsforderungen an die Adresse Seehofers. Andere hätten darauf verwiesen, dass die Regierungsbildung in Bayern Vorrang habe.
In einer Bezirksvorstandssitzung der Oberfranken-CSU war die Stimmung nach übereinstimmenden Teilnehmerangaben ebenfalls eindeutig. Es müsse einen Sonderparteitag geben, und Seehofer müsse abgelöst werden, das sei eigentlich in allen Wortmeldungen deutlich geworden, berichteten Teilnehmer am frühen Samstagmorgen. Allerdings wurde dort, anders als bei der Schwaben-CSU, kein formaler Beschluss gefasst - unter Hinweis auf die laufenden Koalitionsverhandlungen.
Die CSU war bei der Landtagswahl am Sonntag um mehr als zehn Punkte auf 37,2 Prozent abgestürzt und braucht nun einen Koalitionspartner. Inzwischen fordern bereits drei Kreisverbände offen die Ablösung Seehofers: Kronach, Passau-Land und nun auch Memmingen. Der Memminger Kreisvorstand habe sich für einen Sonderparteitag mit Neuwahl des Vorsitzenden ausgesprochen, berichtete der Kreisvorsitzende, der Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek, am Freitagabend.
Seehofer offen für Sonderparteitag
Allerdings müsse sich die CSU auch inhaltlich neu aufstellen, das Motto "Näher am Menschen" wieder stärker praktizieren. Auch die Oberbayern-CSU hat bereits einen Parteitag verlangt, ohne dabei aber konkret zu werden.
Seehofer hatte sich in den vergangenen Tagen bereits offen für einen Parteitag gezeigt. Das will er aber mit den CSU-Bezirksvorsitzenden entscheiden. Dann solle über Konsequenzen aus der Wahlpleite entschieden werden – dazu zählten auch personelle Fragen, "über die zu diskutieren ich durchaus auch bereit bin", sagte er am Dienstag. Eigentlich läuft Seehofers Amtszeit als CSU-Chef bis Ende 2019.
- Koalitionsverhandlungen gestartet: CSU streitet über Gründe für Stimmenverluste
Seehofer, Ministerpräsident Markus Söder und andere CSU-Spitzenpolitiker hatten allerdings zuletzt betont, dass die Regierungsbildung in Bayern Priorität haben müsse. Dort verhandelt Söder seit Freitag mit den Freien Wählern über eine Koalition. Die Frist für die Ministerpräsidentenwahl läuft bis zum 12. November.
- dpa